Zwei Feindinnen in einer Zeit des Krieges.
Verbotene Nachrichten, heimlich ausgetauscht auf den verlassenen Schlachtfeldern.
Und eine ganz große Liebe, die Raum und Zeit überwindet.
Amal El-Mohtar und Max Gladstone verbinden in diesem Kurzroman in wunderbar poetischer Sprache eine weltumspannende Zeitreisegeschichte mit einem Liebesroman in Briefform.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Verbotene Nachrichten, heimlich ausgetauscht auf den verlassenen Schlachtfeldern.
Und eine ganz große Liebe, die Raum und Zeit überwindet.
Amal El-Mohtar und Max Gladstone verbinden in diesem Kurzroman in wunderbar poetischer Sprache eine weltumspannende Zeitreisegeschichte mit einem Liebesroman in Briefform.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2023So verliert
man Zeit
Ein Tweet fordert auf, ein Buch
zu lesen, und alle machen mit.
Ein Erfahrungsbericht
Am 07. Mai um 07:39 postete ein Twitter-User mit dem Namen „Bigolas Dickolas Wolfwood“ einen Tweet – es handelt sich bei diesem Namen um ein Wortspiel mit Verweis auf ein mächtiges Gemächt gekoppelt mit einer Referenz auf die Figur Nicolas Wolfwood aus der Manga-Reihe „Trigun“. Jener Penis-Junge postete also das Cover einer Science Fiction Novelle aus dem Jahr 2019 und dazu: „Lies das. SCHAU NICHT nach was es ist. lies es einfach. es ist nur so 200 Seiten lang und du kannst es auf audible runterladen es ist nur so vier Stunden. mach es jetzt ich meine das sehr extrem ernst.“
Innerhalb der nächsten Tage wurde dieser Tweet tausende Male geteilt, gefavet und zitiert. Das bislang jenseits der Science-Fiction Leserschaft relativ unbekannte Buch wurde über Nacht zum Amazon-Bestseller. In Italien druckte der Verlag den Tweet auf das Buchcover. Für einen Moment, so sagte man, war Bigolas Dickolas für den Buchmarkt wichtiger als der Pulitzer Preis. Der völlig unbekannte Manga-Fan postete also ein Buchcover und eine Kaufaufforderung und dann sind Scharen von Deppen tatsächlich in die Buchläden gerannt und haben das gekauft. Einer dieser Deppen war ich. Und dies ist meine Geschichte.
An dieser Stelle würde ich jetzt gerne eine große Geschichte von Liebe und Tod erzählen und wie die Literatur ein Leben verändern kann – nämlich meines. Wie danach alles anders war, wie ich mich nie wieder einsam fühlte, wie ich nie wieder traurig sein musste, wie ich endlich alles verstand. Ich möchte diese Geschichte gerne teilen, das Geschenk weiter geben, an die Leser, an die Freunde der Leser, an die Cousins zweiten Grades der Freunde der Leser, an deren Kinder und Kindeskinder, bis in die tausendste Generation. Ich möchte, dass uns Bigolas Dickolas rettet. Ich möchte das alles sehr extrem ernst meinen.
Und an dieser Stelle gibt es nur ein kleines Problem: This is how you lose the time war ist leider sehr extrem schlecht. Hier muss man natürlich einräumen, dass Geschmacksurteile, siehe Kants dritte Kritik, eben keine Erkenntnisurteile sind, sich also lediglich logisch und allgemeingültig anfühlen, in Wahrheit allerdings völlig subjektiv sind. Will heißen: Wer ein Buch als schlecht beschreibt, sagt damit nichts weiter als „mir hat’s nicht gefallen“.
