"From one of England's most renowned authors, an unforgettable new novel that provides a searing portrait of life-and, shockingly, love-in a concentration camp. Once upon a time there was a king, and the king commissioned his favorite wizard to create a magic mirror. This mirror didn't show you your reflection. It showed you your soul-it showed you who you really were. The wizard couldn't look at it without turning away. The king couldn't look at it. The courtiers couldn't look at it. A chestful of treasure was offered to anyone who could look at it for sixty seconds without turning away. And no one could. The Zone of Interest is a love story with a violently unromantic setting. Can love survive the mirror? Can we even meet each other's eye, after we have seen who we really are? In a novel powered by both wit and pathos, Martin Amis excavates the depths and contradictions of the human soul"--
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2014Unwiderstehlich und unverzeihlich
Sein deutscher und sein französischer Verlag wollen dieses Buch nicht publizieren: In New York spricht Martin Amis jetzt über seinen umstrittenen Auschwitz-Roman "The Zone of Interest".
NEW YORK, 29. Dezember
Im Juni 2011 ist der englische Schriftsteller Martin Amis von London nach Brooklyn umgezogen. Von der literarischen Bildung seiner neuen Mitbürger hat er keinen hohen Begriff gewonnen. Als er in der Buchhandlung McNally Jackson seinen Roman "The Zone of Interest" vorstellt, fragt er, wer von den Anwesenden Vladimir Nabokovs "Lolita" gelesen habe. Und wer ihm sagen könne, was am Ende mit Lolita passiere.
McNally Jackson in Soho ist eine der letzten Inseln für Bücherfreunde im Warenweltmeer von Manhattan. Glenn Kurtz, ein Autor autobiographischer Sachbücher, führt hier "Gespräche zur Praxis" mit Gästen, die Berufsgeheimnisse preisgeben sollen, die Tricks des Schreibhandwerks. Ins Biographieneck des Untergeschosses der Buchhandlung passen nicht mehr als vierzig Stühle. Das Stammpublikum ist verwundert darüber, von Amis wie eine Schulklasse angesprochen zu werden. Vorsorgliche Rückfrage: Er möchte hören, wie Lolitas Geschichte ausgeht? Ja, bitte. Sie stirbt im Kindbett. Sehr gut! Das weiß nämlich, wie Amis ausführt, nur derjenige Leser, der die entsprechende Notiz im Vorwort des fiktiven Herausgebers von Humbert Humberts Memoiren richtig entschlüsselt und nicht vergessen hat.
Doch was hat der Prüfungsstoff mit "The Zone of Interest" zu tun, dem Auschwitz-Roman, den der französische und der deutsche Hausverlag von Amis, Gallimard und Hanser, nicht publizieren möchten? Auch der Roman von Amis enthält einen gelehrten Begleittext mit Informationen zur Textgenese, die direkt an den Leser adressiert sind. Aber wo die Beglaubigung der Historizität von Humbert Humberts Aufzeichnungen im Vorwort von "Lolita" ein metafiktionales Spiel in alter Gattungstradition ist, tritt Amis in seinem Nachwort aus der Welt seiner Erfindungen heraus. Er breitet eine kommentierte Bibliographie aus, die jedenfalls in dieser Ausführlichkeit für das Genre des historischen Romans nicht typisch ist.
Den Namen von Nabokov hat Amis ins Spiel gebracht, um die Frage von Kurtz nach der Inspiration für den neuen Roman zu beantworten. Kurtz hat soeben ein Buch über die Forschungen herausgebracht, die er anstellte, nachdem er im Nachlass seines Großvaters einen dreiminütigen Farbfilm mit Bildern aus dem Leben einer überwiegend von Juden bewohnten polnischen Kleinstadt im Jahre 1938 entdeckt hatte. Das erzählende Sachbuch mit Memoirenanteil ist eine besonders populäre Untergattung der Holocaust-Literatur. Als Kurtz das Gespräch über die Praxis des quellengestützten Geschichtsromanschreibens mit der Bemerkung eröffnet, ihn interessiere, wie sich die Herangehensweise seines Gastes von seiner eigenen unterscheide, belehrt Amis ihn kühl, dass ihrer beider Projekte unterschiedlicher nicht sein könnten.
