Diese Einführung beschreibt diejenigen Eigenschaften eines sich rasant entwickelnden Kommunikationsmediums, die nicht sofort wieder veralten; sie zeichnet die dauerhaften Züge dieses schon seit über vierzig Jahren bestehenden Netzwerks nach: Denn nur aus der Geschichte des Internet lassen sich wesentliche Merkmale seiner aktuellen Verfasstheit verstehen, u.a. die Schwierigkeiten, es zu kontrollieren oder Geld damit zu verdienen. Eine "Ökonomie des Internet" beschreibt das Phantasma einer Umsonst-Wirtschaft, eine "Technik des Netzes" skizziert die Funktionsweise dieses Artefakts, eine "Wissenschaft vom Netz" liefert präzise Begriffe von Komplexität, Wachstum und Störanfälligkeit. Und eine "Kultur des Netzes" will verstehen, welche Formen menschlicher Tätigkeit das Erscheinungsbild des Internet heute prägen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2011Ins Unabsehbare
Einen Omnivor, einen Allesverschlinger, hat der Literaturkritiker Lothar Müller den modernen Roman einmal genannt, und er hätte damit auch das Internet meinen können, das zum Roman den Unterschied hat, die Dinge, die es in seinen weiten Magen aufnimmt, auch unverdaut und unverstanden, zumindest unvermittelt nebeneinander stehen lassen zu können. Die Grundstruktur des Mediums legt wenig fest. Vieles kann sich an sie anlagern, ohne direkt aus ihr abgeleitet werden zu können. Wenn es in der rasenden Entwicklung dieses Mediums eine Konstante gibt, dann ist es ihre Unvorhersehbarkeit. Mit dem Arpanet, seinem von Wissenschaftlern für militärische Zwecke geschaffenen Vorläufer, hat das Internet heute nur noch wenig zu tun, und es fragt sich immer mehr, ob man mit dieser Struktur eine geeignete Grundlage für Gegenwart und Zukunft des Netzes geschaffen hat. Die Abzweigung vom Ursprungssinn begann schon mit den Mails, die Wissenschaftler einander zuschickten, und denen immer weitere, im ursprünglichen Plan nicht vorgesehene Dienste folgten. Trotzdem hat das Internet diese Anpassungsfähigkeit seinem militärischen Ursprung zu verdanken. Sein Archetyp sollte unter Kriegsbedingungen funktionieren, deshalb war Unverwundbarkeit das Ziel und eine dezentrale, netzwerkartige Struktur, die es bis heute behalten hat, die Lösung. Der Einführungsband von Martin Warnke öffnet einen guten technikgeschichtlichen Zugang zu diesem wild wuchernden Medium. Was der Junius Verlag unter dem Titel "Theorien des Internet" verbucht, steht aber merklich erst am Anfang einer Theorie. (Martin Warnke: "Theorien des Internet zur Einführung". Junius Verlag, Hamburg 2011. 192 S., br., 13,90 [Euro].) thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einen Omnivor, einen Allesverschlinger, hat der Literaturkritiker Lothar Müller den modernen Roman einmal genannt, und er hätte damit auch das Internet meinen können, das zum Roman den Unterschied hat, die Dinge, die es in seinen weiten Magen aufnimmt, auch unverdaut und unverstanden, zumindest unvermittelt nebeneinander stehen lassen zu können. Die Grundstruktur des Mediums legt wenig fest. Vieles kann sich an sie anlagern, ohne direkt aus ihr abgeleitet werden zu können. Wenn es in der rasenden Entwicklung dieses Mediums eine Konstante gibt, dann ist es ihre Unvorhersehbarkeit. Mit dem Arpanet, seinem von Wissenschaftlern für militärische Zwecke geschaffenen Vorläufer, hat das Internet heute nur noch wenig zu tun, und es fragt sich immer mehr, ob man mit dieser Struktur eine geeignete Grundlage für Gegenwart und Zukunft des Netzes geschaffen hat. Die Abzweigung vom Ursprungssinn begann schon mit den Mails, die Wissenschaftler einander zuschickten, und denen immer weitere, im ursprünglichen Plan nicht vorgesehene Dienste folgten. Trotzdem hat das Internet diese Anpassungsfähigkeit seinem militärischen Ursprung zu verdanken. Sein Archetyp sollte unter Kriegsbedingungen funktionieren, deshalb war Unverwundbarkeit das Ziel und eine dezentrale, netzwerkartige Struktur, die es bis heute behalten hat, die Lösung. Der Einführungsband von Martin Warnke öffnet einen guten technikgeschichtlichen Zugang zu diesem wild wuchernden Medium. Was der Junius Verlag unter dem Titel "Theorien des Internet" verbucht, steht aber merklich erst am Anfang einer Theorie. (Martin Warnke: "Theorien des Internet zur Einführung". Junius Verlag, Hamburg 2011. 192 S., br., 13,90 [Euro].) thom
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