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On the evening of September 4th 2005, Robert Farquharson, a separated husband, was driving his three sons home to their mother, Cindy, when his car left the road and plunged into a dam. The boys, aged ten, seven and two, all drowned. Was this an act of revenge or a tragic accident? In a tale reminiscent of In Cold Blood (1966), Helen Garner decided to reveal every aspect of this complicated and highly emotional case.In this utterly compelling book, Helen Garner tells the story of a man with a broken life and bears witness to an often uncomfortable truth.

Produktbeschreibung
On the evening of September 4th 2005, Robert Farquharson, a separated husband, was driving his three sons home to their mother, Cindy, when his car left the road and plunged into a dam. The boys, aged ten, seven and two, all drowned. Was this an act of revenge or a tragic accident? In a tale reminiscent of In Cold Blood (1966), Helen Garner decided to reveal every aspect of this complicated and highly emotional case.In this utterly compelling book, Helen Garner tells the story of a man with a broken life and bears witness to an often uncomfortable truth.
Autorenporträt
Helen Garner, geb. 1942 im australischen Geelong. Zu ihrem preisgekrönten Werk zählen Romane und Kurzgeschichten sowie Sachbücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2015

Herr, bitte lass das einen Unfall gewesen sein

Mitunter wollen wir nicht, dass es für eine Tat Motive gab: Helen Garners ergreifende Reportage über einen Mordprozess in Australien.

Es war einmal ein hart arbeitender Bursche in einer kleinen südaustralischen Stadt, der dort mit seiner Frau und seinen drei Jungs lebte. Eines Tages erklärte sie ihm, dass sie ihn nicht mehr liebe. Er solle ausziehen, die Kinder sollten bei ihr bleiben, er könne die Söhne sehen, wann immer er wolle, und dann habe sie noch eine Bitte: den neueren ihrer beiden Wagen behalten zu dürfen. Kurz darauf zog bei ihr der Betonbauer ein, der ihnen gerade den Gehweg gemacht hatte. Wochen später sah der Ehemann seinen Nachfolger in dem Auto herumfahren, für das er sich einst krummlegen musste.

So beginnt Helen Garners Reportage über einen der aufsehenerregendsten australischen Prozesse der vergangenen Jahrzehnte. Sie selbst sagt: Wie ein etwas kitschiger Country-Ballade von enttäuschter Liebe und darüber, wie die ehrliche Haut den Kürzeren zieht.

Nicht einmal ein Jahr nach der Scheidung, am Vatertag 2005, war Robert Farquharson, so hieß der Mann aus Winchelsea im Bundesstaat Victoria, mit seinen Söhnen Jai (10), Tyler (7) und Bailey (2) auf dem Weg von einem Ausflug zurück zu ihrer Mutter, verlor dabei die Kontrolle über sein Fahrzeug und fuhr es in einen Landkanal, in dem es versank. Er konnte sich aus dem Wagen befreien, alle drei Kinder ertranken.

Helen Garner hat das zunächst sechswöchige Verfahren - es ging später in Revision - minutiös verfolgt. Farquharson nämlich wurde wegen Mordes angeklagt. Die Frage, wie man überhaupt auf einen solchen Verdacht kommen konnte, ist das Leitmotiv des Buches. Das Ungeheuerliche an dieser Tat wäre, so es denn eine war, ihr Motiv. Denn für die meisten Beobachter dieses Prozesses, der vom Herbst 2007 an in Melbourne stattfand, stand in seinem Zentrum die Frage, ob man sich vorstellen kann, dass ein völlig unscheinbarer, wenig antriebsstarker Mann einen derart ungebändigten Hass zu entwickeln vermag, der ihn dazu bewegt, seine Kinder allein deshalb zu töten, weil er seine Ex-Frau leiden sehen möchte? Dass er es ausgerechnet am Vatertag tut, weil darin die Mitteilung liegt? Um ihr, die ihn verletzte, mittels des verdammten Autos, das sie ihm zuwies, selbst die schlimmste denkbare Verletzung zuzufügen?

