A chorus of candid and poignant voices narrates this novel about a working-class American family who struggles to succeed through five turbulent decades, from the Depression to the Vietnam War. First, Stephen Tollman looks back on his early adventures with his older brother, Philip, as the boys try to shield their younger siblings from the vulnerability of financial ruin. Years later, the vibrant and ambitious Katherine Lennox mesmerizes Stephen and Philip as they both tragically fall in love with her. Then, Philip's son James comes of age in the 1960s, striving to understand his father's deep anger amid a summer of assassinations and civil unrest. Together, these voices create an insightful, beautiful, and deeply psychological story about the American working class, about the strength and strain of family bonds, and finally, about hardships that haunt the human psyche over a lifetime.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2005Script-Doktor
Schale Schicksalsmelodie: Joseph Coulsons Romandebüt
Es geht auch um Musik in diesem Roman, vor allem um eine schöne Jazzpianistin, und daran mag es auch liegen, daß Joseph Coulson meist mit zuviel Pedal spielt, daß er immer noch einen Satz schreiben muß, wenn die Szenerie einem längst so klar vor Augen steht, daß man keinen Assoziationshelfer mehr braucht. Vielleicht hat es auch damit zu tun, daß der siebenundvierzigjährige Autor bislang vor allem Lyrik geschrieben hat und sich deshalb nicht damit begnügen mag, Menschen und Dinge möglichst genau zu beschreiben, sondern seine proletarische Welt überhöhen und mit Metaphern zwangsnobilitieren muß, so daß sich schon auf den ersten Seiten jede Landschaftsschilderung in eine kleine Allegorie zu verwandeln droht.
"Abnehmender Mond" ist nicht bloß eine epische Familiengeschichte; das Buch möchte eine Familiensaga sein, vorgetragen mit langem Atem und oft kurzatmig aneinandergereihten Details. Im Mikrokosmos der Familie Tollman soll sich ein halbes Jahrhundert amerikanischer Geschichte spiegeln wie das Universum in einer Leibnizschen Monade. Coulson schlägt einen Bogen von den frühen Dreißigern - mit kleinen Rückblenden bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs - bis ins Jahr 1974. Das Elend der Großen Depression, die Traumata des Zweiten Weltkriegs, der Vietnam-Krieg, die Morde, die Amerika erschütterten, die Filme, die man sehen, und die Bands, die man kennen mußte - alles ist da und nichts wirklich präsent.
Der Autor läßt seine vier Kapitel von drei verschiedenen Ich-Erzählern vortragen. Bruder Stephen hat das erste und das letzte Wort, sein Neffe James ist für die sechziger Jahre zuständig, und die Pianistin Katherine Lennox schildert ihre Zeit mit den Brüdern Phil und Stephen in den dreißiger und vierziger Jahren. Sie ist ein bißchen Kommunistin, ziemlich aufgeklärt, doch nicht ganz so abgebrüht, und deshalb wirkt sie in ihrer Mischung aus Backfischhaftigkeit, Unabhängigkeit und toughness mitunter wie eine Karikatur von Katharine Hepburn. Nur über die beiden Brüder, die noch in den Siebzigern sehnsüchtig an sie denken und zufällig ein Konzert von ihr besuchen, erfährt man von ihr nicht allzu viel.
Manchmal fühlt man sich bei Coulson wie in einem Drehbuch, in dem den Figuren auf wohlmeinendes Anraten eines Script-Doktors so viele bedeutsame Dinge widerfahren, daß man sie vor lauter Bedeutung gar nicht mehr sieht. Die Familie Tollman wird 1931 nicht nur von der Depression gezwungen, Cleveland zu verlassen und sich auf dem Land in einem großen Zelt einzuquartieren. Die Tochter muß sterben, der jüngste Sohn stottern, die gute Mutter im Zuge der Deklassierung erblinden, der unstete Vater das Geld für die rettende Operation in ein sinnloses Geschäft stecken - und mehr als vierzig Jahre später muß dann der verbitterte älteste Bruder Phil ertauben, nachdem er zu viel getrunken und zuvor auch noch das klavierspielende minderjährige Nachbarsmädchen belästigt hat. Da spielt das Schicksal eine Melodie, die elegisch klingen soll und meist doch nur kitschig ist.
