Pauline Melville conjures pictures of the savannah, forest and city life in South America where love is often trumped by disaster. This novel embraces nearly a century, when laughter is never far from tragedy. It is a parable of miscegenation and racial exclusiveness, of nature defying culture.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.1998Scheibenwischer am Kopf
Auch nicht viel los in Guyana: Pauline Melville und ihr Bauchredner
Wer beim Umgang mit Büchern fremdsprachigen Ursprungs Verdruß empfindet, muß mit Vorsicht kritisieren. Wieviel von dem, was ihn verprellt, geht auf des Autors Konto, wieviel verantwortet der Übersetzer? Die "slawischen Gesichtszüge" der Romanfigur Rosa in Pauline Melvilles "Bauchredner" werden etwa davon abgeleitet, "daß ihr Vater ein russischer Jude war"; dies setzt das Wirken einer gesellschaftlich konditionierten Genetik à la Lyssenko voraus, an die seit dem Untergang der stalinistischen Sowjetbiologie keiner mehr gelaubt.
Wer sprachliche und gedankliche Logik zu schätzen weiß, hat ein Recht darauf, an solchen und anderen Fragwürdigkeiten Anstoß zu nehmen. Dennoch sollte man sich dem Roman nicht allein mit Beckmessereien nähern. Immerhin leistet seine Urheberin, was man von einer Romanautorin billigerweise erwarten darf: Sie erzählt eine Geschichte, und diese Geschichte ist bunt und hat einen gewissen Charme. Man muß ja nicht gleich so weit gehen wie Salman Rushdie in seinem Lobpreis, den der Klappentext verkündet: "Eine betörend neue Stimme . . ., eine der wenigen wirklich authentischen, die wir in den letzten Jahren gehört haben." Rushdie war, so der Hintergrund, vorübergehend Pauline Melvilles Nachbar und zeitweise ihr literarischer Berater. Vielleicht trug das dazu bei, daß Melvilles Buch nicht unbemerkt blieb. Die britische Whitebread-Jury zeichnete es mit ihrem diesjährigen Preis für den besten Debütroman aus.
Was wissen wir über Pauline Melville? Nicht viel, weil sie selber aus sich ein Geheimnis macht. "Ich habe", sagt sie der Literaturzeitschrift "The Booksellers" in einem Interview, "Scheibenwischer hinten am Kopf, die nach und nach meine Vergangenheit ausradieren." Von ihrem Geburtsjahr zum Beispiel ist nirgends die Rede. Nur so viel steht fest, daß sie als Tochter eines gemischtrassigen Guyaners und einer englischen Mutter geboren wurde, daß sie in Jamaica und Guyana gelebt hat und heute in London wohnt, daß sie in Filmen und Fernsehdramen schauspielerte, bevor sie zu schreiben begann. Ein Band Erzählungen machte den Anfang, der Roman "Der Bauchredner" ist ihr zweites Buch.
Sie schrieb es in Guyana, der einstigen englischen Kolonie im nordöstlichen Südamerika. Der Gedanke an eine Hommage an das Land ihrer Väter liegt nahe, und er ist auch nicht verkehrt, doch trifft er nur im weitesten Sinne den Kern des Buches. Pauline Melville tut viel, um uns ihr Herkunftsland nahezubringen, aber sie feiert es nicht. Sie nutzt es als Bühne für Dutzende lokaltypischer, ineinander verschlungener Schicksale, mittels derer die guyanischen Urwälder und Savannen, Dörfer und Städte mit Leben erfüllt werden. Wir tauchen ein in das Dasein ländlicher Indianer und Mestizen, urbaner Weißer und schwarzer Sklavenenkel. Wir begegnen weit mehr atavistischen als modernen Auffassungen von der Welt. Das sagt jedoch wenig über Wert oder Unwert, Fortschritt oder Rückschritt der einzelnen Gruppen und soll das offenkundig auch nicht tun. Deutlich arbeitet die Autorin heraus, daß die von verschiedenen Hautfarben gezeichneten und von unterschiedlichen Überlieferungen geprägten Menschen im Kern mehr gemeinsam haben, als sie zugeben möchten.
