Auch durch die Kritik bleibt Theater lebendig; sie ist die Antwort der Zeit, die sich die Szenerie zu eigen macht, sie ablehnt, umdeutet, auf jeden Fall sich subjektiv mit ihr verbündet. Die Weimarer Republik zwischen 1917 und 1933 lebte ebenso von ihren Stückeschreibern, Schauspielern, Regisseuren wie von ihren Rezensenten; von Schickele, Hauptmann, Unruh, Kaiser, Sternheim, Max Reinhardt, Jeßner wie von Monty Jacobs, Alfred Kerr und Ihering. Brecht wäre kaum zu denken ohne die Kontrahenten im Feuilleton. Aus dieser Reibung, aus Spruch und Widerspruch, ergibt sich das Bild einer Epoche, in der das Theater nicht selten in die Politik eingriff. Günther Rühle hat mit Sachkunde die Rezensionen gesammelt. Sie beginnen - auch das ist eine Spanne - mit René Schickeles 'Hans im Schnakenloch' und enden mit dem 'Schlageter' von Hanns Johst. In seinem Einleitungsessay deckt Rühle die Elemente, Triebkräfte und Motive des 'Theaters für die Republik' und die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge auf. Dieses Panorama lebt aus dem Für und Wider, aus Aktion und Reaktion, bis ein Theater gegen die Republik die Bühne besetzt. Der kritische Zuschauer spiegelt wider, was er auf der Bühne sieht und im Parterre erfährt.