As Daniel and Newton conspire, an increasingly vicious struggle is waged for England's Crown: who will take control when the ailing queen dies?Tories and Whigs clash as one faction jockeys to replace Queen Anne with 'The Pretender' James Stuart, and the other promotes the Hanoverian dynasty of Princess Caroline.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2009Feind aller Falschmünzer
Literarische Alchemie: Neal Stephenson beschwört in seinem Monumentalwerk, das mit "Principia" nun komplett auf Deutsch vorliegt, die Geister des Barocks. Dabei zieht der Abenteuerromancier alle Register und setzt auf große Effekte.
Mit dem Band "Principia" liegt Neal Stephensons Barock-Zyklus nun komplett auf Deutsch vor, ein literarisches Monumentalwerk in acht Bänden. Der Zyklus gibt sich als nachgeborenes Stück aus dem barocken Welttheater. Unter anderen treten auf: Königin Anne von England, König Ludwig XIV., Peter der Große; die Wissenschaftler Sir Isaac Newton und Baron Gottfried von Leibniz; Astronomen, Architekten, Schiffsbauer und Bankiers; allerlei Uhrenmacher und Huren, Kaufleute und Piraten, Sklaven, Soldaten, Strauchdiebe, Henker, Berittene und Fußvolk aller Art. Unter den Helden der Trilogie finden sich drei fiktive Charaktere: Doktor Daniel Waterhouse, ein Naturphilosoph und Jugendfreund Isaac Newtons, sowie Jack Shaftoe, König der Vagabunden, und Eliza, Jacks Jugendliebe.
Die Handlung setzt Mitte Januar 1714 ein und wirkt, milde gesagt, komplex: Waterhouse ist von Prinzessin Caroline von Brandenburg-Ansbach, als Gattin Georgs II. die künftige Königin von England, gebeten worden, aus seinem amerikanischen Exil zurückzukehren. Er soll einen Streit zwischen Sir Isaac Newton und Baron von Leibniz schlichten. Sir Isaac, der Mathematiker, Physiker, der wegweisende Theoretiker der Gravitation, wacht seit 1696 über die englische Münze. Er kontrolliert das Prägegut, die Reinheit und Qualität der in London geschlagenen Geldstücke. Als solcher ist er der geborene Feind aller Falschmünzer, zumal des Königs der Falschmünzer, Jack Shaftoe. Shaftoe dagegen ist im Auftrag des französischen Königs unterwegs, das englische Münz- und damit Finanzwesen zu sabotieren. So weit die Handlung in groben Zügen: Waterhouse redet und schlichtet, sucht und forscht, macht und tut, ist als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte Stephensons Mann für alle Fälle im achtzehnten Jahrhundert. Er jagt mit Newton dessen Erzfeind Shaftoe. Shaftoes Geliebte Eliza ist mittlerweile Busenfreundin von Prinzessin Caroline; Carolines Geliebter ist Elizas Sohn, Eliza ist eine Freundin auch von Waterhouse und zugleich Günstling des französischen Königs.
Das klingt sehr nach Popcornkino. Und tatsächlich ist das Ganze mit so viel Wille zur überbordenden Phantasie erzählt und so breitwandtauglich dargestellt, als habe Stephenson die Epoche des Barocks komplett verfilmen wollen. Es wimmelt von Attentaten, Maskeraden, Intrigen und Konterintrigen, von hanebüchenen Actionszenen wie einem Gefängnisausbruch unter Raketeneinsatz. Ein Höhepunkt des Spektakels ist zweifellos das Duell, das sich Dappa, ein ehemaliger Sklave, mit seinem früheren Sklavenhalter liefert. Der Zweikampf soll "mit Feuerwaffen" ausgetragen werden. Dappa erscheint, da er die Wahl der Waffen hat, mit Haubitzen zum Stelldichein. Stephenson liebt solche Knalleffekte. Er liebt aber auch die detaillierte Beschreibung, die minutiös-mikroskopische Ausbreitung der Ereignisse. Immer wieder wird die Erzählung des Geschehens von mäandrierenden Exkursen aufgehalten, von gelehrten Anmerkungen, Fußnoten und Redeschlachten ausgebremst und versinkt in einem Schwall von Worten.
