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Fontane war sechzig Jahre alt und bereits der "alte Fontane", als er an sein eigentliches Lebenswerk ging: den Zyklus der großen Romane von "Vor dem Sturm" bis zum "Stechlin". Mit diesen Büchern wurde er, wie Heinrich Mann gesagt hat, zum "Begründer des modernen Romans in Deutschland". Fontanes Spätwerk ist eine Chronik der Bismarck-Epoche mit einem scharf umrissenen Bild der Zeit, von Hof, Adel, Militär, Geistlichkeit und vom Bürgertum in all seinen Spielarten. Im Plauderton dieser Bücher klingt jedoch, nach einem Wort von Thomas Mann, auch eine "Lebensmusik" auf. Dieser polaren Spannung…mehr

Produktbeschreibung
Fontane war sechzig Jahre alt und bereits der "alte Fontane", als er an sein eigentliches Lebenswerk ging: den Zyklus der großen Romane von "Vor dem Sturm" bis zum "Stechlin". Mit diesen Büchern wurde er, wie Heinrich Mann gesagt hat, zum "Begründer des modernen Romans in Deutschland". Fontanes Spätwerk ist eine Chronik der Bismarck-Epoche mit einem scharf umrissenen Bild der Zeit, von Hof, Adel, Militär, Geistlichkeit und vom Bürgertum in all seinen Spielarten. Im Plauderton dieser Bücher klingt jedoch, nach einem Wort von Thomas Mann, auch eine "Lebensmusik" auf. Dieser polaren Spannung zwischen Bürgerlichkeit und Lebensmusik spürt Hanjo Kesting bei seinem Streifzug durch Fontanes Spätwerk nach. Anknüpfend an die literarische und ästhetische Tradition der Aufklärung erscheinen seit 1990 im Wallstein Verlag die "Göttinger Sudelblätter". Herausgeber dieser Buchreihe in Heftform ist der Literaturkritiker und Schriftsteller Heinz Ludwig Arnold, der 1999 mit dem Niedersachsenpreis ausgezeichnet wurde. Die Reihe ist zeitgenössischer Prosa und kritischer Essayistik vorbehalten und erscheint in lockerer Folge von ca. drei Heften im Jahr.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.1998

Pläsierlich war er nicht
Studienbuch, Sudelbuch: Hugo Austs und Hanjo Kestings Fontane

Die Heine-Feste sind verrauscht, die Winterabende mit Brecht sind Schnee von gestern, die Fontane-Zeit ist angebrochen. Nicht Kränze, sondern Bücher-Girlanden werden ihm zum hundertsten Todestag im September geflochten. Zwei Bände fallen auf, die ein Gegensatz- und zugleich Komplementärpaar bilden.

Hugo Aust legt ein "Studienbuch" zu Fontane vor. Mehrfach hat sich der Autor als Kenner Fontanes und der Literatur des Realismus ausgewiesen. Wer über den neuesten Forschungsstand zum "Realismus", über seine "Finessen" und die Abgegriffenheit des Begriffs unterrichtet sein will, wer sich verläßliche Bibliographien wünscht und einen Pfad durchs Dickicht der Sekundärliteratur, der kann sich getrost der Führung Austs anvertrauen.

Der Strom von Studenten, der in diesem Jahr durch die Fontane-Seminare geschleust wird, und auch die wißbegierige Fontane-Leserschaft finden hier einen vielseitigen Service. Eine Chronik der Lektüre Fontanes zwischen 1829 und 1895, Tabellen zu den Stoffen und deren Vorlagen, zum Aufbau und zu den Motiven sorgen für raschen Durchblick; mitbedacht sind "literaturpädagogische" Fragen.

Getragen wird die Konstruktion durch eine Säulenreihe von Kurzinterpretationen und Kommentaren zu den Erzählungen und Romanen. Von der Entstehung der Werke über die Formen der Erzählkunst Fontanes bis zu den Honorarzahlungen erfährt der Leser alles Nennenswerte. Die Darstellung bleibt dem praktischen Zweck des Studienbuchs untergeordnet, der Hohen Schule der Sprachkunst ist sie nicht verpflichtet.

Kommentare zu einigen Balladen schließen sich an, die knappe Auswahl orientiert sich am Lehrplan der Schulen. Diese Beschränkung ist bedauerlich. Denn so drängt sich die grelle Dramatik vor, während die wunderbaren lyrischen Zwischentöne des späten Fontane weggeblendet werden: die milde Klage über erfahrenen Undank ebenso wie die Huldigung an die Lebenskunst der Entsagung.

Wer sich auf Lichtenbergs Sudelbücher und -blätter bezieht, muß wissen, daß solch geistiger Adel verpflichtet: Einige Hefte in Heinz Ludwig Arnolds Reihe "Göttinger Sudelblätter" kommen dieser Verpflichtung nach. Den aphoristischen Witz Lichtenbergs wollte Fontane zwar mit seiner erzählerischen Ironie nicht beerben, doch gehörte ein Fontane-Heft in die Reihe. Geschrieben hat es Hanjo Kesting, der Essayist und Rundfunkmann.

