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the working game
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Produktdetails
  • ISBN-13: 9783987550713
  • Artikelnr.: 69152013
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2024

Vom Sport lernen

Von Alex Westhoff

Der kleine Felix kann kaum laufen, geschweige denn einen Schläger halten, als die Leute schon sagten: Ach, da ist ja der kommende Olympiasieger. Als Felix geboren wird, gehören seine Eltern zu den besten Hockeyspielern der Welt. Beide stehen bei den Spielen in Barcelona 1992 auf dem Treppchen - Vater Andreas Keller gewinnt Gold, Mutter Anke Wild Silber. Es ist eine Familien-Saga: Opa Carsten Keller wurde Olympiasieger 1972 in München, Uropa Erwin war Silbermedaillengewinner 1936 in Berlin. Felix' Auftrag, der auch von ihm selbst daraus abgeleitet worden ist: einreihen in die Erbfolge des Erfolgs. Zumal er als Jugendlicher noch erlebt, wie Tante Natascha Keller 2004 Gold in Athen gewinnt, Onkel Florian Keller zum deutschen Sieger-Team 2008 in Peking gehört. Diese unvergleichliche Hockey-Dynastie gehört fortgeschrieben.

"Es war einerseits ein enormes Privileg, in solch einer Familie aufzuwachsen", sagt Felix Wild: "Aber wenn man ständig hört, dass man der nächste Medaillengewinner wird, glaubt man das irgendwann. Und denkt dann auch, dass man nur etwas wert ist, wenn man es auch wirklich schafft. Ich musste mich durch den Dschungel der Erwartungen von außen schlängeln."

Das gelingt ihm gut - aber nicht auf olympischem Terrain. Sondern in der Verbindung einer erfolgreichen Hockey-Bundesliga-Karriere und beruflichem Erfolg als Unternehmensberater. Als Selbständiger hält er Vorträge und gibt Workshops: Was lässt sich aus der Welt des Spitzensports in die Geschäftswelt übertragen? Wie kann das funktionieren? Dies hat Wild, der in Wiesbaden lebt, gemeinsam mit seiner Frau Lisa Uriel-Wild nun auch zu einem Buchprojekt gemacht. "The Working Game. Mehr Spaß, mehr Team, mehr Erfolg im Job. Mach's wie Spitzensportler!" ist in dieser Woche im Forward Verlag erschienen.

Zu all dem wäre es nicht gekommen, so Wild, wenn der Anrufer, der ihn im Spätsommer 2012 erreichte, eine andere Botschaft für ihn gehabt hätte. Der Anrufer war der damalige Hockey-Bundestrainer Markus Weise, frisch mit Gold dekoriert von den Olympischen Spielen in London. Wild hatte eine starke Saison für den Berliner HC gespielt, die mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft endete. Und er hatte im selben Jahr die deutsche U-21-Auswahl als Vizekapitän zur EM geführt. Jetzt sollte für ihn die Krönung folgen: die Berufung in die A-Nationalmannschaft. Doch die Stimme von Weise am anderen Ende der Leitung sagte so etwas wie: Felix, du machst das gut - aber ich brauche dich nicht im Team.

Auf Wilds Position im zentralen Mittelfeld spielten damals Moritz Fürste, Tobias Hauke und Oskar Deecke - Weltklassespieler. Für Wild brach eine Welt zusammen. Die ganze (Familien-)Geschichte, an der er seit Kindesbeinen schrieb - mit einem Mal zerrissen und zerknüllt in einer Sportart, die in olympischen Zyklen denkt. "Ein bisschen Talent und viel Timing" habe damals gefehlt, sagt Wild heute schmunzelnd. So schmerzhaft es in jenem Moment als 21-Jähriger war, sagt Wild heute mit 33, dass es für seinen Werdegang gut gewesen ist. Als A-Kader-Spieler hätte er fünf bis zehn Jahre voll auf den Sport gesetzt - "das ist dann wie eine Droge" - und dann wohl mit 30 im Leben danach bei null anfangen müssen. So blieb er als Bundesligaspieler zwar dem Leistungssport treu, aber mit Raum und Zeit, dies mit dem Berufseinstieg zu verbinden. Unternehmertum und Beratung hätten ihn schon immer interessiert.

Als er und seine Frau - einst Weltmeisterin im Showdance als Mitglied der Limburger Formation "Ragazzi" - nach Hessen zogen, wollte er seine Hockeykarriere beim Wiesbadener THC locker ausklingen lassen. Drei Aufstiege in Serie mit seiner Hilfe - in der Halle ging es bis in die Bundesliga - erhöhten den Aufwand, den er doch eigentlich hinter sich lassen wollte. Vor drei Jahren machte Wild tatsächlich Schluss mit der aktiven Karriere, wurde Vater einer Tochter und bekam die Idee für das Buchprojekt. Wild hatte in Kindheit und Jugend - "bewusst und unterbewusst", wie er sagt - innerhalb der Familie viel gesehen und wahrgenommen. Wie Leistungssportler sich vorbereiten, wie diszipliniert sie agieren, wie sie Teams führen und prägen, wie früh sie aufstehen für die erste Laufeinheit des Tages, aber auch, wie sie entspannen und regenerieren. Er hat dieses Leben als Athlet und Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr knapp zwei Jahre selbst geführt.

