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This book argues that the work of the Austrian economists, including Carl Menger, Joseph Schumpeter, Ludwig von Mises and Friedrich Hayek, has been too narrowly interpreted. Through a study of Viennese politics and culture, it demonstrates that the project they were engaged in was much broader: the study and defense of a liberal civilization. Erwin Dekker shows the importance of the civilization in their work and how they conceptualized their own responsibilities toward that civilization, which was attacked left and right during the interwar period. Dekker argues that what differentiates their…mehr

Produktbeschreibung
This book argues that the work of the Austrian economists, including Carl Menger, Joseph Schumpeter, Ludwig von Mises and Friedrich Hayek, has been too narrowly interpreted. Through a study of Viennese politics and culture, it demonstrates that the project they were engaged in was much broader: the study and defense of a liberal civilization. Erwin Dekker shows the importance of the civilization in their work and how they conceptualized their own responsibilities toward that civilization, which was attacked left and right during the interwar period. Dekker argues that what differentiates their position is that they thought of themselves primarily as students of that civilization rather than as social scientists, or engineers. This unique focus and approach is related to the Viennese setting of the circles, which constitute the heart of Viennese intellectual life in the interwar period.
Autorenporträt
Erwin Dekker is Assistant Professor in Cultural Economics at Erasmus Universiteit Rotterdam. He has published in the fields of cultural economics, economic methodology and intellectual history, and he is currently working on valuation and the qualitative measurement of quality.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2017

Wiener Gesprächskultur
Fragile Ordnungen verstehen und verteidigen

Wer die turbulente Gegenwart besser verstehen möchte, kann von früheren politökonomischen Debatten profitieren, in denen ebenfalls der Umgang mit zerbrechlich erscheinenden Ordnungen von Wirtschaft und Gesellschaft zentral war. Erwin Dekker nimmt sich in seinem Buch eine solche Epoche vor und interpretiert Wort und Wirkung jener Ökonomen, die unter dem Begriff "Österreichische Schule" sowohl Gegenstand der Theoriegeschichte als auch Inspirationsquelle für die heutigen "Austrian Economists" sind. Dekkers Unterfangen ist ehrgeizig: Zum einen ist die Literatur zu dieser Denkschule in den vergangenen vier Jahrzehnten immens angewachsen, so dass man fürchten könnte, es sei eigentlich schon alles gesagt. Zum anderen birgt diese nahezu 150 Jahre alte Tradition viele Herausforderungen für die Geschichtsschreibung. Umso erfrischender ist der innovative und an einigen Stellen provokante Zugang des Autors.

Bereits der Titel "The Viennese Students of Civilization" provoziert, denn es ist ungewöhnlich, Ökonomen mit dem Studium ihrer Zivilisation zu betrauen. Dekker, Assistenzprofessor für Kulturelle Ökonomik in Rotterdam, fokussiert die Begriffe Zivilisation und Kultur, wobei er bewusst auf die oft unscharfe historische Unterscheidung dazwischen verzichtet. Die Begründung für diesen Fokus leuchtet ein: Märkte bezeichnet er als genuin kulturelle Phänomene, die sowohl von der Kultur geprägt werden als auch diese ihrerseits maßgeblich beeinflussen. Den Begriff "kulturell" verortet er zwischen "naturgegeben" und "bewusst entworfen" und beschreibt damit Ergebnisse menschlichen Zusammenlebens. Der zeitliche Schwerpunkt des Bandes sind die letzten Jahrzehnte Österreich-Ungarns und die Zwischenkriegszeit - eine spannungsreiche Epoche, vor deren Hintergrund die Haltung der Wiener Ökonomen zum im Niedergang begriffenen Mitteleuropa und der umkämpften westlichen Zivilisation porträtiert wird.