Amis beharrt auf der kategorialen Autonomie der Fiktion - obwohl er im Nachwort versichert, er habe sich gegenüber den historischen Tatsachen nur eine einzige Freiheit herausgenommen, beim Termin des "Überlaufens" von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus. Für die derart präzis bestimmte historische Richtigkeit der Erzählung bürgt als Gegenleser einer der bekanntesten NS-Experten der Welt, Richard Evans, emeritierter Königlicher Professor für neuere Geschichte in Cambridge.
Am Anfang aber stand nach dem Zeugnis des Autors ein Einfall wie bei jedem anderen Roman. Mit einem Lieblingsausdruck von Henry James nennt Amis diese Uridee, das elementare Ausgangsmaterial, "donnée". Der Verfasser von "Lolita" fand sein Gegebenes in der Zeitung: den Bericht von einem Schimpansen, der im Zeichnen unterwiesen wurde und als erstes Blatt ein Bild der Stäbe seines Käfigs ablieferte. Und ebenso wuchs "The Zone of Interest" - "Interessengebiet" war der bürokratische Begriff für das Sperrgebiet um das Lager - wie von selbst aus der Szene hervor, mit der der Roman beginnt: Ein SS-Offizier erlebt vor der Kulisse des Lagers eine Liebe auf den ersten Blick.
Doch was heißt hier ebenso? In Nabokovs Roman kommt der zeichnende Affe nicht vor. Er ist ein geheimes Emblem des Autors: Indem Humbert Humbert Lolita abrichtet, sorgt er dafür, wie Amis erläutert, dass ihr animalischer Lebensgeist verkümmert. Diese emblematische Qualität geht dem lebenden Bild ab, mit dem das Interesse des Lesers an "The Zone of Interest" geweckt werden soll. Das Lager, die Kulisse der unwahrscheinlichen Liebesgeschichte, bleibt zunächst unkenntlich, wird nicht beschrieben, sondern nur bezeichnet, erst ganz zum Schluss der Eröffnungsszene, mit der aller Welt bekannten Chiffre des Grauens in phonetischer Umschrift: "Kat Zet".
Warum drängt sich Amis der Vergleich zwischen seinem Roman und "Lolita" auf? Er stellte schon 1992 an den Anfang seines Vorworts zu einer "Lolita"-Neuausgabe die Vermutung, vielen Lesern entgehe wohl das böse Ende der Titelfigur. Lolita stirbt bei der Geburt eines toten Kindes: In dieser Nachricht zieht sich zusammen, was Humbert Humbert bewirkt. Leichen pflastern seinen Weg durch den Roman, den Amis in seinem Vorwort mit einer synthetischen Droge von bislang ungekannter Kraft vergleicht. "In common with its narrator, it is both irresistible and unforgivable." Das Buch ist wie der Kinderschänder, der es erzählt: Man kann ihm nicht widerstehen und ihm beziehungsweise es nicht verzeihen.
Ein Buch über das Töten, unwiderstehlich und unverzeihlich: Damit ist die Zone eines einzigartigen Interesses abgesteckt. In einem amerikanischen Fernsehinterview hat Amis die Einschätzung geäußert, sein jüngster Roman sei womöglich sein bester. Sein Ideal von Autorschaft ist eine Virtuosität der Verfänglichkeit. Auch in der räsonierenden Eigenwerbung kultiviert er das Spiel mit der skandalösen Grenzüberschreitung. Mit absoluter Beiläufigkeit lässt er die Bemerkung fallen, es gebe Literaturkritiker, die über dem Eingangstor von Auschwitz unter dem Schriftzug "Arbeit macht frei" ein weiteres Schild anbringen wollten: "Für Schriftsteller Betreten verboten". Als Vertreter dieser Position benennt er zwei jüdische Intellektuelle aus der Generation der Holocaustüberlebenden, Cynthia Ozick und George Steiner.
Das kritische Echo auf "The Zone of Interest" ist in den Vereinigten Staaten und Kanada wie in Großbritannien und Irland überwiegend positiv, teilweise euphorisch. Gerühmt wird, dass die für Amis charakteristische satirische Methode der grotesken Stilcollage sowohl das Unglaubliche der Lagerwirklichkeit als auch das Künstliche der literarischen Nachbildung markiere. Amis nimmt für sich in Anspruch, gemäß der alteuropäischen Ästhetik das Decorum gewahrt zu haben, das Schickliche - nur dass, wer von Auschwitz erzähle, sich von Anstandsregeln und vom guten Geschmack verabschieden müsse.