Als Berufseinsteiger fiel Wild auf, wie unterentwickelt die Feedback-Kultur vielerorts in der Businesswelt ist. Wie ungewohnt und erfolgsmindernd er das empfand. Im Sport gebe es wichtiges Feedback sofort auf dem Platz, von Trainern und Mitspielern, mit kurzer Verzögerung bei Videoanalysen. Wild begann sich für die Frage zu begeistern, was man aus dem Sport ins Geschäftsleben übertragen kann.

Für das Buch habe er sich unter anderem durch Regale von Sportlerbiographien gelesen. Um herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen Athleten und Mannschaften Höchstleistung erbringen können. Die Stabilität des Umfeldes sei ein entscheidender Faktor, wie auch der aktuell wohl beste deutsche Hockeyspieler Niklas Wellen in einem Interview in Wilds Buch beschreibt. Bei der Aufnahme in die Hall of Fame habe Basketball-Superstar Dirk Nowitzki "rund 90 Prozent seiner Rede verwendet, seine Vorbilder und Unterstützer zu würdigen, ohne die er nicht weit gekommen wäre", sagt Wild.

Sein Buch ist voller historischer und inspirierender Beispiele aus der Welt des Spitzensports. Dazu führt Wild Interviews mit aktuellen Topathleten wie dem Zehnkämpfer Niklas Kaul und der Turnerin Pauline Schäfer. Zu Themen wie Fokus, Innovation, Druck und Effektivität spricht er mit ehemaligen Sportlern sowie Persönlichkeiten und Unternehmern, die dem Sport sehr nahestehen, wie Steffi Nerius, Christian Pander, Max Hartung und Johannes B. Kerner. Nach jedem Kapitel sind Punkte aufgelistet, - da verfällt das kenntnisreich geschriebene Buch kurz in den gängigen Ratgeber-Sprech -, wie jeder - auch im Job - besser performen kann. Mit Begeisterung analysiert Wild wie der legendäre Basketball-Trainer Phil Jackson (elfmal NBA-Champion) lange funktionierende Teams aus lauter Superstars formt. Wie dieser erkennt, dass sein Einfluss während des Spiels begrenzt ist. "Moderne Führungskräfte rufen nicht mehr permanent vom Seitenrand Kommandos rein. Sondern geben den Mitarbeitern Rahmen und Rolle vor, in denen sie eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten können", sagt Wild.

Über den Erhalt der mentalen Gesundheit redet der Wiesbadener mit der einstigen Schwimmerin Britta Steffen. Die trotz großer Leidenschaft für ihren Sport aufhörte, weil sie den Druck von außen als lähmend empfand. Mithilfe einer Mentaltrainerin fand sie zurück ins Becken und zu zwei Goldmedaillen bei Olympia 2008 in Peking. Anhand der Beispiele des Skispringers Sven Hannawald und der Biathletin Magdalena Neuner, die beide große Erfolge mit Burnout bezahlten, zeigt Wild die Gefahren auf, die denjenigen droht, die sich einzig über ihren Sport beziehungsweise Job definieren. Wild rät dazu, Auszeiten genauso im Kalender zu planen wie berufliche Verpflichtungen.

Erhellend sind auch beschriebene Szenen aus dem Hockey. Der einstige Bundestrainer Bernhard Peters griff für die Motivation seiner Spieler vor der Heim-WM 2006 zu diesem Mittel: Visualisierung von Zielen auf emotionale Art. Schon beim ersten Lehrgang in der Vorbereitung hing Peters ein Plakat auf mit der Aufschrift: Wer soll am 17. September 2006 jubeln? Zu sehen waren darauf jubelnde Spanier, jener Gegner, gegen den das Team kurz zuvor im EM-Halbfinale verloren hatte. Dazu traf Peters vor jenem Turnier mit jedem Spieler individuelle Vereinbarungen, was er beitragen soll für das große Ziel. Diese wurden transparent gemacht für den gesamten Kader, "was sehr förderlich war für den Respekt und das Commitment jedes einzelnen", sagt Wild. Dinge, die im Berufsleben oft zu kurz kämen, weil Teams dort nicht mit gebündelter Kraft in dieselbe Richtung marschierten. Deutschland wurde 2006 Hockey-Weltmeister. Felix Wild war da noch überzeugt, dass er eines Tages selbst Gold holen - und nicht über Erkenntnisse von Gold-Missionen schreiben - würde.

Felix Wild, Lisa Uriel-Wild

The working game.

Mehr Spaß, mehr Team, mehr Erfolg im Job. Macht's wie Spitzensportler!

Forward Verlag. Paderborn 2024. 320 Seiten. 24,90 Euro.

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