Natürlich kann man die blumige und bisweilen ziemlich gespreizte Redeweise, die von der Schönheit der Lakonie nichts ahnt, nicht ernstlich dem Übersetzer anlasten, aber man staunt schon ein wenig, wenn man gleich bei der ersten Stichprobe liest, daß der Satz "I live in the city where my brother and I grew up, where we made our choices, and choices were made for us" auf deutsch so klingt: "Ich lebe in der Stadt, wo mein Bruder und ich aufgewachsen sind, wo die Weichen für uns gestellt wurden." Aber das sind Kleinigkeiten. Sie ändern nichts daran, daß die Welt dieses Romans, auch wenn sie aus drei verschiedenen Perspektiven und in aller Detailfülle geschildert wird, einfach nicht welthaltig erscheinen will.
PETER KÖRTE.
Joseph Coulson: "Abnehmender Mond". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ingo Herzke. Verlag C. H. Beck, München 2005. 416 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schale Schicksalsmelodie: Joseph Coulsons Romandebüt
Es geht auch um Musik in diesem Roman, vor allem um eine schöne Jazzpianistin, und daran mag es auch liegen, daß Joseph Coulson meist mit zuviel Pedal spielt, daß er immer noch einen Satz schreiben muß, wenn die Szenerie einem längst so klar vor Augen steht, daß man keinen Assoziationshelfer mehr braucht. Vielleicht hat es auch damit zu tun, daß der siebenundvierzigjährige Autor bislang vor allem Lyrik geschrieben hat und sich deshalb nicht damit begnügen mag, Menschen und Dinge möglichst genau zu beschreiben, sondern seine proletarische Welt überhöhen und mit Metaphern zwangsnobilitieren muß, so daß sich schon auf den ersten Seiten jede Landschaftsschilderung in eine kleine Allegorie zu verwandeln droht.
"Abnehmender Mond" ist nicht bloß eine epische Familiengeschichte; das Buch möchte eine Familiensaga sein, vorgetragen mit langem Atem und oft kurzatmig aneinandergereihten Details. Im Mikrokosmos der Familie Tollman soll sich ein halbes Jahrhundert amerikanischer Geschichte spiegeln wie das Universum in einer Leibnizschen Monade. Coulson schlägt einen Bogen von den frühen Dreißigern - mit kleinen Rückblenden bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs - bis ins Jahr 1974. Das Elend der Großen Depression, die Traumata des Zweiten Weltkriegs, der Vietnam-Krieg, die Morde, die Amerika erschütterten, die Filme, die man sehen, und die Bands, die man kennen mußte - alles ist da und nichts wirklich präsent.
Der Autor läßt seine vier Kapitel von drei verschiedenen Ich-Erzählern vortragen. Bruder Stephen hat das erste und das letzte Wort, sein Neffe James ist für die sechziger Jahre zuständig, und die Pianistin Katherine Lennox schildert ihre Zeit mit den Brüdern Phil und Stephen in den dreißiger und vierziger Jahren. Sie ist ein bißchen Kommunistin, ziemlich aufgeklärt, doch nicht ganz so abgebrüht, und deshalb wirkt sie in ihrer Mischung aus Backfischhaftigkeit, Unabhängigkeit und toughness mitunter wie eine Karikatur von Katharine Hepburn. Nur über die beiden Brüder, die noch in den Siebzigern sehnsüchtig an sie denken und zufällig ein Konzert von ihr besuchen, erfährt man von ihr nicht allzu viel.