Doch verleiht das alles dem Werk nur üppiges Fleisch und hat noch lange nichts zu tun mit seinen Nervensträngen. Weil hiermit die Romanfabel gemeint ist, erscheint der Plural unangebracht. Das ist er aber nicht, denn Pauline Melville arbeitet mit wenigstens zwei Fabeln, wenn man genau hinschaut, sogar mit dreien. Da haben wir erstens eine Liebesaffäre zwischen dem Indianermischling Chofy McKinnon und der aus Rußland stammenden Jüdin Rosa Mendelson. Zweitens gibt es eine Inzestaffäre zwischen den halbindianischen Geschwistern Danny und Beatrice McKinnon. Die dritte Fabel rankt sich um Rosas Suche nach den Spuren des englischen Schriftstellers Evelyn Waugh; der nämlich ist auf seiner Reise durch Guyana Wifreda McKinnon begegnet, Dannys und Beatrices Schwester und Chofys Tante.
Die Waugh-Story scheint das Buch, wenn es beginnt, zu beherrschen, verflüchtigt sich aber schnell, denn eigentlich gibt es, trotz Tante Wifredas Zeugenschaft, über den schreibenden Briten nichts Besonderes zu berichten. Auch Dannys und Beatrices Blutschande mündet in Enttäuschung, die scheinbar so rücksichtslose Leidenschaft versickert in kleinbürgerlichen Kompromissen: Danny fügt sich in eine respektable Ehe, Beatrice heiratet nach Kanada. Chofys Verhältnis zu Rosa dekouvriert sich sehr bald als vorwiegend physisches Lust-Spiel abseits der ehelichen Bindungen, die Chofy weder abstreifen kann noch eigentlich will. Letzten Endes erweisen sich die Tabuverletzungen, von denen der Roman immerhin wesentliche Teile seiner Eigenart bezieht, als Dutzendgeschichten, eine Weile lang durch verfremdende Effekte interessant gemacht.
Pauline Melvilles "Bauchredner" weckt ständig Erwartungen, die er, wenn es zum Schwur kommt, nicht konsequent erfüllt. Immer wieder verführt er dazu, sich den fremden Daseinsmustern staunend hinzugeben. Aber ebenso oft vermittelt er dem Leser die Einsicht, daß der Alltag unter der sengenden Sonne von Guyana ähnlich banal verläuft wie der zu Hause im kalten Europa. SABINE BRANDT
Pauline Melville: "Der Bauchredner". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Leonie Reppert-Bismarck. Kindler Verlag, München 1998. 415 S., geb., 44,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch nicht viel los in Guyana: Pauline Melville und ihr Bauchredner
Wer beim Umgang mit Büchern fremdsprachigen Ursprungs Verdruß empfindet, muß mit Vorsicht kritisieren. Wieviel von dem, was ihn verprellt, geht auf des Autors Konto, wieviel verantwortet der Übersetzer? Die "slawischen Gesichtszüge" der Romanfigur Rosa in Pauline Melvilles "Bauchredner" werden etwa davon abgeleitet, "daß ihr Vater ein russischer Jude war"; dies setzt das Wirken einer gesellschaftlich konditionierten Genetik à la Lyssenko voraus, an die seit dem Untergang der stalinistischen Sowjetbiologie keiner mehr gelaubt.
Wer sprachliche und gedankliche Logik zu schätzen weiß, hat ein Recht darauf, an solchen und anderen Fragwürdigkeiten Anstoß zu nehmen. Dennoch sollte man sich dem Roman nicht allein mit Beckmessereien nähern. Immerhin leistet seine Urheberin, was man von einer Romanautorin billigerweise erwarten darf: Sie erzählt eine Geschichte, und diese Geschichte ist bunt und hat einen gewissen Charme. Man muß ja nicht gleich so weit gehen wie Salman Rushdie in seinem Lobpreis, den der Klappentext verkündet: "Eine betörend neue Stimme . . ., eine der wenigen wirklich authentischen, die wir in den letzten Jahren gehört haben." Rushdie war, so der Hintergrund, vorübergehend Pauline Melvilles Nachbar und zeitweise ihr literarischer Berater. Vielleicht trug das dazu bei, daß Melvilles Buch nicht unbemerkt blieb. Die britische Whitebread-Jury zeichnete es mit ihrem diesjährigen Preis für den besten Debütroman aus.
