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Der junge spanische Kunsthistoriker Alejandro Ballesteros reist nach Venedig, um das Gemälde, über das er promoviert hat, im Original zu betrachten. Es handelt sich um Giorgiones rätselhaftes Bild "Das Gewitter". In nur vier Tagen wird seine Vorstellung von Kunst und Leben, von Wirklichkeit und Fiktion, von Wahrheit und Irrtum von Grund auf in Frage gestellt. Venedig zeigt sich ihm düster, bedrohlich, morbid. Und er selbst gerät in einen Strudel von Ereignissen, als er Augenzeuge des Mordes an Fabio Valenzin wird, dem berühmt-berüchtigten Kunstfälscher. Er verliebt sich in eine…mehr

Produktbeschreibung
Der junge spanische Kunsthistoriker Alejandro Ballesteros reist nach Venedig, um das Gemälde, über das er promoviert hat, im Original zu betrachten. Es handelt sich um Giorgiones rätselhaftes Bild "Das Gewitter".
In nur vier Tagen wird seine Vorstellung von Kunst und Leben, von Wirklichkeit und Fiktion, von Wahrheit und Irrtum von Grund auf in Frage gestellt.
Venedig zeigt sich ihm düster, bedrohlich, morbid. Und er selbst gerät in einen Strudel von Ereignissen, als er Augenzeuge des Mordes an Fabio Valenzin wird, dem berühmt-berüchtigten Kunstfälscher. Er verliebt sich in eine außergewöhnliche Frau, bringt den Koffer des Ermordeten an sich und findet sich plötzlich in Kreisen, für die Geheimnisse und Verbrechen zum Alltag gehören.
Eine bewegende und spannende Geschichte aus der Stadt, in der Leben und Kunst nicht voneinander zu trennen sind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.1999

Auf Stelzen ohne Socken
Juan Manuel de Prada im trügerischen Licht der Nacht

Ein junger spanischer Kunsthistoriker reist ins winterliche Venedig, um Giorgiones Gemälde "Das Gewitter" zu studieren. Kaum hat er sich in seiner billigen Pension zu Bett gelegt, hört er einen Schuss. Er stürzt hinaus, ohne Socken, und hält einen Sterbenden in den Armen. Den Mörder sieht er nicht, nur eine venezianische Karnevalsmaske, die im Dunkeln davonhuscht. Der Schnee zu seinen Füßen saugt das Blut eines Bilderfälschers auf. Das müsste ein Kriminalroman werden, und irgendwie findet der kaum dreißigjährige spanische Schriftsteller Juan Manuel de Prada das auch. Er habe sich, schreibt er im Nachwort zu "Trügerisches Licht der Nacht" (La tempesta), bei der Kriminalerzählung, dem Sensationsroman und dem Intrigenstück bedient, ja selbst bei Low-Budget-Produktionen des Kinos. Das alles aber nicht, um das mäßig anspruchsvolle Publikum zu unterhalten, sondern "um der Kunst als einer Religion des Gefühls zu neuer Ehre zu verhelfen".

Es steht zu befürchten, dass de Prada es mit seiner nachgeholten Apologie des romantischen Überschwangs ernst meint. Unüberhörbar spricht aus dem Autor des Nachworts der etwa gleichaltrige Erzähler ohne Socken, der vierhundert Seiten lang durch schummrige Gassen, modrige Paläste, groteske Karnevalsorgien und nikotinhaltige Polizeiverhöre stolpert, der eine Restauratorin liebt und wieder verliert, auf glitschigem Untergrund die Dämonen der Dekadenz und der Kunstfälscherei bekämpft und am Ende die Lösung eines überaus pittoresken Mordfalls in seinem zölibatären Herzen begräbt. Und weil all das mit tönendem Tremolo und einigermassen ironiefrei daherkommt, ist daraus kein Krimi geworden, sondern viel mehr, also weniger: ein unglücklicher Wechselbalg aus Schauergeschichte, Entwicklungsroman, Kunstbetrachtung und phänomenaler Sentenzenklopferei.

