Nobel Prize for Literature winner Doris Lessing tackles the 1960s and their legacy head-on in one of her most involving, personal, political novels.
It's the morning of the 1960s and it's suppertime at Freedom Hall, the most welcoming household in north London. Frances Lennox stands at her stove, preparing another feast before ladling it out to the youthful crew assembled around her hospitable table - here are her two sons, smarting at their upbringing but beginning to absorb their mother's lessons. Around them are ranged their schoolfriends and girlfriends and ex-friends and new friends fresh off the street. The feast begins. Wine and talk flow. Everything is being changed and being challenged.
But what is being tolerated? And where will it end? Over there in the corner is Frances's ex-husband, Comrade Johnny, who delivers his rousing tirades, then laps up the adolescent adulation before disappearing into the night to evade the clutches of his responsibilities. Upstairs sits Johnny's exiled mother, funding all, but finding she can embrace only one lost little girl - Sylvia, who has to travel to Africa, to newly independent Zimlia, to find out who she is and what she wants. And what of the Africans, what will they tolerate?
These are the people dreaming the 1960s into being, and the people who, on the morning after all that dreaming, woke to find they were the ones who had to clear up and make good.
It's the morning of the 1960s and it's suppertime at Freedom Hall, the most welcoming household in north London. Frances Lennox stands at her stove, preparing another feast before ladling it out to the youthful crew assembled around her hospitable table - here are her two sons, smarting at their upbringing but beginning to absorb their mother's lessons. Around them are ranged their schoolfriends and girlfriends and ex-friends and new friends fresh off the street. The feast begins. Wine and talk flow. Everything is being changed and being challenged.
But what is being tolerated? And where will it end? Over there in the corner is Frances's ex-husband, Comrade Johnny, who delivers his rousing tirades, then laps up the adolescent adulation before disappearing into the night to evade the clutches of his responsibilities. Upstairs sits Johnny's exiled mother, funding all, but finding she can embrace only one lost little girl - Sylvia, who has to travel to Africa, to newly independent Zimlia, to find out who she is and what she wants. And what of the Africans, what will they tolerate?
These are the people dreaming the 1960s into being, and the people who, on the morning after all that dreaming, woke to find they were the ones who had to clear up and make good.
Wie sollen wir leben? In ihrem Roman "Ein süßer Traum" stellt Doris Lessing Selbstsucht und Humanität gegenüber und langweilt mit einer Flut von Stereotypen.
Doris Lessings jüngster Roman "Ein süßer Traum" ist das genaue Gegenteil des Titels, nämlich bittere Prosa. Sie rechnet in einem Buch, das in zwei Teile zerfällt, zuerst mit den antiautoritären Sechzigern in England ab, um sich dann dem Elend der Korruption in einem afrikanischen Staat namens Simila zuzuwenden, dessen neue republikanische Elite die kommunistischen Ideale der Londoner Intelligenzija in denkbar bigotter Weise an den Mann bringt.
Die ehrgeizige Konstruktion verklammert drei Generationen durch ein Haus in Nordlondon. Es gehört Julia Lennox, einer gebürtigen Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihrer Jugendliebe auf die Insel folgte und nach dem Tod ihres Mannes ein wilhelminischer Fremdkörper inmitten der lockeren Sitten der Jugend ist. Ihr einziger Sohn Johnny nennt sie aufreizend "Mutti", um pikierte Distanz zu ihren Wurzeln zu demonstrieren. Er macht Karriere als moskauhöriger Demagoge und lässt seine Frau Frances mit zwei Söhnen sitzen. "Du bist eine richtige Arbeiterfrau", lobt er die zwischen Töpfen und Wäscheleinen Hausende bei einer Stippvisite, um postwendend zu verkünden, dass er sich in eine "echte Genossin verliebt" habe. Doch als Julia die Schwiegertochter in ihr Haus holt, steht er nicht an, sich jahrelang von Frances bekochen zu lassen, seine psychisch angeknackste Zweitfrau nebst Tochter bei ihr unterzubringen und Parteifreunde zum Schlafen zu deponieren.
So stereotyp Lessing diesen Tunichtgut zeichnet, so unwahrscheinlich ist die Duldsamkeit, die Frances an den Tag legt. Täglich werden neue Sozialfälle unter ihren Fittichen verstaut, selbstgerechte Schwätzer im Namen der siegreichen Sache mit Kost und Logis versorgt. Mit ihren reaktionären Eltern hadernde Teenager fühlen sich besonders wohl in Julias großem Haus, doch auch Frances' zweiter Mann bringt zwei schwierige Kinder und seine Exfrau als Einstand mit. Man muss es wohl als Parabel unerschütterlicher weiblicher Ressourcen lesen, dass Frances trotz ihres Großküchenschicksals Karrieren als Schauspielerin, Journalistin und Autorin hinlegt. "Frances hatte den ganzen Tag versucht, mit dem gewichtigen soziologischen Buch voranzukommen, das sie schrieb, unterbrochen durch Anrufe von der Schule, von Meriels Krankenhaus und von Rupert aus der Redaktion ..."
