'Somehow it seemed to him the only thing that would really solve the problem would be to return to the sea and find the old ring with their names and the wedding date engraved inside, in 22-carat gold, and put it on again and then the world would magically return to what it had been before. Many years before.
This did not happen.'
Thomas and Mary have been married for thirty years. They have two children, a dog, a house in the suburbs. But after years of drifting apart, things - finally - come to a head.
In this love story in reverse, Tim Parks recounts what happens when youthful devotion has long given way to dog walking, separate bed times, and tensions over who left the fridge door open.
Lurching from comedy to tragedy, via dependence, cold re-examination, tenderness and betrayal, Thomas and Mary is a fiercely intimate chronicle of a marriage - capturing the offshoots of pain sent through an entire family, when the couple at its heart decide it's all over.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
This did not happen.'
Thomas and Mary have been married for thirty years. They have two children, a dog, a house in the suburbs. But after years of drifting apart, things - finally - come to a head.
In this love story in reverse, Tim Parks recounts what happens when youthful devotion has long given way to dog walking, separate bed times, and tensions over who left the fridge door open.
Lurching from comedy to tragedy, via dependence, cold re-examination, tenderness and betrayal, Thomas and Mary is a fiercely intimate chronicle of a marriage - capturing the offshoots of pain sent through an entire family, when the couple at its heart decide it's all over.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.02.2017Die Kosenamen des Hundes
Woher kommt nur dieser seltsame Summton? In seinem neuen
Roman „Thomas & Mary“ erzählt Tim Parks vom Zerfall einer Ehe
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Im englischen Original trägt der neue Roman von Tim Parks den Untertitel „A Love Story“. Das ist, wie sich bei der Lektüre herausstellt, britische Ironie vom Schwärzesten, denn es geht in „Thomas & Mary“ um die unaufhaltsam fortschreitende Erosion einer Ehe. Die deutsche Fassung präsentiert sich etwas wortreicher als „Liebesgeschichte, die mit einer Trennung beginnt“, und der Autor hat eigens ein Nachwort angehängt, das in der Warnung gipfelt, „dass die deutsche Ausgabe nicht ganz so ist wie die englische“. Sie gehe „einen Schritt weiter“.
Rätselraten ist also angesagt. Aber bis zur Lösung mutet Tim Parks den Lesern einiges zu: Es ist, als sollten sie die mühsam unterdrückte Gereiztheit und Ungeduld, die Resignation und die Fluchtreflexe des Paares am eigenen Leibe nachvollziehen. Dies ist mitnichten der „wunderbar leichte Roman“, den der Klappentext ankündigt. Dass er es auch gar nicht sein will, verrät schon seine komplexe Struktur: Der Autor hat sich nicht damit begnügt, die Geschichte eines sich über dreißig Jahre dehnenden Auseinanderlebens unter komfortablen Mittelklasse-Bedingungen episodisch und in Rückblicken zu erzählen.
Vielmehr fügt er Szenen, Situationen, beinahe buchhalterische Bestandsaufnahmen und wechselnde Perspektiven von Beobachtern innerhalb und außerhalb des Familienzirkels zu einem Mosaik, das als Gesamtbild viel mehr vom menschlichen Leben zeigt als nur das ganz normale, schleichende Ehe-Elend.
Wie und wann dieses Elend in einer durchschnittlichen, mehr oder weniger euphorisch begonnenen Liebesbeziehung seinen Anfang nimmt, bleibt im Dunkeln, ebenso wie der Zeitpunkt, an dem die Pflanze, die das Paar zur Hochzeit geschenkt bekam, nach jahrelangem Hin und Her zwischen Verkümmerung und neuen Trieben endgültig eingegangen ist. Parks schreibt keine Chronologie des Scheiterns, er schaltet sich in den laufenden Prozess ein, springt vor und zurück und hört mitten im Ungewissen auf.