Die kritische Besprechung von Cynthia Ozick in der "New Republic" hält dem Roman zugute, dass er die These der Angemessenheit der komischen Erzählweise selbst widerlege, durch einen seiner drei Erzähler, den Häftling Szmul, dem die Rezensentin die "einzige unbesiegbar überzeugende Stimme" des Romans zuspricht. Sie bezweifelt, dass es in den Lagern einen Mann wie den verliebten Obersturmführer gegeben hat, der sich aus Ekel vom Völkermordsgeschäft abwendet und durch Sabotage den Sieg der Briten befördert. Dieser Angelus Thomsen, genannt Golo, ist der Kandidat für die Rolle Humbert Humberts, des unwiderstehlichen Verführers, dem man nichts übelnehmen kann. Im Gespräch mit Kurtz gibt Amis dem zwiespältigen Charakter eine entschieden heroisierende Deutung.
Nur der Rezensent des "Guardian" hat ein bizarres Detail der Konstitution dieser Erzählerfigur erwähnt. Amis hat ihm die Vornamen des Historikers Golo Mann gegeben, den Tauf- und den Rufnamen, und aus Manns Leben auch die Erklärung des Namens Golo übernommen: So sprach das Kind den Namen Angelus aus. Der Nachname identifiziert Angelus Thomsen als Thomas' Sohn. Was hat es mit diesem Engel auf sich? Im Roman fällt der Name Adolf Hitler nicht. Auch Golo Mann hat ihn in seiner "Deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" vermieden und durch das Kürzel "H." ersetzt. Amis kennt die Kontroversen der Historiker und hat vielleicht sogar unlängst vom Streit der Biographen Thomas Weber und Volker Ullrich Notiz genommen, da er den Frontsoldaten Hitler als "sehr tapfer" würdigt. Soll man es als Hommage verstehen, dass Amis Golo Mann in SS-Uniform nach Auschwitz schickt? Darüber wird zu diskutieren sein, wenn die deutsche Übersetzung von "The Zone of Interest" vorliegt. Wie Amis am Rande der New Yorker Veranstaltung verriet, hat er einen neuen deutschen Verlag gefunden.
PATRICK BAHNERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sein deutscher und sein französischer Verlag wollen dieses Buch nicht publizieren: In New York spricht Martin Amis jetzt über seinen umstrittenen Auschwitz-Roman "The Zone of Interest".
NEW YORK, 29. Dezember
Im Juni 2011 ist der englische Schriftsteller Martin Amis von London nach Brooklyn umgezogen. Von der literarischen Bildung seiner neuen Mitbürger hat er keinen hohen Begriff gewonnen. Als er in der Buchhandlung McNally Jackson seinen Roman "The Zone of Interest" vorstellt, fragt er, wer von den Anwesenden Vladimir Nabokovs "Lolita" gelesen habe. Und wer ihm sagen könne, was am Ende mit Lolita passiere.
McNally Jackson in Soho ist eine der letzten Inseln für Bücherfreunde im Warenweltmeer von Manhattan. Glenn Kurtz, ein Autor autobiographischer Sachbücher, führt hier "Gespräche zur Praxis" mit Gästen, die Berufsgeheimnisse preisgeben sollen, die Tricks des Schreibhandwerks. Ins Biographieneck des Untergeschosses der Buchhandlung passen nicht mehr als vierzig Stühle. Das Stammpublikum ist verwundert darüber, von Amis wie eine Schulklasse angesprochen zu werden. Vorsorgliche Rückfrage: Er möchte hören, wie Lolitas Geschichte ausgeht? Ja, bitte. Sie stirbt im Kindbett. Sehr gut! Das weiß nämlich, wie Amis ausführt, nur derjenige Leser, der die entsprechende Notiz im Vorwort des fiktiven Herausgebers von Humbert Humberts Memoiren richtig entschlüsselt und nicht vergessen hat.
