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Produktdetails
  • Verlag: Beall Research
  • Seitenzahl: 340
  • Erscheinungstermin: 22. Februar 2021
  • Englisch
  • Abmessung: 229mm x 152mm x 21mm
  • Gewicht: 621g
  • ISBN-13: 9781942951865
  • ISBN-10: 1942951868
  • Artikelnr.: 61258595
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2021

Kampf gegen Privilegien
Plädoyer für einen liberalen Kosmopolitismus

Liberale Ökonomen können mit einigem Recht behaupten, dass wir in der besten aller gewesenen Welten leben. Noch nie war die Wirtschaftsordnung so vieler Länder vom Wert der Freiheit geprägt, noch nie war der globale Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen so niedrig. Der liberale Ökonom Peter J. Boettke, der an der George-Mason-Universität in Fairfax (Virginia) lehrt, arbeitet im vorliegenden Buch heraus, dass trotzdem keinerlei Anlass zur Selbstgefälligkeit besteht. Weder leben wir in der besten aller möglichen Welten, noch reicht es Boettke, die wirtschaftlichen Erfolge zu zelebrieren. Denn die freiheitliche Ordnung ist unter schweren Beschuss geraten - zum Teil aus eigenem Verschulden.

Das Buch besteht aus sechzehn Aufsätzen, darunter mehrere Ansprachen, die Boettke als Präsident von liberalen Vereinigungen wie der Mont Pèlerin Society oder vor der amerikanischen Southern Economic Association gehalten hat. Wer die Sorge um die Zukunft der freiheitlichen Ordnung teilt, bekommt Abhilfe angeboten. Boettkes Zugang zur liberalen politischen Ökonomie besteht in einer meisterhaften Nutzbarmachung der Geschichte des ökonomischen Denkens. Er warnt die eigene Zunft, die Geschichte des Faches nicht jenen Sozialwissenschaftlern zu überlassen, die dem ökonomischen Denken feindselig gegenüberstehen.

Boettke legt dar, warum er als Ökonom - ganz im Sinne Max Webers - dem Leser eine Offenlegung seiner normativen Positionierung schuldig ist. Wenn Ökonomen so tun, als seien sie frei von Wertbeziehungen zu ihrem Untersuchungsgegenstand, so verkennen sie ihr eigenes Wesen als Sozialwissenschaftler, die als Menschen über andere Menschen und ihre sozialen Beziehungen forschen. Der mündige Bürger, an den sich Boettke richtet, kann mit dem Ratschlag liberaler, sozialistischer oder konservativer Ökonomen gut umgehen, wenn diese im Vorfeld ihre Positionierung offengelegt haben. Dass Ökonomen dies heute oft scheuen, hält er zu Recht für gefährlich, da die Gefahr einer - meist unbeabsichtigten - Manipulation beim Präsentieren von Ratschlägen nicht unerheblich ist.

Warum im Buch Liberalismus und ökonomisches Denken eng zusammengehören, erklärt sich aus ihrer Koevolution während der vergangenen zweieinhalb Jahrhunderte, die Boettke nachzeichnet. Wenn Ökonomie das Durchdenken von sozialen Prozessen bedeutet, in denen Menschen - auf Märkten, aber auch in der Zivilgesellschaft - dezentral und selbstorganisiert ihre Probleme lösen, so stellt sich auch die Frage nach den dafür notwendigen Rahmenbedingungen. Liberale suchen nach Regeln, die möglichst viel individuelle Freiheit gewährleisten. Boettke zeigt überzeugend Kontinuitäten auf, die von David Hume und Adam Smith bis zu den Nobelpreisträgern Elinor Ostrom, James Buchanan und Vernon Smith reichen. Auch die Freiburger Schule fügt sich hier nahtlos ein, wie Boettke in anderen Publikationen herausgearbeitet hat.

Der dem Buch zugrunde liegende Liberalismus - verstanden als Gespräch von Erwachsenen, die sich als Gleiche begegnen und dabei die Würde des anderen stets respektieren - ist zwar parallel zur politischen Ökonomie entstanden. Es wäre aber laut Boettke grundfalsch, Liberalismus "ökonomistisch" auf die Wirtschaftsordnung zu verengen. Leider haben viele liberale Ökonomen in den vergangenen Jahrzehnten just diesen Fehler begangen. Da die intellektuelle Gegnerschaft auf linke Planungsentwürfe fixiert blieb, begegnen heute viele Liberale der Gefahr, die der freiheitlichen Ordnung wieder von rechts droht, mit befremdlicher Naivität. Gerade die neuesten Aufsätze betonen, dass wegen dieser Gefahr von rechts eine Rückbesinnung auf den Kosmopolitismus dringend geboten ist.

Um der ökonomistischen Verengung entgegenzuwirken, hebt Boettke auch die emanzipatorische Seite eines historisch informierten und zeitgemäßen Liberalismus hervor. Die Geschichte der Freiheit in der Moderne zeichnet er als Kampf gegen die Privilegien der Mächtigen, gegen die Diskriminierung von Minderheiten und für die Befähigung der Armen und Schwachen. Dabei bleibt die Empathie für die Armen und Schwachen kein Abstraktum. Vielmehr spürt der Leser, dass diese Haltung Boettkes eigene Motivation bildet, Ökonom zu sein und nach Rahmenbedingungen zu suchen, unter denen Märkte ihre segensreiche Wirkung gerade für die Armen und Schwachen entfalten.

Seinen Kollegen rät Boettke, laufend die eigene Relevanz für die Gesellschaft selbstkritisch zu prüfen und dabei Politikberatung nicht primär als Politikerberatung, sondern als Bürgerberatung zu verstehen - ganz im Sinne der "Bringschuld" gegenüber den Bürgern, wie es der Kieler Ökonom Herbert Giersch vor Jahrzehnten formuliert hat. Dazu müssen Diagnose und Therapie für die gegenwärtigen Krisen in einer Sprache kommuniziert werden, die für die Bürger verständlich ist. In der Sache haben die Ratschläge radikal, in der Rhetorik aber moderat zu sein. Ökonomen müssen dabei der Versuchung widerstehen, Untergangsprophetien zu verkünden. Boettke sucht die Balance zwischen den unerwünschten Extremen eines zynischen Pessimismus und eines naiven Optimismus. Falls es Ökonomen gelingt, Regeln für den Ordnungsrahmen anzubieten, die einen Teil der aktuellen Unsicherheit beseitigen und gleichzeitig mehr Freiheitsräume ermöglichen, sind wir noch lange nicht am Ende der Erfolgsgeschichte der freiheitlichen Ordnung angelangt. STEFAN KOLEV

Peter J. Boettke: The Struggle for a Better World, Mercatus Center at George Mason University, Arlington 2021, 340 Seiten, 34 Euro.

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