Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.02.2000 Literatur
Ruhe in Unfrieden
John Grisham findet in
„Das Testament” zu alter Form
Zu den Rätseln moderner Prosa zählt, warum man John Grishams Romane immer wieder von der ersten bis zur letzten Seite verschlingt, obwohl seine Figuren blass, sein Stil farblos und seine Bücher ziemlich dick sind. Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem man auch Big Macs verschlingt. Aber das allein kann es nicht sein. Es gibt auch andere Anwälte, die mit dicken Büchern über komplizierte juristische Fälle Erfolg haben – aber die sind fast alle langweilig. Anders Grisham – selbst seine schlechteren Bücher besitzen das gewisse Etwas, das den Leser mit jedem Kapitelschluss bereits ins nächste Kapitel zieht.
Womöglich ist es ja tatsächlich die Schlichtheit der Vorgaben. Stets ist alles klar: Ein unsympathischer Milliardär springt aus dem 13. Stock und hinterlässt seiner widerwärtigen Erbengemeinschaft ein teuflisches Testament, mit dem er sie noch aus dem Grab heraus quält. Einer verlorenen Tochter, die irgendwo am Amazonas missioniert, will er alles vermachen – vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig gefunden und unterschreibt. Der Held, Ex-Anwalt und Alkoholiker, muss sie erst finden und dann – was viel schwieriger ist – überreden. Unterdessen wirft das Erbenpack das Geld, das sie noch nicht haben, schon zum Fenster hinaus und beschäftigt eine Horde Anwälte, die ihre Ansprüche durchfechten sollen. So geht es zwischen Kanzleien und Amazonas hin und her, und natürlich will uns Grisham weismachen, viel gefährlicher als der Dschungel sei die menschliche Gier.
Im Grunde funktioniert „Das Testament” (Heyne-Verlag, 512 Seiten, 46 Mark) wie eine Fernsehserie: schlichte Charaktere mit düsterer Vergangenheit vor strahlendem Hintergrund in verwickelten Intrigen. „Dallas” hat so funktioniert – und Grisham macht es genauso. Warum er so viel besser ist als die anderen, bleibt sein Geheimnis – sonst könnte ja jeder mit solchen Büchern Multimillionär werden.
malt
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Ruhe in Unfrieden
John Grisham findet in
„Das Testament” zu alter Form
Zu den Rätseln moderner Prosa zählt, warum man John Grishams Romane immer wieder von der ersten bis zur letzten Seite verschlingt, obwohl seine Figuren blass, sein Stil farblos und seine Bücher ziemlich dick sind. Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem man auch Big Macs verschlingt. Aber das allein kann es nicht sein. Es gibt auch andere Anwälte, die mit dicken Büchern über komplizierte juristische Fälle Erfolg haben – aber die sind fast alle langweilig. Anders Grisham – selbst seine schlechteren Bücher besitzen das gewisse Etwas, das den Leser mit jedem Kapitelschluss bereits ins nächste Kapitel zieht.
Womöglich ist es ja tatsächlich die Schlichtheit der Vorgaben. Stets ist alles klar: Ein unsympathischer Milliardär springt aus dem 13. Stock und hinterlässt seiner widerwärtigen Erbengemeinschaft ein teuflisches Testament, mit dem er sie noch aus dem Grab heraus quält. Einer verlorenen Tochter, die irgendwo am Amazonas missioniert, will er alles vermachen – vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig gefunden und unterschreibt. Der Held, Ex-Anwalt und Alkoholiker, muss sie erst finden und dann – was viel schwieriger ist – überreden. Unterdessen wirft das Erbenpack das Geld, das sie noch nicht haben, schon zum Fenster hinaus und beschäftigt eine Horde Anwälte, die ihre Ansprüche durchfechten sollen. So geht es zwischen Kanzleien und Amazonas hin und her, und natürlich will uns Grisham weismachen, viel gefährlicher als der Dschungel sei die menschliche Gier.
Im Grunde funktioniert „Das Testament” (Heyne-Verlag, 512 Seiten, 46 Mark) wie eine Fernsehserie: schlichte Charaktere mit düsterer Vergangenheit vor strahlendem Hintergrund in verwickelten Intrigen. „Dallas” hat so funktioniert – und Grisham macht es genauso. Warum er so viel besser ist als die anderen, bleibt sein Geheimnis – sonst könnte ja jeder mit solchen Büchern Multimillionär werden.
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