Was wissen wir über Pauline Melville? Nicht viel, weil sie selber aus sich ein Geheimnis macht. "Ich habe", sagt sie der Literaturzeitschrift "The Booksellers" in einem Interview, "Scheibenwischer hinten am Kopf, die nach und nach meine Vergangenheit ausradieren." Von ihrem Geburtsjahr zum Beispiel ist nirgends die Rede. Nur so viel steht fest, daß sie als Tochter eines gemischtrassigen Guyaners und einer englischen Mutter geboren wurde, daß sie in Jamaica und Guyana gelebt hat und heute in London wohnt, daß sie in Filmen und Fernsehdramen schauspielerte, bevor sie zu schreiben begann. Ein Band Erzählungen machte den Anfang, der Roman "Der Bauchredner" ist ihr zweites Buch.
Sie schrieb es in Guyana, der einstigen englischen Kolonie im nordöstlichen Südamerika. Der Gedanke an eine Hommage an das Land ihrer Väter liegt nahe, und er ist auch nicht verkehrt, doch trifft er nur im weitesten Sinne den Kern des Buches. Pauline Melville tut viel, um uns ihr Herkunftsland nahezubringen, aber sie feiert es nicht. Sie nutzt es als Bühne für Dutzende lokaltypischer, ineinander verschlungener Schicksale, mittels derer die guyanischen Urwälder und Savannen, Dörfer und Städte mit Leben erfüllt werden. Wir tauchen ein in das Dasein ländlicher Indianer und Mestizen, urbaner Weißer und schwarzer Sklavenenkel. Wir begegnen weit mehr atavistischen als modernen Auffassungen von der Welt. Das sagt jedoch wenig über Wert oder Unwert, Fortschritt oder Rückschritt der einzelnen Gruppen und soll das offenkundig auch nicht tun. Deutlich arbeitet die Autorin heraus, daß die von verschiedenen Hautfarben gezeichneten und von unterschiedlichen Überlieferungen geprägten Menschen im Kern mehr gemeinsam haben, als sie zugeben möchten.
Doch verleiht das alles dem Werk nur üppiges Fleisch und hat noch lange nichts zu tun mit seinen Nervensträngen. Weil hiermit die Romanfabel gemeint ist, erscheint der Plural unangebracht. Das ist er aber nicht, denn Pauline Melville arbeitet mit wenigstens zwei Fabeln, wenn man genau hinschaut, sogar mit dreien. Da haben wir erstens eine Liebesaffäre zwischen dem Indianermischling Chofy McKinnon und der aus Rußland stammenden Jüdin Rosa Mendelson. Zweitens gibt es eine Inzestaffäre zwischen den halbindianischen Geschwistern Danny und Beatrice McKinnon. Die dritte Fabel rankt sich um Rosas Suche nach den Spuren des englischen Schriftstellers Evelyn Waugh; der nämlich ist auf seiner Reise durch Guyana Wifreda McKinnon begegnet, Dannys und Beatrices Schwester und Chofys Tante.
Die Waugh-Story scheint das Buch, wenn es beginnt, zu beherrschen, verflüchtigt sich aber schnell, denn eigentlich gibt es, trotz Tante Wifredas Zeugenschaft, über den schreibenden Briten nichts Besonderes zu berichten. Auch Dannys und Beatrices Blutschande mündet in Enttäuschung, die scheinbar so rücksichtslose Leidenschaft versickert in kleinbürgerlichen Kompromissen: Danny fügt sich in eine respektable Ehe, Beatrice heiratet nach Kanada. Chofys Verhältnis zu Rosa dekouvriert sich sehr bald als vorwiegend physisches Lust-Spiel abseits der ehelichen Bindungen, die Chofy weder abstreifen kann noch eigentlich will. Letzten Endes erweisen sich die Tabuverletzungen, von denen der Roman immerhin wesentliche Teile seiner Eigenart bezieht, als Dutzendgeschichten, eine Weile lang durch verfremdende Effekte interessant gemacht.
Pauline Melvilles "Bauchredner" weckt ständig Erwartungen, die er, wenn es zum Schwur kommt, nicht konsequent erfüllt. Immer wieder verführt er dazu, sich den fremden Daseinsmustern staunend hinzugeben. Aber ebenso oft vermittelt er dem Leser die Einsicht, daß der Alltag unter der sengenden Sonne von Guyana ähnlich banal verläuft wie der zu Hause im kalten Europa. SABINE BRANDT
Pauline Melville: "Der Bauchredner". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Leonie Reppert-Bismarck. Kindler Verlag, München 1998. 415 S., geb., 44,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main