Wenn Thomas im Eingangskapitel seinen Ehering am Strand von Blackpool verliert und Mary im selben Jahr, kurz vor Weihnachten, ihren Ring ebenfalls ablegt, weil Thomas keine Anstalten macht, sich einen neuen zu kaufen, dann wird nicht klar, in welchem Stadium der sanften Zerrüttung wir uns gerade befinden, aber beiläufig erfahren wir, dass die Kinder noch im Sand buddeln: Es muss sich also um eine relativ frühe Phase der Ehe handeln.
Am Ende der nächsten Episode sind die Kinder bereits alt genug, sich zu fragen, ob sie für ihre sichtbar unglücklichen Eltern vielleicht etwas tun können. Zuvor hat der Autor lapidar die „Bettzeiten“ protokolliert, will sagen, die Gewohnheit des Paares, durch unterschiedliche Präferenzen und Rituale der Abendgestaltung einander im Schlafzimmer auszuweichen. Bei diesen Vermeidungsstrategien kommt auch Cockerspaniel Ricky ins Spiel, dessen Rolle als „einziger gemeinsamer Freund“ der Eheleute im Roman ein wichtiges Thema bleibt. In einem ziemlich skurrilen Kapitel geht es um Kosenamen; ein anderes dokumentiert, was Thomas, seiner Routine folgend, bei Tag und bei Nacht tut.
Und was er nachts träumt, sagt so viel über die Lage der Dinge aus, dass es keines Erzählerkommentars bedarf: „In der Nacht träumt Thomas von einem merkwürdigen, starken Summton. Er geht vom Schlafzimmer in den ersten Stock hinunter, dann vom ersten Stock ins Erdgeschoss, vom Erdgeschoss in den Keller, und steigt von dort eine weitere Treppe nach unten, immer weiter, über stockdunkle Stufen, die tief, tief ins Innere der Erde führen. Aus dem Summton ist ein Dröhnen geworden, und urplötzlich steht er am Ufer eines unterirdischen Flusses, dessen schwarzes Wasser mit rasanter Geschwindigkeit durch ein Gesteinsmassiv unter seinem gut ausgestatteten Haus rauscht. Gerade als er hineinspringen will, wacht er erschrocken auf.“
Das gut ausgestattete Haus, das sich irgendwann wie von selbst in separate „Zonen“ für die Gattin und den Gatten aufgeteilt hat, liegt am Stadtrand von Manchester. Tim Parks ist in Manchester geboren und aufgewachsen, und obwohl er seit Jahrzehnten in Italien lebt, kommt man bei diesem Buch nicht an dem Verdacht vorbei, er habe mit seiner leicht gequälten, oft verwirrten, durch widersprüchliche Erfahrungen und Empfindungen herausgeforderten Hauptfigur Thomas Paige mehr gemeinsam als die Initialen und die englische Industriestadt als Bezugsort. Zumal es noch mehr offenkundige Parallelen gibt, etwa die Kindheit im anglikanischen Pfarrhaus und das schwierige Verhältnis zum strenggläubigen Vater. Davon handelt das Kapitel „Reverend“, das Parks separat als Kurzgeschichte im New Yorker veröffentlicht hat.