Mit anderen Worten: Können wir in unserm Bild eines ganz gewöhnlichen Menschen ein solches Übermaß an bösartigem Narzissmus unterbringen? Oder übertreiben wir, wenn wir auf diese Weise beschreiben, dass jemand in einer Sekunde durch Herumreißen des Steuers alles beenden will, was ihm an Zorn, Erniedrigung, Unlust, Beschämung und Aussichtslosigkeit auf der Seele liegt?

Farquharson selbst gab zu Protokoll, ein Hustenanfall habe ihn plötzlich vollständig die Kontrolle über den Commodore verlieren lassen. Die Spurensicherung war fehlerhaft, die medizinischen Gutachter waren uneins darüber, ob so heftige Hustenanfälle nach dem Stand der Forschung wahrscheinlich sind. Verkehrsexperten werden herangezogen, um die Spur des ausbrechenden Wagens zu interpretieren. Wurde versucht, ihn abzubremsen? Wie verhält sich ein Fahrer in einem Hustenanfall? Ein Zeuge trat auf, dem gegenüber der Angeklagte ein paar Monate vor dem Ereignis geäußert haben soll, seiner Ex-Frau das größtmögliche Leid antun zu wollen und ihr die Kinder zu nehmen, die er inzwischen hasse. Als man diesen Zeugen mit verstecktem Mikrofon ausstattete, um Farquharson noch einmal auf das Gesagte anzusprechen, führt der Dialog der beiden zu einer der gespenstischsten Szenen des Buches - doch nicht zu einem Geständnis.

Garner kommt in ihrem Bericht der Beweisaufnahme immer wieder darauf zurück, dass wir geneigt sind, an ein Unglück von außen zu glauben, wenn wir unseren Begriff des von innen Menschenmöglichen ändern müssten, um etwas für eine Tat zu halten. Man kann an die ersten Reaktionen auf den Absturz der German-Wings-Maschine denken. Hier, im Prozess von Melbourne, zog sich dieser Unwille, einen Abgrund anzunehmen, in die Länge. Auch die Mutter der Kinder und ihre Verwandten äußersten sich fast bis zuletzt zugunsten des Angeklagten.

Was Helen Garners Buch so beeindruckend macht, ist bei persönlicher Anteilnahme die hohe Sachlichkeit, mit der sie von etwas berichtet, das sich sachlich gar nicht erschließt. Etwa die apathische Reaktion Farquharsons, der zigarettenrauchend dasteht, während die Taucher versuchen, im Dunkeln den Wagen zu bergen. Sie sollten nicht weiter Rettungsversuche unternehmen, es sei alles zu spät - sagt so etwas ein Vater? Alles zweideutig: Drückt teilnahmsloses Verhalten einen Schock aus oder die Egozentrizität des Kaltblütigen? Wir erfahren jede Wendung zwischen Staatsanwälten und Verteidigern, die Wirkung, die Zeugen und Gutachter erzielen; vor allem aber jene des Angeklagten, um dessen Charakter sich alles dreht.

Garner - so hat eine englische Rezension des Buches mit einem wenig charmanten, aber zutreffenden Vergleich bemerkt - ist wie ein Hund, indem sie den Knochen ständig noch einmal benagt, auch wenn gar keine Bedeutung mehr an ihm ist als der Widerstand, den er den Zähnen bietet. Am Ende ist ihr Urteil eindeutig, wie das des Gerichts, alle vernünftigen Zweifel sind beseitigt - aber was heißt das, fragt Garner, "zweifelsfrei bewiesen"? -, und keinerlei Trost bleibt übrig. Dieses Buch, die Geschichte, die es erzählt, und die traurige Hymne auf das Recht, die es singt, hängen einem lange nach.

JÜRGEN KAUBE

Helen Garner: "This House of Grief". The Story Of A Murder Trial.

Text Publishing Company, Melbourne 2015. 320 S., br., 15,90 [Euro].

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