Thomas Hoepker gehört zu den großen Reportagefotografen der letzten 50 Jahre. Seit 1989 ist er Mitglied der Agentur Magnum Photos, lebt seit den Siebzigern in New York und sein journalistisches Thema waren die USA in ihrer ganzen Vielfalt. Es hat ihn nie losgelassen und im Jahr 2020, da war er 84,
begab er sich mit seiner Partnerin Christine Kruchen auf eine monatelange Reise im Wohnmobil, von der…mehrThomas Hoepker gehört zu den großen Reportagefotografen der letzten 50 Jahre. Seit 1989 ist er Mitglied der Agentur Magnum Photos, lebt seit den Siebzigern in New York und sein journalistisches Thema waren die USA in ihrer ganzen Vielfalt. Es hat ihn nie losgelassen und im Jahr 2020, da war er 84, begab er sich mit seiner Partnerin Christine Kruchen auf eine monatelange Reise im Wohnmobil, von der Ostküste bis nach Kalifornien, auf der Suche nach ... sich selbst? Thomas Hoepker leidet an Demenz, und wenn er auf die alten Fotos blickt, die er 1963 für die Illustrierte „Kristall“ in den USA schoss, dann ist es kein Blick des Erinnerns, sondern in seinen Augen steht die Freude über ein künstlerisch gelungenes Bild.
„The Way it was – Road Trips USA“ ist sein Vermächtnis. Der Band stellt den neuen Aufnahmen von 2020 (in Farbe) die USA aus dem Jahr 1963 (in s/w) gegenüber und wäre die Farbe nicht, man könnte manches Foto der Gegenwart auch in der Vergangenheit verorten. Die weiten, einsamen Landschaften, die vom Leben gezeichneten Gesichter der Menschen und vor allem das immer noch untrügliche Gespür für ein gutes Bild, das in einem winzigen Augenblick Schicksale, Stimmungen und Botschaften einfängt. Natürlich war Hoepker in den Sechzigern näher dran. Näher am Leben und näher an den Menschen, alleine schon, weil Corona sie im Jahr 2020 auf Distanz hält. Alles war damals für ihn neu und faszinierend und trotz der schwarz-weißen Aufnahmen auch bunt. Er bewegte sich vor allem in der sozialen Schicht der Ausgestoßenen und Abgehängten und sie dominieren die Doppelseiten, die wie in einem Familienalbum mit einem Dutzend Fotos „tapeziert“ sind. Keinesfalls willkürlich tapeziert, sondern sorgfältig komponierte, durch Gesten, Grautönung oder Inhalt miteinander verknüpfte Motive; ein Kaleidoskop der harten, körperlichen Arbeit, des Sich-Durchboxens, des Glaubens an und der Hoffnung auf ein besseres Leben, aber auch der Resignation und Verzweiflung. Dazu im Gegensatz stehen die Bilder des Konsums, von Alltag bis Luxus, der sich in den USA schon in den Sechzigern erkennbar von dem in Deutschland unterschied.
Auffällig ist, dass Hoepker direkte soziale Konflikte und den culture clash nicht dokumentiert. Viele seiner Fotos entstanden in den schwarzen Communities, deutlich weniger in den Vierteln der weißen Unterschicht, aber es gibt kaum Fotos, wo sich diese beiden Welten berühren, von einem Kontakt zwischen „oben“ und „unten“ ganz zu schweigen. Darin liegt vielleicht auch eine Erklärung, warum sich (nicht nur in den USA) die Fronten zwischen den Klassen immer weiter verhärtet haben. Heute ist die USA gespalten wie nie, der Keim dafür wurde aber viel früher gelegt und er ist in Hoepkers Bildern ablesbar, wenn auch nur versteckt.
Die Bilder haben keine Legende, keine Beschreibung, keine genaue Ortsangabe. Zu Beginn eines Reiseabschnitts befindet sich ein grober Kartenausschnitt fast von der Größe Deutschlands, der Rest bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen.
„The Way it was – Road Trips USA“ ist das Vermächtnis eines Lebens, das sich dem Ende neigt. Thomas Hoepkers Erinnerungen mögen verlöschen, seine Bilder werden es nicht. 60 Jahre wie ein Tag.