Stephensons frühes achtzehntes Jahrhundert ist kein schöngefärbtes Zeitalter. Seine drastischen Bilder von Huren, die elfjährige, Gin-benebelte Taschendiebe bedienen, von ausgepeitschten Zwangsarbeiterinnen und anderen Leidtragenden der Epoche erstickt jeden Ansatz von Verklärung. Es gelingt ihm in vielen Passagen, die Epoche zu vergegenwärtigen. Man sieht vieles wie zum ersten Mal: wie Phosphor gewonnen, indem es aus Urin gekocht wird; wie wenig selbstverständlich Maschinen sind und welches Staunen sie auslösen konnten. Von Maschinen sind sie alle fasziniert, der Autor wie seine Figuren. Stephenson ist schließlich als Science-Fiction-Autor populär geworden und hat den Ausdruck "Avatar" für das virtuelle Ich im Internet geprägt.
Waterhouse arbeitet an der Konstruktion der "Logikmühle", einer programmierbaren Rechenmaschine. Dieser Apparat soll mit einer Art binär codierter Lochkarten betrieben werden. Wenn sich die Hauptfiguren auch zu Fuß, zu Pferd oder in Sänften durch die stinkenden Straßen Londons bewegen, sind ihre Gedanken doch zukunftsweisend. Sie spüren, wie in ihrer Zeit ein neues System der Welt entsteht. "The System of the World" ist übrigens nicht nur der Titel eines postum erschienenen Werkes von Isaac Newton, sondern auch der Originaltitel des Buches. Diese kommende, neu verfasste Welt - Grundlage unserer Moderne - wird von zwei Supermächten beherrscht: dem Geld und den Maschinen. Der Geldverkehr ist in Gang gekommen, der erste Prototyp einer Dampfmaschine pumpt Wasser aus dem Bergwerk. Zugleich entstehen die dunklen Gegenstücke dieser mechanischen Wunderdinge: "Höllenmaschinen" mit Zeitzünder und absurde Apparate, die Geisteskranke gesund quälen sollen. Stephenson zeigt, wie das Nützlich-Fortschrittliche in Nachbarschaft zum Infernalischen gedeiht. Sein Barock ist eine Zeit, die Aufklärung, Wissen, Beherrschung der Natur fordert, die nach neuen Globen verlangt "mit mehr Geographie und weniger Monstern und Meerjungfrauen". Eine Zeit, die es wissen will und die sich doch nach Wundern sehnt.
Auch diese Sehnsucht wird gestillt. "Principia" ist kein historistisches Dokumentarspiel, sondern ein Abenteuerroman. Und Stephenson zieht alle Register, verbaut sogar Elemente der phantastischen Literatur: Der Leser wohnt der chemisch bewirkten Wiederauferstehung des vorübergehend verstorbenen Sir Isaac bei; und mit Enoch Root ist ein leibhaftig-unsterblicher Alchemist unterwegs. Die Alchemisten alter Zeit strebten an, durch Mischung und Transmutation alter Stoffe neue Stoffe zu erzeugen - ein Lebenselixier, den Stein der Weisen, Gold. Stephenson versucht sich in literarischer Alchemie: Er beschwört die großen Geister des Barocks herauf, und man sieht Newton und seine Zeitgenossen prall und grell bemalt wie im Wachsfigurenkabinett. In den besten Momenten des Romans wirkt sein literarisches Elixier.