Das Bemerkenswerteste an dem extrem entschleunigten Ehe-Countdown für Thomas & Mary ist allerdings, dass die Erzählperspektive zwar zeitweilig an Außenstehende abgegeben wird, wir ansonsten aber ausschließlich damit konfrontiert sind, wie Thomas die Dinge erlebt. Cathy, eine seiner zahlreichen jungen Geliebten, plappert ihre Schwärmerei und ihren Frust heraus; ein Tennispartner reportiert die obsessiven Spekulationen über den weiblichen Orgasmus, mit denen Thomas ihm auf den Wecker geht. Mark, der Sohn, bespielt eine Episode, Marys Freundin Julie eine andere, und ein einziges Mal werden wir über mehrere Seiten hinweg in dem Glauben gelassen, endlich Marys Version der Geschichte zu lesen – bis es heißt: „Thomas hielt inne. Nach einer langen Pause legte er den Stift beiseite. Das führte zu nichts. Mary blieb ihm ein vollkommenes Rätsel.“
Das Interesse des Autors gilt also ganz eindeutig Thomas, dem männlichen Part. Aber das sollte ihm nicht als Frauenfeindlichkeit ausgelegt werden, denn er stellt ja zugleich die Egomanie und die Hilflosigkeit des Helden (die vielleicht seine eigene ist) ohne Erbarmen bloß. Er begleitet ihn ans Sterbebett seiner Mutter, zur Therapeutin, in die Vergangenheitserforschung, so unbeholfen sie auch sein mag. Und er baut eine liebevoll komische, entwaffnend versöhnliche Szene ein, in der Thomas’ Eltern einander im Jenseits wiederbegegnen. Am Ende gibt es sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer in Richtung „umgekehrte Liebesgeschichte“. Aber bis dahin muss der Leser sich durch dieses vertrackte, leider nicht pausenlos kurzweilige Buch hindurchkämpfen. Wie durch das Leben.
Das gut ausgestattete Haus teilt
sich irgendwann von selbst in
„Zonen“ für die Ehepartner auf
Tim Parks: Thomas & Mary. Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Antje Kunstmann Verlag, München 2017. 336 Seiten, 22 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Woher kommt nur dieser seltsame Summton? In seinem neuen
Roman „Thomas & Mary“ erzählt Tim Parks vom Zerfall einer Ehe
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Im englischen Original trägt der neue Roman von Tim Parks den Untertitel „A Love Story“. Das ist, wie sich bei der Lektüre herausstellt, britische Ironie vom Schwärzesten, denn es geht in „Thomas & Mary“ um die unaufhaltsam fortschreitende Erosion einer Ehe. Die deutsche Fassung präsentiert sich etwas wortreicher als „Liebesgeschichte, die mit einer Trennung beginnt“, und der Autor hat eigens ein Nachwort angehängt, das in der Warnung gipfelt, „dass die deutsche Ausgabe nicht ganz so ist wie die englische“. Sie gehe „einen Schritt weiter“.
Rätselraten ist also angesagt. Aber bis zur Lösung mutet Tim Parks den Lesern einiges zu: Es ist, als sollten sie die mühsam unterdrückte Gereiztheit und Ungeduld, die Resignation und die Fluchtreflexe des Paares am eigenen Leibe nachvollziehen. Dies ist mitnichten der „wunderbar leichte Roman“, den der Klappentext ankündigt. Dass er es auch gar nicht sein will, verrät schon seine komplexe Struktur: Der Autor hat sich nicht damit begnügt, die Geschichte eines sich über dreißig Jahre dehnenden Auseinanderlebens unter komfortablen Mittelklasse-Bedingungen episodisch und in Rückblicken zu erzählen.
Vielmehr fügt er Szenen, Situationen, beinahe buchhalterische Bestandsaufnahmen und wechselnde Perspektiven von Beobachtern innerhalb und außerhalb des Familienzirkels zu einem Mosaik, das als Gesamtbild viel mehr vom menschlichen Leben zeigt als nur das ganz normale, schleichende Ehe-Elend.
Wie und wann dieses Elend in einer durchschnittlichen, mehr oder weniger euphorisch begonnenen Liebesbeziehung seinen Anfang nimmt, bleibt im Dunkeln, ebenso wie der Zeitpunkt, an dem die Pflanze, die das Paar zur Hochzeit geschenkt bekam, nach jahrelangem Hin und Her zwischen Verkümmerung und neuen Trieben endgültig eingegangen ist. Parks schreibt keine Chronologie des Scheiterns, er schaltet sich in den laufenden Prozess ein, springt vor und zurück und hört mitten im Ungewissen auf.
Wenn Thomas im Eingangskapitel seinen Ehering am Strand von Blackpool verliert und Mary im selben Jahr, kurz vor Weihnachten, ihren Ring ebenfalls ablegt, weil Thomas keine Anstalten macht, sich einen neuen zu kaufen, dann wird nicht klar, in welchem Stadium der sanften Zerrüttung wir uns gerade befinden, aber beiläufig erfahren wir, dass die Kinder noch im Sand buddeln: Es muss sich also um eine relativ frühe Phase der Ehe handeln.