Das Buch spielt in einer nicht weiter spezifizierten Zukunft (und Vergangenheit) in der zwei Faktionen sich in einem Zeitkrieg bekämpfen. Die beiden Protagonisten, die nur als „Rot“ und „Blau“ bezeichnet sind, kämpfen als Agenten für diese beiden verfeindeten Faktionen, reisen durch die Zeit um ihrer eigenen Faktion zum Sieg zu verhelfen. Die eine Faktion ist dabei technisch, die andere ist organisch. Auf ihren Zeitreise-Missionen, während sie einander bekämpfen, hinterlassen Rot und Blau einander Briefe. Was das Ganze so (subjektiv) schlecht macht, ist a) dass diese Briefe auf genau die Art „poetisch“ sind, wie die Tagebucheinträge, die man sich als verliebter Vierzehnjähriger gerade noch verboten hat, b) dass Rot und Blau sich in ihren Briefen stilistisch absolut gleichen – der Fakt, dass die eine Seite angeblich blumig gewachsen, die andere Seite technisch geplant ist, sich in keiner Zeile ihrer Briefe bemerkbar macht, weil beide Seiten genau gleich schwülstig schreiben, c) dass man nie erfährt, wie dieser Zeitkrieg eigentlich funktioniert, d) dass einen auf Seite 20 das Gefühl ereilt, dass diese beiden verfeindeten Seiten ausschließlich dafür konstruiert wurden, sich zu verlieben (hier würde man eigentlich aufhören zu lesen, oder zumindest mal googeln, wäre man nicht auf die absurde Idee gekommen, einem Menschen blind zu vertrauen, der sich Bigolas Dickolas nennt) und dann „verlieben“ sie sich tatsächlich, ohne sich jemals zu treffen, was man vor allem daran merkt, dass die Worte „ich liebe dich“ so oft vorkommen, dass man sie danach nie nie wieder verwenden möchte.
Am Ende weiß man immer noch nicht, wie man einen Zeitkrieg verliert, nur dass man selber wohl nicht zu den Gewinnern zählt. Und wenn man daraus etwas lernt, dann, dass die zwei Autoren Amal El-Mohtar and Max Gladstone sich offensichtlich vollkommen unzynisch größte Mühe geben können, dass die wichtigsten beiden Science Fiction Preis-Jurys das Buch für preiswürdig halten können, dass ein unbezahlter Leser einen euphorischen Tweet schreiben kann, und einem das Buch trotzdem nicht gefällt. Was bedeutet: dass Geschmacksurteile tatsächlich genau so subjektiv sind, wie der alte Kant immer behauptet. Das wird uns vielleicht nicht retten, und ehrlich gesagt wussten wir es auch schon vorher.
NELE POLLATSCHEK
Amal El-Mohtar, Max Gladstone: This is how you lose the time war. Science Fiction Roman. Saga Press, New York 2019. 208 Seiten, circa 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
man Zeit
Ein Tweet fordert auf, ein Buch
zu lesen, und alle machen mit.
Ein Erfahrungsbericht
Am 07. Mai um 07:39 postete ein Twitter-User mit dem Namen „Bigolas Dickolas Wolfwood“ einen Tweet – es handelt sich bei diesem Namen um ein Wortspiel mit Verweis auf ein mächtiges Gemächt gekoppelt mit einer Referenz auf die Figur Nicolas Wolfwood aus der Manga-Reihe „Trigun“. Jener Penis-Junge postete also das Cover einer Science Fiction Novelle aus dem Jahr 2019 und dazu: „Lies das. SCHAU NICHT nach was es ist. lies es einfach. es ist nur so 200 Seiten lang und du kannst es auf audible runterladen es ist nur so vier Stunden. mach es jetzt ich meine das sehr extrem ernst.“
Innerhalb der nächsten Tage wurde dieser Tweet tausende Male geteilt, gefavet und zitiert. Das bislang jenseits der Science-Fiction Leserschaft relativ unbekannte Buch wurde über Nacht zum Amazon-Bestseller. In Italien druckte der Verlag den Tweet auf das Buchcover. Für einen Moment, so sagte man, war Bigolas Dickolas für den Buchmarkt wichtiger als der Pulitzer Preis. Der völlig unbekannte Manga-Fan postete also ein Buchcover und eine Kaufaufforderung und dann sind Scharen von Deppen tatsächlich in die Buchläden gerannt und haben das gekauft. Einer dieser Deppen war ich. Und dies ist meine Geschichte.