HARTMUT KASPER
Neal Stephenson: "Principia". Roman. Aus dem Amerikanischen von Juliane Gräbener-Müller und Nikolaus Stingl. Manhattan Verlag, München 2008. 1120 S., geb., 29,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Literarische Alchemie: Neal Stephenson beschwört in seinem Monumentalwerk, das mit "Principia" nun komplett auf Deutsch vorliegt, die Geister des Barocks. Dabei zieht der Abenteuerromancier alle Register und setzt auf große Effekte.
Mit dem Band "Principia" liegt Neal Stephensons Barock-Zyklus nun komplett auf Deutsch vor, ein literarisches Monumentalwerk in acht Bänden. Der Zyklus gibt sich als nachgeborenes Stück aus dem barocken Welttheater. Unter anderen treten auf: Königin Anne von England, König Ludwig XIV., Peter der Große; die Wissenschaftler Sir Isaac Newton und Baron Gottfried von Leibniz; Astronomen, Architekten, Schiffsbauer und Bankiers; allerlei Uhrenmacher und Huren, Kaufleute und Piraten, Sklaven, Soldaten, Strauchdiebe, Henker, Berittene und Fußvolk aller Art. Unter den Helden der Trilogie finden sich drei fiktive Charaktere: Doktor Daniel Waterhouse, ein Naturphilosoph und Jugendfreund Isaac Newtons, sowie Jack Shaftoe, König der Vagabunden, und Eliza, Jacks Jugendliebe.
Die Handlung setzt Mitte Januar 1714 ein und wirkt, milde gesagt, komplex: Waterhouse ist von Prinzessin Caroline von Brandenburg-Ansbach, als Gattin Georgs II. die künftige Königin von England, gebeten worden, aus seinem amerikanischen Exil zurückzukehren. Er soll einen Streit zwischen Sir Isaac Newton und Baron von Leibniz schlichten. Sir Isaac, der Mathematiker, Physiker, der wegweisende Theoretiker der Gravitation, wacht seit 1696 über die englische Münze. Er kontrolliert das Prägegut, die Reinheit und Qualität der in London geschlagenen Geldstücke. Als solcher ist er der geborene Feind aller Falschmünzer, zumal des Königs der Falschmünzer, Jack Shaftoe. Shaftoe dagegen ist im Auftrag des französischen Königs unterwegs, das englische Münz- und damit Finanzwesen zu sabotieren. So weit die Handlung in groben Zügen: Waterhouse redet und schlichtet, sucht und forscht, macht und tut, ist als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte Stephensons Mann für alle Fälle im achtzehnten Jahrhundert. Er jagt mit Newton dessen Erzfeind Shaftoe. Shaftoes Geliebte Eliza ist mittlerweile Busenfreundin von Prinzessin Caroline; Carolines Geliebter ist Elizas Sohn, Eliza ist eine Freundin auch von Waterhouse und zugleich Günstling des französischen Königs.
Das klingt sehr nach Popcornkino. Und tatsächlich ist das Ganze mit so viel Wille zur überbordenden Phantasie erzählt und so breitwandtauglich dargestellt, als habe Stephenson die Epoche des Barocks komplett verfilmen wollen. Es wimmelt von Attentaten, Maskeraden, Intrigen und Konterintrigen, von hanebüchenen Actionszenen wie einem Gefängnisausbruch unter Raketeneinsatz. Ein Höhepunkt des Spektakels ist zweifellos das Duell, das sich Dappa, ein ehemaliger Sklave, mit seinem früheren Sklavenhalter liefert. Der Zweikampf soll "mit Feuerwaffen" ausgetragen werden. Dappa erscheint, da er die Wahl der Waffen hat, mit Haubitzen zum Stelldichein. Stephenson liebt solche Knalleffekte. Er liebt aber auch die detaillierte Beschreibung, die minutiös-mikroskopische Ausbreitung der Ereignisse. Immer wieder wird die Erzählung des Geschehens von mäandrierenden Exkursen aufgehalten, von gelehrten Anmerkungen, Fußnoten und Redeschlachten ausgebremst und versinkt in einem Schwall von Worten.