Am Ende der nächsten Episode sind die Kinder bereits alt genug, sich zu fragen, ob sie für ihre sichtbar unglücklichen Eltern vielleicht etwas tun können. Zuvor hat der Autor lapidar die „Bettzeiten“ protokolliert, will sagen, die Gewohnheit des Paares, durch unterschiedliche Präferenzen und Rituale der Abendgestaltung einander im Schlafzimmer auszuweichen. Bei diesen Vermeidungsstrategien kommt auch Cockerspaniel Ricky ins Spiel, dessen Rolle als „einziger gemeinsamer Freund“ der Eheleute im Roman ein wichtiges Thema bleibt. In einem ziemlich skurrilen Kapitel geht es um Kosenamen; ein anderes dokumentiert, was Thomas, seiner Routine folgend, bei Tag und bei Nacht tut.
Und was er nachts träumt, sagt so viel über die Lage der Dinge aus, dass es keines Erzählerkommentars bedarf: „In der Nacht träumt Thomas von einem merkwürdigen, starken Summton. Er geht vom Schlafzimmer in den ersten Stock hinunter, dann vom ersten Stock ins Erdgeschoss, vom Erdgeschoss in den Keller, und steigt von dort eine weitere Treppe nach unten, immer weiter, über stockdunkle Stufen, die tief, tief ins Innere der Erde führen. Aus dem Summton ist ein Dröhnen geworden, und urplötzlich steht er am Ufer eines unterirdischen Flusses, dessen schwarzes Wasser mit rasanter Geschwindigkeit durch ein Gesteinsmassiv unter seinem gut ausgestatteten Haus rauscht. Gerade als er hineinspringen will, wacht er erschrocken auf.“
Das gut ausgestattete Haus, das sich irgendwann wie von selbst in separate „Zonen“ für die Gattin und den Gatten aufgeteilt hat, liegt am Stadtrand von Manchester. Tim Parks ist in Manchester geboren und aufgewachsen, und obwohl er seit Jahrzehnten in Italien lebt, kommt man bei diesem Buch nicht an dem Verdacht vorbei, er habe mit seiner leicht gequälten, oft verwirrten, durch widersprüchliche Erfahrungen und Empfindungen herausgeforderten Hauptfigur Thomas Paige mehr gemeinsam als die Initialen und die englische Industriestadt als Bezugsort. Zumal es noch mehr offenkundige Parallelen gibt, etwa die Kindheit im anglikanischen Pfarrhaus und das schwierige Verhältnis zum strenggläubigen Vater. Davon handelt das Kapitel „Reverend“, das Parks separat als Kurzgeschichte im New Yorker veröffentlicht hat.
Das Bemerkenswerteste an dem extrem entschleunigten Ehe-Countdown für Thomas & Mary ist allerdings, dass die Erzählperspektive zwar zeitweilig an Außenstehende abgegeben wird, wir ansonsten aber ausschließlich damit konfrontiert sind, wie Thomas die Dinge erlebt. Cathy, eine seiner zahlreichen jungen Geliebten, plappert ihre Schwärmerei und ihren Frust heraus; ein Tennispartner reportiert die obsessiven Spekulationen über den weiblichen Orgasmus, mit denen Thomas ihm auf den Wecker geht. Mark, der Sohn, bespielt eine Episode, Marys Freundin Julie eine andere, und ein einziges Mal werden wir über mehrere Seiten hinweg in dem Glauben gelassen, endlich Marys Version der Geschichte zu lesen – bis es heißt: „Thomas hielt inne. Nach einer langen Pause legte er den Stift beiseite. Das führte zu nichts. Mary blieb ihm ein vollkommenes Rätsel.“
Das Interesse des Autors gilt also ganz eindeutig Thomas, dem männlichen Part. Aber das sollte ihm nicht als Frauenfeindlichkeit ausgelegt werden, denn er stellt ja zugleich die Egomanie und die Hilflosigkeit des Helden (die vielleicht seine eigene ist) ohne Erbarmen bloß. Er begleitet ihn ans Sterbebett seiner Mutter, zur Therapeutin, in die Vergangenheitserforschung, so unbeholfen sie auch sein mag. Und er baut eine liebevoll komische, entwaffnend versöhnliche Szene ein, in der Thomas’ Eltern einander im Jenseits wiederbegegnen. Am Ende gibt es sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer in Richtung „umgekehrte Liebesgeschichte“. Aber bis dahin muss der Leser sich durch dieses vertrackte, leider nicht pausenlos kurzweilige Buch hindurchkämpfen. Wie durch das Leben.