Johnny erscheint regelmäßig, wenn der Tisch gedeckt ist, um die versammelte Jüngerschaft mit Vorträgen über Nicaragua und die Machenschaften des CIA zu unterhalten. Wie alle anderen Nutznießer den beiden selbstlosen Frauen ist er bombensicher imprägniert gegen die Widersprüche seiner ideologischen Märchen, die auf martialische Umverteilung hinauslaufen. Alles, was Frances nicht bereitstellt, Kleider und Bücher vor allem, wird von Johnnys Gefolgschaft geklaut: "Er nannte es ,befreien'." Lessing bietet eine seltsame Schicksalsphilosophie, um das eklatante Missverhältnis zwischen denen, die abräumen, und denen, die die Zeche bezahlen, zu erklären. Es habe seine eigenen Vorstellungen, das Schicksal, schreibt sie: "Aber vielleicht war das Schicksal nichts weiter als das eigene Temperament, das unsichtbar Menschen und Ereignisse anzieht. Es gibt Menschen", überlegt Frances, die "dem Leben gegenüber eine gewisse Passivität an den Tag legen und abwarten, was ihnen geschenkt, ihnen aufgetischt wird. Oder was sie bedrängt."
Das Interesse der Erzählerin gilt diesen sanften Charakteren, auch wenn sie nicht allzu begabt dafür ist, sie menschlich attraktiv zu gestalten. Während die Egoisten, emotionalen Sadisten und Wichtigtuer aus Johnnys Holze auch sexuell erfolgreiche Freibeuter sind, bleiben die guten Seelen peinlich verklemmt. "Sie war sogar bereit, über Zärtlichkeiten und Gespräche zur Schlafenszeit in ihrem vormals ehelichen Bett nachzudenken", heißt es von Julia und ihrem keuschen Verhältnis zum Exildeutschen Wilhelm. Und wenn Frances über ihren Neuen Rupert nachgrübelt, ist die sinnliche Seite schnell abgehakt: "Ganz abgesehen vom Sex, den sie als angenehm in Erinnerung hatte, war sie bei ihm in bester Gesellschaft."
"Ein süßer Traum" feiert Askese und Selbstverleugnung als letztes Mittel gegen den grassierenden Hedonismus, und es ist kein Zufall, dass diese Hinterwäldlerposition ebenso als deutsches Spurenelement eingeführt wird wie die "Verkorkstheit" der "in permanenter Auflösung" lebenden WG-Gestrandeten: "Das sind alles Kriegskinder, deswegen. Zwei schreckliche Kriege, und dies ist das Ergebnis." Denn die Deutschen neigen "zu Extremen", wie Wilhelm seufzt. Auch Johnnys Renitenz geht auf das Konto der Mesalliance seines Vaters. Auf Julias Frage, ob er ihretwegen Schwierigkeiten in der Schule habe, begannen seine Augen zu "flackern".
Johnnys Stieftochter Sylvia, ein magersüchtiges Mädchen, ist der Liebling der Patriarchin. Sylvia studiert Medizin und spielt die Hauptrolle im zweiten Teil, der sie als Ärztin unter grimmigen Bedingungen in Afrika porträtiert. Hier wird der Roman vollends zur Sozialreportage, abgründig allenfalls ist der Kunstgriff, Johnny im Arzthelfer Joshua mit dem ganzen Arsenal ideologischer Ressentiments wiederauferstehen zu lassen. Als die schwer erkrankte und durch Denunziation einer einst im Londoner Haus durchgefütterten Journalistin um ihre Position gebrachte Sylvia von ihren afrikanischen Freunden Abschied nimmt, verflucht sie der an Aids erkrankte Joshua. Kurz nach ihrer Rückkehr in London stirbt sie: Das Böse ist in seinen archaischen wie modernen Ausprägungen gleichermaßen mächtig.
Am Ende bleibt die Frage offen, wer den Sieg davonträgt, das Darwinsche System des Egoismus oder die Alchemie der Humanität? Der Verdacht bleibt, dass Julias und Frances' ausbeuterische Kommune, diese zusammengeschwemmte Großfamilie, das Ideal des Gemeinschaftslebens für Lessing ist. Hier schreibt eine von bürgerlicher Skepsis getränkte Seele, die danach süchtig ist, von der Not der vielen überrollt zu werden. Sie sind das Alibi dafür, eigene Probleme hintanzustellen. So entsteht ein Buch, das die Anatomie der Selbstsucht vorbildlich kartographiert, aber kaum durch eine differenzierte Figur zu fesseln vermag. Lauter Stereotypen, zum Abwinken Gute und Böse, eine in den Seilen der Ideologiekritik gefangene Erzählerin, aber kein Roman.
INGEBORG HARMS
Doris Lessing: "Ein süßer Traum". Roman.
Aus dem Englischen von Barbara Christ. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 526 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
'Her portraits of sympathetic human relationships are of quite staggering beauty...It would be hard to exaggerate the splendour of this book.' The Times
'The haunting brilliance of her characters...the passion of her ideas and vision, remain undiminished. She's up there in the pantheon with Honore [Balzac] and George [Eliot].' Independent
'The haunting brilliance of her characters...the passion of her ideas and vision, remain undiminished. She's up there in the pantheon with Honore [Balzac] and George [Eliot].' Independent