Stephensons frühes achtzehntes Jahrhundert ist kein schöngefärbtes Zeitalter. Seine drastischen Bilder von Huren, die elfjährige, Gin-benebelte Taschendiebe bedienen, von ausgepeitschten Zwangsarbeiterinnen und anderen Leidtragenden der Epoche erstickt jeden Ansatz von Verklärung. Es gelingt ihm in vielen Passagen, die Epoche zu vergegenwärtigen. Man sieht vieles wie zum ersten Mal: wie Phosphor gewonnen, indem es aus Urin gekocht wird; wie wenig selbstverständlich Maschinen sind und welches Staunen sie auslösen konnten. Von Maschinen sind sie alle fasziniert, der Autor wie seine Figuren. Stephenson ist schließlich als Science-Fiction-Autor populär geworden und hat den Ausdruck "Avatar" für das virtuelle Ich im Internet geprägt.
Waterhouse arbeitet an der Konstruktion der "Logikmühle", einer programmierbaren Rechenmaschine. Dieser Apparat soll mit einer Art binär codierter Lochkarten betrieben werden. Wenn sich die Hauptfiguren auch zu Fuß, zu Pferd oder in Sänften durch die stinkenden Straßen Londons bewegen, sind ihre Gedanken doch zukunftsweisend. Sie spüren, wie in ihrer Zeit ein neues System der Welt entsteht. "The System of the World" ist übrigens nicht nur der Titel eines postum erschienenen Werkes von Isaac Newton, sondern auch der Originaltitel des Buches. Diese kommende, neu verfasste Welt - Grundlage unserer Moderne - wird von zwei Supermächten beherrscht: dem Geld und den Maschinen. Der Geldverkehr ist in Gang gekommen, der erste Prototyp einer Dampfmaschine pumpt Wasser aus dem Bergwerk. Zugleich entstehen die dunklen Gegenstücke dieser mechanischen Wunderdinge: "Höllenmaschinen" mit Zeitzünder und absurde Apparate, die Geisteskranke gesund quälen sollen. Stephenson zeigt, wie das Nützlich-Fortschrittliche in Nachbarschaft zum Infernalischen gedeiht. Sein Barock ist eine Zeit, die Aufklärung, Wissen, Beherrschung der Natur fordert, die nach neuen Globen verlangt "mit mehr Geographie und weniger Monstern und Meerjungfrauen". Eine Zeit, die es wissen will und die sich doch nach Wundern sehnt.
Auch diese Sehnsucht wird gestillt. "Principia" ist kein historistisches Dokumentarspiel, sondern ein Abenteuerroman. Und Stephenson zieht alle Register, verbaut sogar Elemente der phantastischen Literatur: Der Leser wohnt der chemisch bewirkten Wiederauferstehung des vorübergehend verstorbenen Sir Isaac bei; und mit Enoch Root ist ein leibhaftig-unsterblicher Alchemist unterwegs. Die Alchemisten alter Zeit strebten an, durch Mischung und Transmutation alter Stoffe neue Stoffe zu erzeugen - ein Lebenselixier, den Stein der Weisen, Gold. Stephenson versucht sich in literarischer Alchemie: Er beschwört die großen Geister des Barocks herauf, und man sieht Newton und seine Zeitgenossen prall und grell bemalt wie im Wachsfigurenkabinett. In den besten Momenten des Romans wirkt sein literarisches Elixier.
HARTMUT KASPER
Neal Stephenson: "Principia". Roman. Aus dem Amerikanischen von Juliane Gräbener-Müller und Nikolaus Stingl. Manhattan Verlag, München 2008. 1120 S., geb., 29,95 [Euro].
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Neal Stephenson has saved the best until last with The System of the World, a fittingly breathtaking conclusion to his Baroque Cycle, implausibly trumping all of the trilogy's previous strengths, but unfortunately introducing one weakness in that the whole rambunctiously magnificent undertaking had to end Christopher Brookmyre Glasgow Herald