Das gut ausgestattete Haus teilt
sich irgendwann von selbst in
„Zonen“ für die Ehepartner auf
Tim Parks: Thomas & Mary. Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Antje Kunstmann Verlag, München 2017. 336 Seiten, 22 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2017In den Ruinen einer Ehe
Mit Gnade und böser Komik: Tim Parks erzählt in "Thomas & Mary" vom alltäglichen Beziehungsirrsinn
All diese Bücher über scheiternde Beziehungen! Die langfristig überlebt habenden Paare mit Kindern scheitern vermutlich aber doch anders als langfristig überlebt habende Paare ohne Kinder. Thomas und Mary jedenfalls haben welche, also Kinder, und es ist wohl kaum zufällig, dass der Blick des Erzählers auf das titelgebende Paar des neuen Romans von Tim Parks ausgerechnet in jene brenzlige Phase fällt, da die Kinder im Begriff sind, das Haus zu verlassen. Sally, die ältere Tochter, hat den Auszug schon hinter sich und kommt nur noch selten. Mark, der jüngere Sohn, wohnt noch dort, zwischen Spielkonsolen und dem Hund.
Apropos Hund: Er heißt Ricky, wurde von Mary "als Trophäe" angeschafft und schläft bereits neben ihrem Bett, das zu Anfang dieses Romans auch noch von Thomas geteilt wird. Über Ricky, den Hund, kommunizieren hier alle miteinander. Als "er" - Thomas - oben im Schlafzimmer ankommt, lässt seine Frau sich gerade von Ricky die Augenlider lecken. "Na komm schon, drück ihn doch mal", fordert sie ihren Mann auf: "Er will, dass du zugibst, dass du ihn liebst, nicht wahr, Ricky?" Ein Roman mit pikanten Dialogen und Figurenkonstellationen, wie geschaffen als Vorlage für eine Serie. Erste Szene wäre diese: Mann verliert Ehering am Strand. Kurzer Dialog mit Ehefrau: "Ich habe ihn extra abgenommen", beschwert er sich, "um ihn nicht zu verlieren." Blick übers Meer. Blende und Nahaufnahme in verwirrtes Gesicht des Mannes, der zusammen mit einem Typen vom Strand, der einen Metalldetektor hat, stundenlang den Sand absucht. Darüber vergeht die Zeit. Die Flut kommt. Die Sonne geht unter. Schnitt.
Alles wäre bereits in dieser ersten Kameraeinstellung gesagt. Aber Literatur ist etwas ganz anderes als eine Serie. Und so wären auf der Mattscheibe nur Sticheleien darstellbar, nicht jedoch die inneren Zwiegespräche, das ureigene Arbeitsfeld des in England aufgewachsenen, seit 1981 in Italien lebenden Autors Tim Parks. Dieses ständige innere Raunen hat er am tiefgreifendsten 2010 in einem Erfahrungsbericht beschrieben: "Die Kunst stillzusitzen - Ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung".
