Fünfundneunzig Jahre nach der Veröffentlichung der 1. Auflage von Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" präsentiert der Verlag in einem Nachdruck die "Urauflage" mit einer Einführung der Marburger Ökonomen Jochen Röpke und Olaf Stiller. Der Leser kommt so in den Genuß, die ungekürzte, 548 Seiten umfassende erste Auflage des frühen Schumpeterwerkes studieren zu können. Damit wird eine gänzlich neue Sicht dieses volkswirtschaftlichen Klassikers ermöglicht. Hatten Ökonomen bereits mit späteren, theoretisch "entschärften" Auflagen Schwierigkeiten, müssen sie sich auf Überlegungen einstellen, die in ihrer Radikalität und Weitsicht von keinem Ökonomen der Entwicklungs- und Evolutionsökonomik bis heute erreicht wurden - würden sie Schumpeter 1911 lesen (können).
Insbesondere das zweite Kapitel, "Das Grundphänomen der wirtschaftlichen Entwicklung", und das unbekannte siebente Kapitel, "Das Gesamtbild der Volkswirtschaft", der ersten Auflage bedeuten einen enormen Mehrwert für die heutige wissenschaftliche Diskussion und bieten handlungspraktische Orientierung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Gerade Schumpeters Ruf nach einer neuen wissenschaftlichen Methode bzw. einem neuen theoretischen Ast für das Phänomen der Entwicklung ist für die moderne Ökonomie und die politische Steuerung von komplexen Innovationssystemen von zentraler Bedeutung. Die klare, in sich konsistente Entwicklungstheorie mit einem neuen Paradigma jenseits der "Neoklassik" und der "reinen Ökonomie" gibt Antworten auf Entwicklungs- und Wachstumsvorgänge in Volkswirtschaften, sei es für das Zeitalter der Automobile, des Internets und der Nano- und Biotechnologie.
Die Neuauflage gewährt daher nicht nur dem Fachmann neue Einsichten in das frühe Denken eines Theoriegenies, sondern jedem am Fortschritt der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitk Interessierten junggebliebene Erkenntnisse und frische Argumente jenseits der Tagespolitik und der Medienroutine.
Wilhelm Lexis sieht in Schumpeters Erstlingswerken einen Ansatzpunkt zur Erklärung des gesamten Wirtschaftslebens: "Der Verfasser hat in seinem 1908 erschienenen Buche 'Das Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie' eine abstrakte Theorie der reinen Oekonomie in dem von ihm angenommenen 'statischen' Zustande aufgestellt und er will diese in dem vorliegenden Werke durch eine Darstellung der volkswirtschaftlichen Dynamik ergänzen und dadurch von seinem Standpunkt die volle wissenschaftliche Erklärung des Wirtschaftlebens seiner heutigen Gestalt gewinnen." (Lexis, W.: J. A. S.: Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, in: Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik, Nr. 3, 1913, S. 84)
Insbesondere das zweite Kapitel, "Das Grundphänomen der wirtschaftlichen Entwicklung", und das unbekannte siebente Kapitel, "Das Gesamtbild der Volkswirtschaft", der ersten Auflage bedeuten einen enormen Mehrwert für die heutige wissenschaftliche Diskussion und bieten handlungspraktische Orientierung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Gerade Schumpeters Ruf nach einer neuen wissenschaftlichen Methode bzw. einem neuen theoretischen Ast für das Phänomen der Entwicklung ist für die moderne Ökonomie und die politische Steuerung von komplexen Innovationssystemen von zentraler Bedeutung. Die klare, in sich konsistente Entwicklungstheorie mit einem neuen Paradigma jenseits der "Neoklassik" und der "reinen Ökonomie" gibt Antworten auf Entwicklungs- und Wachstumsvorgänge in Volkswirtschaften, sei es für das Zeitalter der Automobile, des Internets und der Nano- und Biotechnologie.