Doch was hat der Prüfungsstoff mit "The Zone of Interest" zu tun, dem Auschwitz-Roman, den der französische und der deutsche Hausverlag von Amis, Gallimard und Hanser, nicht publizieren möchten? Auch der Roman von Amis enthält einen gelehrten Begleittext mit Informationen zur Textgenese, die direkt an den Leser adressiert sind. Aber wo die Beglaubigung der Historizität von Humbert Humberts Aufzeichnungen im Vorwort von "Lolita" ein metafiktionales Spiel in alter Gattungstradition ist, tritt Amis in seinem Nachwort aus der Welt seiner Erfindungen heraus. Er breitet eine kommentierte Bibliographie aus, die jedenfalls in dieser Ausführlichkeit für das Genre des historischen Romans nicht typisch ist.
Den Namen von Nabokov hat Amis ins Spiel gebracht, um die Frage von Kurtz nach der Inspiration für den neuen Roman zu beantworten. Kurtz hat soeben ein Buch über die Forschungen herausgebracht, die er anstellte, nachdem er im Nachlass seines Großvaters einen dreiminütigen Farbfilm mit Bildern aus dem Leben einer überwiegend von Juden bewohnten polnischen Kleinstadt im Jahre 1938 entdeckt hatte. Das erzählende Sachbuch mit Memoirenanteil ist eine besonders populäre Untergattung der Holocaust-Literatur. Als Kurtz das Gespräch über die Praxis des quellengestützten Geschichtsromanschreibens mit der Bemerkung eröffnet, ihn interessiere, wie sich die Herangehensweise seines Gastes von seiner eigenen unterscheide, belehrt Amis ihn kühl, dass ihrer beider Projekte unterschiedlicher nicht sein könnten.
Amis beharrt auf der kategorialen Autonomie der Fiktion - obwohl er im Nachwort versichert, er habe sich gegenüber den historischen Tatsachen nur eine einzige Freiheit herausgenommen, beim Termin des "Überlaufens" von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus. Für die derart präzis bestimmte historische Richtigkeit der Erzählung bürgt als Gegenleser einer der bekanntesten NS-Experten der Welt, Richard Evans, emeritierter Königlicher Professor für neuere Geschichte in Cambridge.
Am Anfang aber stand nach dem Zeugnis des Autors ein Einfall wie bei jedem anderen Roman. Mit einem Lieblingsausdruck von Henry James nennt Amis diese Uridee, das elementare Ausgangsmaterial, "donnée". Der Verfasser von "Lolita" fand sein Gegebenes in der Zeitung: den Bericht von einem Schimpansen, der im Zeichnen unterwiesen wurde und als erstes Blatt ein Bild der Stäbe seines Käfigs ablieferte. Und ebenso wuchs "The Zone of Interest" - "Interessengebiet" war der bürokratische Begriff für das Sperrgebiet um das Lager - wie von selbst aus der Szene hervor, mit der der Roman beginnt: Ein SS-Offizier erlebt vor der Kulisse des Lagers eine Liebe auf den ersten Blick.
Doch was heißt hier ebenso? In Nabokovs Roman kommt der zeichnende Affe nicht vor. Er ist ein geheimes Emblem des Autors: Indem Humbert Humbert Lolita abrichtet, sorgt er dafür, wie Amis erläutert, dass ihr animalischer Lebensgeist verkümmert. Diese emblematische Qualität geht dem lebenden Bild ab, mit dem das Interesse des Lesers an "The Zone of Interest" geweckt werden soll. Das Lager, die Kulisse der unwahrscheinlichen Liebesgeschichte, bleibt zunächst unkenntlich, wird nicht beschrieben, sondern nur bezeichnet, erst ganz zum Schluss der Eröffnungsszene, mit der aller Welt bekannten Chiffre des Grauens in phonetischer Umschrift: "Kat Zet".
Warum drängt sich Amis der Vergleich zwischen seinem Roman und "Lolita" auf? Er stellte schon 1992 an den Anfang seines Vorworts zu einer "Lolita"-Neuausgabe die Vermutung, vielen Lesern entgehe wohl das böse Ende der Titelfigur. Lolita stirbt bei der Geburt eines toten Kindes: In dieser Nachricht zieht sich zusammen, was Humbert Humbert bewirkt. Leichen pflastern seinen Weg durch den Roman, den Amis in seinem Vorwort mit einer synthetischen Droge von bislang ungekannter Kraft vergleicht. "In common with its narrator, it is both irresistible and unforgivable." Das Buch ist wie der Kinderschänder, der es erzählt: Man kann ihm nicht widerstehen und ihm beziehungsweise es nicht verzeihen.