Juan Manuel de Prada hat in Spanien schon als Mittzwanziger auf sich aufmerksam gemacht. Mit "La tempesta", seinem vierten Buch, gewann er 1997 den fürstlich dotierten Planeta-Preis und wurde zum Darling der Madrider Literaturszene. Mühelos entdeckt man in seiner ersten deutschen Veröffentlichung das Talent, von dem die spanische Kritik mit rosenkranzhafter Eintönigkeit spricht.

De Prada hat erkennbar viel Zeit mit Büchern verbracht und sich auch am spanischen Barock geübt. Für seine erlesenen Beschreibungen von Weltmüdigkeit und Verfall steht ihm ein Stilregister zur Verfügung, das für einen kompletten Klagenfurter Literaturwettbewerb reichen würde. Nur nicht für einen vernünftigen Roman. So viel Lust zum Benennen, Beleuchten und Zerreden ist darin zu spüren, dass der erschöpfte Leser am Ende vor allem eines weiß: Dieser Autor hat einen ans Komische grenzenden Ehrgeiz.

Hier und da wurde dem Roman von der deutschen Kritik sein knirschender, überkonstruierter Plot vorgeworfen, aber damit könnte man leben. Denn der Vorwurf ist sinnlos ohne die Frage, warum man diese Schwäche überhaupt wahrnimmt. Die Konflikte, um die es de Prada geht, von der Liebe bis zum rechten Kunstgenuss, sind dem Buch übergeworfen, statt aus seinen Figuren zu erwachsen. Ob Pensionswirtin oder Professor, alle reden in einem hochdekorativen Stil und liefern kaum mehr als Pappfiguren zur aufwendigen venezianischen Pappkulisse. Ach, Venedig. Mit einem Bruchteil der Metaphern wäre es doch getan gewesen. Aber allein auf den ersten zehn Seiten wirft der Autor mit Vergleichen um sich, dass man sich ducken möchte. Der abgeblätterte Putz sieht aus "wie die Wunden am Körper eines Leprakranken", Boote wirken "wie taumelnde Katafalke", Häuser "wie proletarische Mausoleen", und eine Kirche reckt ihren Turm "wie einen Mast, der den Untergang bereits ahnt". Wie, wie, wie.

Der entschiedene Hang zum Preziösen betrifft nicht nur die edel-verkommene Außenarchitektur der Stadt, die furchtlose Literaten naturgemäß reizt, sondern auch ortsneutrales und völlig harmloses Alltagsgerät. Bei de Prada gibt es einen Koffer, der sich "nicht von seiner hermetischen Verschlossenheit verabschieden" möchte; Tischdecken, "für die Bügelfalten ein Fremdwort waren"; Spiegel, "die ihre reproduzierende Funktion an den Nagel gehängt hatten". Neckisches Wortgebimmel ohne Nachhall. Schwingt der Autor sich jedoch zum Bedeutungsvollen auf, wird es eher schlimmer: "Worte sind Wurfgeschosse und verletzend", lesen wir da, "sie wirken unblutig, wenn der Mund sie formt, doch kaum sind sie entsandt worden, werden sie spitz wie Projektile und durchlöchern unseren Gesprächspartner wie ein Sieb." Und abermals wie.

Aber warum? Weil hier nichts entfaltet, sondern alles auf Stelzen gehoben wird, nicht beschrieben, sondern dröhnend behauptet. So bleiben wir kühl, als der Held nach Spanien zurückkehrt und von seinem venezianischen Abenteuer eine neuerlich gesteigerte Weltmüdigkeit mitbringt. Manchmal, sagt er, habe er Momente der Untätigkeit, "und dann verpasst mir der Gestank der Latrine, in der ich lebe, eine Ohrfeige oder einen Schlag in die Weichteile der Würde, und ich heule fast auf vor Wut". Das müßte reichen.

PAUL INGENDAAY

Juan Manuel de Prada: "Trügerisches Licht der Nacht". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Alexander Dobler. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1999. 393 S., geb., 39,80 DM.

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