Die Neuauflage gewährt daher nicht nur dem Fachmann neue Einsichten in das frühe Denken eines Theoriegenies, sondern jedem am Fortschritt der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitk Interessierten junggebliebene Erkenntnisse und frische Argumente jenseits der Tagespolitik und der Medienroutine.
Wilhelm Lexis sieht in Schumpeters Erstlingswerken einen Ansatzpunkt zur Erklärung des gesamten Wirtschaftslebens: "Der Verfasser hat in seinem 1908 erschienenen Buche 'Das Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie' eine abstrakte Theorie der reinen Oekonomie in dem von ihm angenommenen 'statischen' Zustande aufgestellt und er will diese in dem vorliegenden Werke durch eine Darstellung der volkswirtschaftlichen Dynamik ergänzen und dadurch von seinem Standpunkt die volle wissenschaftliche Erklärung des Wirtschaftlebens seiner heutigen Gestalt gewinnen." (Lexis, W.: J. A. S.: Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, in: Jahrbücher für Nationalökonomik und Statistik, Nr. 3, 1913, S. 84)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2006Schumpeter unverwässert
Einer der großen Klassiker der ökonomischen Literatur, Joseph Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", ist den Lesern meist nur in der zweiten Auflage von 1926 oder späteren Editionen bekannt. Die Erstauflage von 1912 war lange nicht verfügbar. Das war schade: Die späteren Auflagen haben wenig ergänzt, aber dafür viel davon ausgelassen, was in der bahnbrechenden Erstauflage stand. Die Marburger Ökonomen Jochen Röpke und Olaf Stiller haben jetzt diesem Mißstand abgeholfen und einen Nachdruck der Erstauflage samt sachkundiger Einleitung herausgegeben. Sie weisen dabei auf die Aktualität des Schumpeterschen Ansatzes für jede Erklärung wirtschaftlicher Entwicklungsdynamik hin. Die neoklassischen Modelle der Ökonomie sind aus dieser Sicht allenfalls einer statischen, entwicklungsarmen Gesellschaft angemessen. Ihr Gleichgewichtsgedanke werde durch echte Dynamik stets zerstört, ohne je wiederhergestellt zu werden. Daß der Unternehmer als treibende Kraft der Entwicklung nicht der Nachfrage folge, sondern diese selbst schaffe oder gar erzwinge, ist eine von vielen Thesen, die das neuerliche Lesen von Schumpeters "Theorie" - in unverwässerter Form - zu einer überaus spannenden Angelegenheit werden lassen.
DETMAR DOERING.
Joseph Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Nachdruck der 1. Auflage von 1912. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006, 548 Seiten, 38 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einer der großen Klassiker der ökonomischen Literatur, Joseph Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", ist den Lesern meist nur in der zweiten Auflage von 1926 oder späteren Editionen bekannt. Die Erstauflage von 1912 war lange nicht verfügbar. Das war schade: Die späteren Auflagen haben wenig ergänzt, aber dafür viel davon ausgelassen, was in der bahnbrechenden Erstauflage stand. Die Marburger Ökonomen Jochen Röpke und Olaf Stiller haben jetzt diesem Mißstand abgeholfen und einen Nachdruck der Erstauflage samt sachkundiger Einleitung herausgegeben. Sie weisen dabei auf die Aktualität des Schumpeterschen Ansatzes für jede Erklärung wirtschaftlicher Entwicklungsdynamik hin. Die neoklassischen Modelle der Ökonomie sind aus dieser Sicht allenfalls einer statischen, entwicklungsarmen Gesellschaft angemessen. Ihr Gleichgewichtsgedanke werde durch echte Dynamik stets zerstört, ohne je wiederhergestellt zu werden. Daß der Unternehmer als treibende Kraft der Entwicklung nicht der Nachfrage folge, sondern diese selbst schaffe oder gar erzwinge, ist eine von vielen Thesen, die das neuerliche Lesen von Schumpeters "Theorie" - in unverwässerter Form - zu einer überaus spannenden Angelegenheit werden lassen.
DETMAR DOERING.
Joseph Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Nachdruck der 1. Auflage von 1912. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006, 548 Seiten, 38 Euro.
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