Vom unablässigen Gedankenkarussell bei gleichzeitigem Handlungsirrsinn erzählt "Thomas & Mary" als Eheroman in Einzelszenen. Am Ortsrand von "Pendlebury", was schon irgendwie nach "lebendig begraben" klingt, stagniert diese aus der Perspektive beider Partner nebst Tennispartner, Thomas' Geliebter oder Marys Hundeschulfreundin erzählte Ehe. Thomas und Mary haben offensichtlich ein eklatantes Bindungsproblem, seit sich das Gefühl davongeschlichen hat. Beide kompensieren das unterschiedlich; der hochdotiert beschäftigte Mann mit Affären, seine Frau mit Pilates und wer weiß was noch (die Sicht von Thomas ist hier die zentrale Perspektive). Paartherapiestunden, sentimentale Rückblenden und letzte Rettungsversuche sind die Nebengeräusche dieses Finalstadiums. Mary, die sentimental ein altes Familienfoto schickt; Thomas, der sich im dunklen Wald verletzt und doch wieder nur vom Hund gerettet wird.
Tim Parks hat die Inventarien dieses Dramas mit Forschungseifer unter die Lupe genommen und zeigt sie alle her, gefiltert durch einen routinierten Erzähler, der kommentiert oder die Pointen sprechen lässt. Da ist etwa eine "Liste" mit allen Ex-Geliebten von Thomas, der Zustand der Ehe, gespiegelt in einer Pflanze, die ein Hochzeitsgeschenk war, aber ungepflegt blieb, oder jene Szene, in der Thomas sich im Büro mal Aussprache und Anbrüllen wünscht statt des ständigen Stillhaltens (was seiner Beziehung zum früheren Zeitpunkt gutgetan hätte).
Die Psychogramme sind trocken, treffend und oft überraschend, durchsetzt mit böser Komik, wie man sie etwa von britischen Autoren wie Alan Bennett kennt und schätzt. Eine lange Beziehung, sagt Mary einmal, sei "so ähnlich wie eine alte Burg, in der noch einige Teile bewohnbar sind, während andere schon vor langer Zeit zur Ruine verfallen waren, und wo es wahrscheinlich auch Teile mit Leichen in allen Kellern gab, und auf jeden Fall das eine oder andere Gespenst auf dem Dachboden. Ganz zu schweigen von den Geheimgängen! Und den Ratten hinter der Tapete!" Sich da hineinzubegeben erfordert Humor und Gnade. In den besten Kapiteln dieses Romans vermischt sich beides. Manchmal ist der Roman aber zu weitschweifig.
ANJA HIRSCH
Tim Parks:
"Thomas & Mary". Roman.
Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Verlag Antje Kunstmann, München 2017. 334 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit Gnade und böser Komik: Tim Parks erzählt in "Thomas & Mary" vom alltäglichen Beziehungsirrsinn
All diese Bücher über scheiternde Beziehungen! Die langfristig überlebt habenden Paare mit Kindern scheitern vermutlich aber doch anders als langfristig überlebt habende Paare ohne Kinder. Thomas und Mary jedenfalls haben welche, also Kinder, und es ist wohl kaum zufällig, dass der Blick des Erzählers auf das titelgebende Paar des neuen Romans von Tim Parks ausgerechnet in jene brenzlige Phase fällt, da die Kinder im Begriff sind, das Haus zu verlassen. Sally, die ältere Tochter, hat den Auszug schon hinter sich und kommt nur noch selten. Mark, der jüngere Sohn, wohnt noch dort, zwischen Spielkonsolen und dem Hund.
Apropos Hund: Er heißt Ricky, wurde von Mary "als Trophäe" angeschafft und schläft bereits neben ihrem Bett, das zu Anfang dieses Romans auch noch von Thomas geteilt wird. Über Ricky, den Hund, kommunizieren hier alle miteinander. Als "er" - Thomas - oben im Schlafzimmer ankommt, lässt seine Frau sich gerade von Ricky die Augenlider lecken. "Na komm schon, drück ihn doch mal", fordert sie ihren Mann auf: "Er will, dass du zugibst, dass du ihn liebst, nicht wahr, Ricky?" Ein Roman mit pikanten Dialogen und Figurenkonstellationen, wie geschaffen als Vorlage für eine Serie. Erste Szene wäre diese: Mann verliert Ehering am Strand. Kurzer Dialog mit Ehefrau: "Ich habe ihn extra abgenommen", beschwert er sich, "um ihn nicht zu verlieren." Blick übers Meer. Blende und Nahaufnahme in verwirrtes Gesicht des Mannes, der zusammen mit einem Typen vom Strand, der einen Metalldetektor hat, stundenlang den Sand absucht. Darüber vergeht die Zeit. Die Flut kommt. Die Sonne geht unter. Schnitt.