An dieser Stelle würde ich jetzt gerne eine große Geschichte von Liebe und Tod erzählen und wie die Literatur ein Leben verändern kann – nämlich meines. Wie danach alles anders war, wie ich mich nie wieder einsam fühlte, wie ich nie wieder traurig sein musste, wie ich endlich alles verstand. Ich möchte diese Geschichte gerne teilen, das Geschenk weiter geben, an die Leser, an die Freunde der Leser, an die Cousins zweiten Grades der Freunde der Leser, an deren Kinder und Kindeskinder, bis in die tausendste Generation. Ich möchte, dass uns Bigolas Dickolas rettet. Ich möchte das alles sehr extrem ernst meinen.
Und an dieser Stelle gibt es nur ein kleines Problem: This is how you lose the time war ist leider sehr extrem schlecht. Hier muss man natürlich einräumen, dass Geschmacksurteile, siehe Kants dritte Kritik, eben keine Erkenntnisurteile sind, sich also lediglich logisch und allgemeingültig anfühlen, in Wahrheit allerdings völlig subjektiv sind. Will heißen: Wer ein Buch als schlecht beschreibt, sagt damit nichts weiter als „mir hat’s nicht gefallen“.
Das Buch spielt in einer nicht weiter spezifizierten Zukunft (und Vergangenheit) in der zwei Faktionen sich in einem Zeitkrieg bekämpfen. Die beiden Protagonisten, die nur als „Rot“ und „Blau“ bezeichnet sind, kämpfen als Agenten für diese beiden verfeindeten Faktionen, reisen durch die Zeit um ihrer eigenen Faktion zum Sieg zu verhelfen. Die eine Faktion ist dabei technisch, die andere ist organisch. Auf ihren Zeitreise-Missionen, während sie einander bekämpfen, hinterlassen Rot und Blau einander Briefe. Was das Ganze so (subjektiv) schlecht macht, ist a) dass diese Briefe auf genau die Art „poetisch“ sind, wie die Tagebucheinträge, die man sich als verliebter Vierzehnjähriger gerade noch verboten hat, b) dass Rot und Blau sich in ihren Briefen stilistisch absolut gleichen – der Fakt, dass die eine Seite angeblich blumig gewachsen, die andere Seite technisch geplant ist, sich in keiner Zeile ihrer Briefe bemerkbar macht, weil beide Seiten genau gleich schwülstig schreiben, c) dass man nie erfährt, wie dieser Zeitkrieg eigentlich funktioniert, d) dass einen auf Seite 20 das Gefühl ereilt, dass diese beiden verfeindeten Seiten ausschließlich dafür konstruiert wurden, sich zu verlieben (hier würde man eigentlich aufhören zu lesen, oder zumindest mal googeln, wäre man nicht auf die absurde Idee gekommen, einem Menschen blind zu vertrauen, der sich Bigolas Dickolas nennt) und dann „verlieben“ sie sich tatsächlich, ohne sich jemals zu treffen, was man vor allem daran merkt, dass die Worte „ich liebe dich“ so oft vorkommen, dass man sie danach nie nie wieder verwenden möchte.
Am Ende weiß man immer noch nicht, wie man einen Zeitkrieg verliert, nur dass man selber wohl nicht zu den Gewinnern zählt. Und wenn man daraus etwas lernt, dann, dass die zwei Autoren Amal El-Mohtar and Max Gladstone sich offensichtlich vollkommen unzynisch größte Mühe geben können, dass die wichtigsten beiden Science Fiction Preis-Jurys das Buch für preiswürdig halten können, dass ein unbezahlter Leser einen euphorischen Tweet schreiben kann, und einem das Buch trotzdem nicht gefällt. Was bedeutet: dass Geschmacksurteile tatsächlich genau so subjektiv sind, wie der alte Kant immer behauptet. Das wird uns vielleicht nicht retten, und ehrlich gesagt wussten wir es auch schon vorher.
NELE POLLATSCHEK
Amal El-Mohtar, Max Gladstone: This is how you lose the time war. Science Fiction Roman. Saga Press, New York 2019. 208 Seiten, circa 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
This book has it all: treachery and love, lyricism and gritty action, existential crisis and space-opera scope, not to mention time travelling superagents. Gladstone's and El-Mohtar's debut collaboration is a fireworks display from two very talented storytellers Madeline Miller, internationally bestselling author of Circe and Song of Achilles