Dekker begnügt sich nicht damit, den Diskurs der Ökonomen untereinander in ihren vielfältigen Gesprächsforen innerhalb und außerhalb der Universität Wien darzustellen. Er zeigt vielmehr, wie tief die Ökonomen in die mannigfachen Wiener Kreise eingebettet waren, wie sehr ihre Forschung von diesem Geflecht sich überlappender Gesprächskreise profitierte und wie die Ökonomen ihre Veröffentlichungen oft lediglich als Kuppelprodukte der Gespräche sahen. So tritt auch die intellektuelle Einzigartigkeit Wiens im Fin de siècle und in der Zwischenkriegszeit eindrücklich hervor: Die Ökonomen befanden sich nicht nur in einem dauernden Gespräch mit Historikern und Juristen, sondern ebenso mit Philosophen, Psychologen, Mathematikern und Medizinern, aber auch, dank der Wiener Kultur des Caféhauses, mit Journalisten, Literaten, Politikern und Beamten. Wer sich täglich in solchen Netzwerken bewegt, ist geradezu gezwungen, einen breiten Zugang zum eigenen Untersuchungsgegenstand, dem Markt, zu entwickeln.

Bestechend ist auch Dekkers Offenheit in der Wahl der untersuchten Gruppe. Damit umgeht er die unfruchtbaren, manchmal sektiererisch anmutenden Diskussionen darüber, wer zur Österreichischen Schule dazugehört. Diese enden häufig mit dem unbefriedigenden Ergebnis, dass lediglich eine an Ludwig von Mises orientierte Gruppe übrig bleibt. Dekker hingegen bezieht auch Joseph Schumpeters Positionen an zentraler Stelle ein, die sonst oft als "unösterreichisch" außen vor bleiben. Ein weiterer Fokus liegt auf Friedrich August von Hayek, dessen Haltung zur westlichen Zivilisation besonders deutlich zeigt, wie sich das Selbstverständnis der Wiener im Zeitverlauf wandelte.

Was sollen Ökonomen tun? Auf diese Frage hat es im Laufe der Theoriegeschichte sehr unterschiedliche Antworten gegeben, einhergehend mit Metaphern wie dem Ingenieur, dem Arzt oder dem Klempner. Auch die Wiener Antworten fielen unterschiedlich aus. Die zentrale Spannung, die Dekker ausmacht, liegt zwischen dem Ökonomen als passivem Erforscher der Prozesse an Märkten und ihrer zivilisatorischen Auswirkungen und dem Ökonomen als aktivem Streiter für die Erhaltung der westlichen Zivilisation. Im Zeitverlauf ist ein wellenartiges Muster erkennbar: Schon früh, besonders im Werk Friedrich von Wiesers, wechselten sich bis 1926 vorsichtiger Optimismus und tiefer Pessimismus ab, und der Pessimismus führte in den vierziger Jahren in der Schumpeter-Mises-Generation zu tiefster Resignation und Depression.

Gerade zu dieser Zeit fand allerdings in der Generation Hayeks, zu der auch Karl Popper zählte, eine Wandlung hin zur aktiven Parteinahme für die von Totalitarismen an den Rand des Untergangs gedrängte Zivilisation statt. Als Instrumente hierfür dienten sowohl an die breite Öffentlichkeit gerichtete Bücher wie "Der Weg zur Knechtschaft" und "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" als auch Neugründungen von Foren wie der Mont Pèlerin Society, in deren Konzeption Dekker auch den Wunsch zur Wiederbelebung der Wiener Gesprächskultur erkennt.

Zivilisation ist anstrengend. Sie erlegt unseren Instinkten und Leidenschaften mühsame Einschränkungen auf. Es ist verblüffend, wie allgegenwärtig diese Diagnose im Wien der Psychoanalyse ist, im Verständnis vom Zins als Bändigung der Ungeduld oder in Debatten über die Last der individuellen Verantwortung. Dass auch heute viele Menschen die Märkte, ihre Offenheit und Regelgebundenheit als Zumutung erleben, zeigen aktuelle Turbulenzen auf beiden Seiten des Atlantiks. Wer Dekkers packende Darstellung liest und gleichzeitig die neue Zerbrechlichkeit der internationalen Ordnung mit Sorge beobachtet, kommt nicht umhin, das Selbstverständnis heutiger Ökonomen zu überdenken. Tragen diese eine Mitverantwortung für die Fragilität der westlichen Demokratien, weil sie sich zu sehr auf ihre passive Aufgabe des Verstehens beschränken und zu wenig dafür tun, die Bedeutung des Marktes für eine freie Gesellschaft geduldig zu erläutern?

STEFAN KOLEV

Erwin Dekker: The Viennese Students of Civilization. Cambridge University Press, New York 2016, 220 Seiten, 110 Dollar

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