Manchmal fühlt man sich bei Coulson wie in einem Drehbuch, in dem den Figuren auf wohlmeinendes Anraten eines Script-Doktors so viele bedeutsame Dinge widerfahren, daß man sie vor lauter Bedeutung gar nicht mehr sieht. Die Familie Tollman wird 1931 nicht nur von der Depression gezwungen, Cleveland zu verlassen und sich auf dem Land in einem großen Zelt einzuquartieren. Die Tochter muß sterben, der jüngste Sohn stottern, die gute Mutter im Zuge der Deklassierung erblinden, der unstete Vater das Geld für die rettende Operation in ein sinnloses Geschäft stecken - und mehr als vierzig Jahre später muß dann der verbitterte älteste Bruder Phil ertauben, nachdem er zu viel getrunken und zuvor auch noch das klavierspielende minderjährige Nachbarsmädchen belästigt hat. Da spielt das Schicksal eine Melodie, die elegisch klingen soll und meist doch nur kitschig ist.
Natürlich kann man die blumige und bisweilen ziemlich gespreizte Redeweise, die von der Schönheit der Lakonie nichts ahnt, nicht ernstlich dem Übersetzer anlasten, aber man staunt schon ein wenig, wenn man gleich bei der ersten Stichprobe liest, daß der Satz "I live in the city where my brother and I grew up, where we made our choices, and choices were made for us" auf deutsch so klingt: "Ich lebe in der Stadt, wo mein Bruder und ich aufgewachsen sind, wo die Weichen für uns gestellt wurden." Aber das sind Kleinigkeiten. Sie ändern nichts daran, daß die Welt dieses Romans, auch wenn sie aus drei verschiedenen Perspektiven und in aller Detailfülle geschildert wird, einfach nicht welthaltig erscheinen will.
PETER KÖRTE.
Joseph Coulson: "Abnehmender Mond". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ingo Herzke. Verlag C. H. Beck, München 2005. 416 S., geb., 22,90 [Euro].
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2005Vor dem Schnee
Joseph Coulsons Roman „Abnehmender Mond”
Der Debütroman des 1957 in Detroit geborenen Lyrikers und Dramatikers Joseph Coulson steckt voller bemerkenswerter Passagen. Da ist jenes Zelt, in das die Familie Tollman kurzerhand zieht, weil der Vater seinen Job während der Weltwirtschaftskrise verloren hat. Da sind Baugruben voller Wasser, die einem Familienmitglied zur tödlichen Falle werden. Auch diese Baugruben hat der Börsenkrach erwischt und für Kinder zur Phantasielandschaft werden lassen. Da ist die Jazz-Pianistin Katherine, der die beiden älteren Tollman-Brüder verfallen, und da ist überhaupt eine Familiengeschichte, die den Bogen vom Schwarzen Freitag bis zum Vietnam-Krieg spannt.
Aber vielleicht liegt es an Coulsons Promotion über amerikanische Literatur, dass man in seinem Roman ständig den Eindruck hat, alles schon anderswo etwas besser gelesen zu haben. Doch das ist noch nicht alles. „Erinnerung, das ist alles”, lautet der Schlusssatz des Buchs, und das ist seine Schwäche: „Wir verfeuerten trockene Scheite Ahorn und Hickory-Holz, das wir lange vor dem ersten Schnee gespalten und aufgeschichtet hatten”, heißt es über die Härten des winterlichen Zeltlebens. Formal ist dagegen nichts einzuwenden, doch als Leser eines Romans wäre man doch lieber beim Spalten und Aufschichten des Holzes dabei gewesen als lediglich darüber informiert zu werden, dass dies schon „lange vor dem ersten Schnee” geschehen sei.