Von der "zerlesten Lebensmusik" in Fontanes "Stechlin" spricht Thomas Mann. Diesem Tonfall versucht Kesting in Fontanes Romanen überhaupt nachzuhorchen. Zurückgewiesen wird Gottfried Benns Vorwurf des "Pläsierlichen"; vom bloß Gefälligen müsse das Anmutige und Charmante unterschieden werden. Benns Vorhersage, Fontanes Romane würden bald nur noch aus historischen Gründen gelesen werden, ist durch die Fontane-Renaissance der Nachkriegszeit gründlich widerlegt. Kesting zitiert Uwe Johnsons "Jahrestage": "Bei ihm (in ,Schach von Wuthenow') hatten wir das Deutsche lesen gelernt."

Fontanes Profil wird durch den Vergleich mit Wilhelm Raabe genauer bestimmt: weniger beschaulich und versponnen, großstädtisch-urban statt kleinstädtisch-provinziell, weltläufig-nüchtern statt sonderlingshaft und kauzig. Aber zu einer jubiläumsüblichen Apotheose setzt Kesting nicht an. Weder wird Fontane die Unerbittlichkeit Flauberts noch die Objektivität Tolstojs bescheinigt. Aber gerade indem Kesting den europäischen Kontext immer gegenwärtig hält, klärt er den besonderen Rang des Erzählers Fontane inmitten der zeitgenössischen deutschen Romanautoren.

Gewinnbringend wird die Lektüre des schmalen Bandes vor allem durch seine essayistische Dichte. Die Romananalysen bleiben immer im Anschaulichen verankert. Sie schleppen keinen Ballast von Angelesenem mit sich. Kesting verweist, um den Nutzen der England-Reisen für Fontanes eigene Romanentwürfe zu erläutern, auf das Gefälle zwischen Charles Dickens' Roman "Hard Times" (1854), der Darstellung industrieller Arbeitswelt, und Adalbert Stifters gleichzeitig vollendetem "Nachsommer", dessen Schauplatz "in einer anderen Welt zu liegen" scheint. Er hat seine Vorlieben: für die historische Novelle "Schach von Wuthenow", für den Roman "Irrungen, Wirrungen" - trotz Fontanes eigenem Wort von der "angekränkelten Sentimentalwelt" des Buches -, für "Jenny Treibel", den Roman des Bürgertums und Fontanes "schärfstes Buch", und natürlich für den "Stechlin", den Roman mit der adligen Kunstfigur "fast im Sinne eines Autoporträts".

Dieser Essay kann und will weder mit einem enzyklopädischen Studienbuch noch mit neueren Fontane-Biographien konkurrieren. Aber er ist, aller akademischen Gespreiztheit abhold, eine vorzügliche Einführung in Fontanes erzählerisches Werk und mit seiner eleganten Sprache geeignet, dem großen Erzähler des neunzehnten Jahrhunderts neue Freunde zu gewinnen. Den alten Freunden macht er "ihren" Fontane noch vertrauter. WALTER HINCK

Hugo Aust: "Theodor Fontane". Ein Studienbuch. A. Francke Verlag, Tübingen und Basel 1998. 250 S., br., 29,80 DM.

Hanjo Kesting: "Theodor Fontane. Bürgerlichkeit und Lebensmusik". Wallstein Verlag, Göttingen 1998. 64 S., br., 24,- DM.

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'Gewinnbringend wird die Lektüre des schmalen Bandes vor allem durch seine essayistische Dichte. (.) Dieser Essay kann und will weder mit einem enzykopädischen Studienbuch noch mit neueren Fontane-Biographien konkurrieren. Aber er ist, aller akademischen Gespreiztheit abhold, eine vorzügliche Einführung in Fontanes Werk und mit seiner eleganten Sprache geeignet, dem großen Erzähler des neunzehnten Jahrhunderts neue Freunde zu gewinnen.'(Walter Hinck, Frankfurter Allgemeine Zeitung)'(.) und Kesting hat Recht, wenn er konsequent darauf verzichtet, uns zu Zeitgenossen des Autors degradieren zu wollen. Vielmehr nimmt er unser Vorauswissen, das Ineinander von Abstand und Nähe in Anspruch, um uns Fontane gemäß seinem europäischen Rang lesen zu lehren - ein geglücktes Unterfangen.'(Alexander von Bormann)'Hanjo Kestings Fontane-Büchlein ist keine dröge wissenschaftliche Abhandlung, es ist ein ungewohnt anregender literarischer und literaturwissenschaftlicher Spaziergang auf den Spuren eines der ganz Großen der deutschen Literatur. Es ist ein geruhsamer Spaziergang, gewissermaßen Schritt vor Schritt, ein bißchen gemächlich im angenehmen Schlendergang und wunderschön - so beneidenswert schön wie die Sprache Hanjo Kestings, die die Lektüre dieses Buches zu Ehren Theodor Fontanes zu einem wirklichen Genuß macht.'(Ernst-Jürgen Walberg, NDR 1)