Ein Buch über das Töten, unwiderstehlich und unverzeihlich: Damit ist die Zone eines einzigartigen Interesses abgesteckt. In einem amerikanischen Fernsehinterview hat Amis die Einschätzung geäußert, sein jüngster Roman sei womöglich sein bester. Sein Ideal von Autorschaft ist eine Virtuosität der Verfänglichkeit. Auch in der räsonierenden Eigenwerbung kultiviert er das Spiel mit der skandalösen Grenzüberschreitung. Mit absoluter Beiläufigkeit lässt er die Bemerkung fallen, es gebe Literaturkritiker, die über dem Eingangstor von Auschwitz unter dem Schriftzug "Arbeit macht frei" ein weiteres Schild anbringen wollten: "Für Schriftsteller Betreten verboten". Als Vertreter dieser Position benennt er zwei jüdische Intellektuelle aus der Generation der Holocaustüberlebenden, Cynthia Ozick und George Steiner.
Das kritische Echo auf "The Zone of Interest" ist in den Vereinigten Staaten und Kanada wie in Großbritannien und Irland überwiegend positiv, teilweise euphorisch. Gerühmt wird, dass die für Amis charakteristische satirische Methode der grotesken Stilcollage sowohl das Unglaubliche der Lagerwirklichkeit als auch das Künstliche der literarischen Nachbildung markiere. Amis nimmt für sich in Anspruch, gemäß der alteuropäischen Ästhetik das Decorum gewahrt zu haben, das Schickliche - nur dass, wer von Auschwitz erzähle, sich von Anstandsregeln und vom guten Geschmack verabschieden müsse.
Die kritische Besprechung von Cynthia Ozick in der "New Republic" hält dem Roman zugute, dass er die These der Angemessenheit der komischen Erzählweise selbst widerlege, durch einen seiner drei Erzähler, den Häftling Szmul, dem die Rezensentin die "einzige unbesiegbar überzeugende Stimme" des Romans zuspricht. Sie bezweifelt, dass es in den Lagern einen Mann wie den verliebten Obersturmführer gegeben hat, der sich aus Ekel vom Völkermordsgeschäft abwendet und durch Sabotage den Sieg der Briten befördert. Dieser Angelus Thomsen, genannt Golo, ist der Kandidat für die Rolle Humbert Humberts, des unwiderstehlichen Verführers, dem man nichts übelnehmen kann. Im Gespräch mit Kurtz gibt Amis dem zwiespältigen Charakter eine entschieden heroisierende Deutung.
Nur der Rezensent des "Guardian" hat ein bizarres Detail der Konstitution dieser Erzählerfigur erwähnt. Amis hat ihm die Vornamen des Historikers Golo Mann gegeben, den Tauf- und den Rufnamen, und aus Manns Leben auch die Erklärung des Namens Golo übernommen: So sprach das Kind den Namen Angelus aus. Der Nachname identifiziert Angelus Thomsen als Thomas' Sohn. Was hat es mit diesem Engel auf sich? Im Roman fällt der Name Adolf Hitler nicht. Auch Golo Mann hat ihn in seiner "Deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" vermieden und durch das Kürzel "H." ersetzt. Amis kennt die Kontroversen der Historiker und hat vielleicht sogar unlängst vom Streit der Biographen Thomas Weber und Volker Ullrich Notiz genommen, da er den Frontsoldaten Hitler als "sehr tapfer" würdigt. Soll man es als Hommage verstehen, dass Amis Golo Mann in SS-Uniform nach Auschwitz schickt? Darüber wird zu diskutieren sein, wenn die deutsche Übersetzung von "The Zone of Interest" vorliegt. Wie Amis am Rande der New Yorker Veranstaltung verriet, hat er einen neuen deutschen Verlag gefunden.
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Auschwitz was, in the most essential sense, "unspeakable". It's thus something only creative writing can speak about. If you're Amis, that is.... The most daring novelist of our time. John Sutherland The Times