Das Gewicht der Vergangenheit
Der Katherine zugeschriebene Satz „Der Mann, den ich zwischen meine Beine ließ, war ein Junge von erst achtzehn Jahren, der gemeinsam mit seinem Stiefvater Gewerkschaften organisierte”, klingt eher wie eine pflichtschuldige Beglaubigung ihrer Vita als „sexuell frühreifer Teenager” denn mitreißend. Immerhin ist auf diese etwas ungelenke Weise auch das Thema Gewerkschaften abgehakt. Doch wo Coulson seine Katherine ins Melancholisch-Lyrische wechseln lässt, kommt sie auf keinen grünen Zweig: „Worauf werde ich hoffen, wenn der Mond mich in einem Meer von Dunkelheit zurücklässt, wenn das Gewicht der Vergangenheit sich nirgendwo mehr anlehnen kann?” geht es ihr durch den Kopf - natürlich an einem Regentag voller bleierner Wolken an einem flüsternden Fluss.
Ja, muss man da leider sagen, wenn es erst soweit gekommen ist, dass sich das Gewicht der Vergangenheit nirgendwo mehr anlehnen kann, dann besteht wenig oder gar keine Hoffnung.
ULRICH BARON
JOSEPH COULSON: Abnehmender Mond. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. C. H. Beck Verlag, München 2005. 416 Seiten, 22,90 Euro.
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Joseph Coulsons Roman „Abnehmender Mond”
Der Debütroman des 1957 in Detroit geborenen Lyrikers und Dramatikers Joseph Coulson steckt voller bemerkenswerter Passagen. Da ist jenes Zelt, in das die Familie Tollman kurzerhand zieht, weil der Vater seinen Job während der Weltwirtschaftskrise verloren hat. Da sind Baugruben voller Wasser, die einem Familienmitglied zur tödlichen Falle werden. Auch diese Baugruben hat der Börsenkrach erwischt und für Kinder zur Phantasielandschaft werden lassen. Da ist die Jazz-Pianistin Katherine, der die beiden älteren Tollman-Brüder verfallen, und da ist überhaupt eine Familiengeschichte, die den Bogen vom Schwarzen Freitag bis zum Vietnam-Krieg spannt.
Aber vielleicht liegt es an Coulsons Promotion über amerikanische Literatur, dass man in seinem Roman ständig den Eindruck hat, alles schon anderswo etwas besser gelesen zu haben. Doch das ist noch nicht alles. „Erinnerung, das ist alles”, lautet der Schlusssatz des Buchs, und das ist seine Schwäche: „Wir verfeuerten trockene Scheite Ahorn und Hickory-Holz, das wir lange vor dem ersten Schnee gespalten und aufgeschichtet hatten”, heißt es über die Härten des winterlichen Zeltlebens. Formal ist dagegen nichts einzuwenden, doch als Leser eines Romans wäre man doch lieber beim Spalten und Aufschichten des Holzes dabei gewesen als lediglich darüber informiert zu werden, dass dies schon „lange vor dem ersten Schnee” geschehen sei.
Das Gewicht der Vergangenheit
Der Katherine zugeschriebene Satz „Der Mann, den ich zwischen meine Beine ließ, war ein Junge von erst achtzehn Jahren, der gemeinsam mit seinem Stiefvater Gewerkschaften organisierte”, klingt eher wie eine pflichtschuldige Beglaubigung ihrer Vita als „sexuell frühreifer Teenager” denn mitreißend. Immerhin ist auf diese etwas ungelenke Weise auch das Thema Gewerkschaften abgehakt. Doch wo Coulson seine Katherine ins Melancholisch-Lyrische wechseln lässt, kommt sie auf keinen grünen Zweig: „Worauf werde ich hoffen, wenn der Mond mich in einem Meer von Dunkelheit zurücklässt, wenn das Gewicht der Vergangenheit sich nirgendwo mehr anlehnen kann?” geht es ihr durch den Kopf - natürlich an einem Regentag voller bleierner Wolken an einem flüsternden Fluss.
Ja, muss man da leider sagen, wenn es erst soweit gekommen ist, dass sich das Gewicht der Vergangenheit nirgendwo mehr anlehnen kann, dann besteht wenig oder gar keine Hoffnung.
ULRICH BARON
JOSEPH COULSON: Abnehmender Mond. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. C. H. Beck Verlag, München 2005. 416 Seiten, 22,90 Euro.
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