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Der immense Einfluß, den das Denken Theodor W. Adornos (1903-1969) auf die bundesrepublikanische wie internationale Philosophie ausübte, gründet sich vor allem auf seine gemeinsam mit Max Horkheimer im Exil verfaßte Dialektik der Aufklärung. In diesem Buch zeigen die beiden führenden Vertreter der Kritischen Theorie, wie das Projekt, den Menschen aus der Befangenheit im Mythos zu befreien, in die "Selbstzerstörung der Aufklärung" mündete. Gerhard Schweppenhäuser zeigt, beginnend mit Thomas Manns Doktor Faustus, der stark von Adorno beeinflußt war, bis zu Adornos Auseinandersetzung mit der…mehr

Produktbeschreibung
Der immense Einfluß, den das Denken Theodor W. Adornos (1903-1969) auf die bundesrepublikanische wie internationale Philosophie ausübte, gründet sich vor allem auf seine gemeinsam mit Max Horkheimer im Exil verfaßte Dialektik der Aufklärung. In diesem Buch zeigen die beiden führenden Vertreter der Kritischen Theorie, wie das Projekt, den Menschen aus der Befangenheit im Mythos zu befreien, in die "Selbstzerstörung der Aufklärung" mündete. Gerhard Schweppenhäuser zeigt, beginnend mit Thomas Manns Doktor Faustus, der stark von Adorno beeinflußt war, bis zu Adornos Auseinandersetzung mit der "Kulturindustrie", die Fäden auf, die die verschiedenen Arbeitsfelder des Philosophen, Soziologen, Kritikers und Komponisten verbinden.

Rezension:
"Elisabeth Lenk hat einmal gemahnt, dass Adorno nur in seinen Texten zu haben ist: wer das nicht so sehe, solle am besten gleich auf den Fotoband zur Frankfurter Schule zurückgreifen. Mit der neuen Junius-Einführung zu Adorno dürfte die Ausnahme vorliegen, die diese Regel bestätigt. Denn im Gegensatz zum Vorgänger gibt sie nicht vor, klüger zu sein als der Autor, verharrt aber ebenso wenig in stiller Andacht. (...)
Zu Gute kommt dem Band seine antithetische Stellung der Kapitel: Der 'Selbstkritik der Vernunft' folgt die 'Rettung des Hoffnungslosen': den Ausführungen über die 'total vergesellschaftete Gesellschaft' wird schlicht das 'Ziel der emanzipieretn Gesellschaft' gegenübergestellt; der 'ohnmächtigen Utopie des Schönen' widerspricht das 'Misslingen der Kultur'. Dies bietet dem Leser keinen Ruhepunkt; aus Adornos Werk zieht diese Einführung keine überzeitlichen Wahrheiten ab, sondern stößt den Leser freundlich auf das, was sich vielleicht wirklich als einziges Postulat adornoscher Sozialphilosophie angeben ließe: Selbst zu denken - und dann zu handeln, denn kritische Theorie 'zielt (...) auf den Übergang aus Theorie in Praxis, die das Denken aus sich selbst heraus nicht hervorbringen kann.'.
Soweit sich Schweppenhäuser auf die in der Diskussion um Adorno immer wieder gern gestellten Fragen ('Marxist oder nicht?', 'Abstrakte oder bestimmte Negation?', 'Praxisverweigerung oder Kritik der Scheinpraxis?' usw.) einlässt, geschieht dies erfreulich unaufgeregt. Nach einem kurzen Einstieg mit dem Lob der Kritik und ihres Zusammenhangs mit der Krise zeigt er, wie Adorno den Begriff der bestimmten Negation aus der hegelschen Tradition aufnimmt und aus seiner idealistischen Verklammerung löst. Zudem erläutert Schweppenhäuser hier, warum sich aus Adorno - entgegen freundlicher Vereinnahmungen seiner 'irrationalistischen Liebhaber' - kein Vorläufer der Postmoderne machen lässt.
Die Diskussion um die 'Liquidation des Subjekts' wird auf den gegenwärtigen Stand gebracht, und es wird deutlich, dass ihr nicht einfach mit praxisphilosophischer Auflösung beizukommen ist. Der Abschnitt über die Kritik an der Kulturindustrie verharrt nicht in langweiligem Abwägen von Adornos Urteil über den Jazz, sondern Schweppenhäuser benennt kurz Stärken und Schwächen, um dann mit erhellenden Querbezügen zu Adornos sozialpsychologischen Arbeiten zu argumentieren, dass es in der Kulturindustriekritik um 'anderes als um eine Verdammung vermeintlich minderwertiger Produkte der Massenkultur' geht. Dass Tauschwert virtuell Gebrauchswert ersetzt, heißt nicht, dass mit den Produkten der Kulturindustrie nichts mehr anzufangen ist. Aber mit dem 'Spannungsverlust' zwischen 'Autonomie und Warencharakter', der 'zugunsten des letzteren' aufgelöst wird, wird jegliches Widerstandspotenzial verschenkt. Gerade die Domestikation allen simplen Amüsements in der Kulturindustrie ist Ausdruck eines Systems, das sich um Bedürfnisse nicht schert. Wenn es stimmt, dass das Profitmotiv immer blanker hervortritt, dann ist Schweppenhäusers Kommentar von Bedeutung: 'Der 'Ton ironischer Duldsamkeit' (Adorno), den viele Intellektuelle (...) anschlagen, um ihren Frieden mit dem 'anything goes' der 'neuen Medien' zu machen, ist dem Gegenstand nicht angemessen.'
Schweppenhäsuer konzentriert sich nicht auf ein vermeintliches Hauptwerk oder ein wie auch immer geartetes Lieblingsphilosophem; er zitiert munter aus den Schriften, Briefen und Vorlesungen und spart nicht mit aktuellen Bezügen. Glaubt man dem Wort des Soziologie-Professors Heinz Steinert, der vor einigen Jahren auf einer Vortragsreise darüber staunte, 'wie wenig Adorno in weiten Teilen der Soziologie auch nur überhaupt bekannt ist' (was sehr schön die Ankündigung des verlages konterkariert, es gehe hier um einen Denker, der 'immensen Einfluss' auf die akademische Welt ausübte), so dürfte Schweppenhäusers Einführung auch für akademische Kreise durchaus keine Fehlinvestition darstellen. (Das Argument)
Autorenporträt
Gerhard Schweppenhäuser, geb. 1960 in Frankfurt/M., wissenschaftlicher Assistent im Bereich Ästhetik an der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar und Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität/GH Kassel. Veröffentlichungen (u.a.): Nietzsches Überwindung der Moral (1988); Emanzipationstheorie und Ideologiekritik (1990); Ethik nach Auschwitz. Adornos negative Moralphilosophie (1993).