Alles wäre bereits in dieser ersten Kameraeinstellung gesagt. Aber Literatur ist etwas ganz anderes als eine Serie. Und so wären auf der Mattscheibe nur Sticheleien darstellbar, nicht jedoch die inneren Zwiegespräche, das ureigene Arbeitsfeld des in England aufgewachsenen, seit 1981 in Italien lebenden Autors Tim Parks. Dieses ständige innere Raunen hat er am tiefgreifendsten 2010 in einem Erfahrungsbericht beschrieben: "Die Kunst stillzusitzen - Ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung".
Vom unablässigen Gedankenkarussell bei gleichzeitigem Handlungsirrsinn erzählt "Thomas & Mary" als Eheroman in Einzelszenen. Am Ortsrand von "Pendlebury", was schon irgendwie nach "lebendig begraben" klingt, stagniert diese aus der Perspektive beider Partner nebst Tennispartner, Thomas' Geliebter oder Marys Hundeschulfreundin erzählte Ehe. Thomas und Mary haben offensichtlich ein eklatantes Bindungsproblem, seit sich das Gefühl davongeschlichen hat. Beide kompensieren das unterschiedlich; der hochdotiert beschäftigte Mann mit Affären, seine Frau mit Pilates und wer weiß was noch (die Sicht von Thomas ist hier die zentrale Perspektive). Paartherapiestunden, sentimentale Rückblenden und letzte Rettungsversuche sind die Nebengeräusche dieses Finalstadiums. Mary, die sentimental ein altes Familienfoto schickt; Thomas, der sich im dunklen Wald verletzt und doch wieder nur vom Hund gerettet wird.
Tim Parks hat die Inventarien dieses Dramas mit Forschungseifer unter die Lupe genommen und zeigt sie alle her, gefiltert durch einen routinierten Erzähler, der kommentiert oder die Pointen sprechen lässt. Da ist etwa eine "Liste" mit allen Ex-Geliebten von Thomas, der Zustand der Ehe, gespiegelt in einer Pflanze, die ein Hochzeitsgeschenk war, aber ungepflegt blieb, oder jene Szene, in der Thomas sich im Büro mal Aussprache und Anbrüllen wünscht statt des ständigen Stillhaltens (was seiner Beziehung zum früheren Zeitpunkt gutgetan hätte).
Die Psychogramme sind trocken, treffend und oft überraschend, durchsetzt mit böser Komik, wie man sie etwa von britischen Autoren wie Alan Bennett kennt und schätzt. Eine lange Beziehung, sagt Mary einmal, sei "so ähnlich wie eine alte Burg, in der noch einige Teile bewohnbar sind, während andere schon vor langer Zeit zur Ruine verfallen waren, und wo es wahrscheinlich auch Teile mit Leichen in allen Kellern gab, und auf jeden Fall das eine oder andere Gespenst auf dem Dachboden. Ganz zu schweigen von den Geheimgängen! Und den Ratten hinter der Tapete!" Sich da hineinzubegeben erfordert Humor und Gnade. In den besten Kapiteln dieses Romans vermischt sich beides. Manchmal ist der Roman aber zu weitschweifig.
ANJA HIRSCH
Tim Parks:
"Thomas & Mary". Roman.
Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Verlag Antje Kunstmann, München 2017. 334 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In this darkly funny work, Parks offers a story that doesn't shy away from the complexity of relationships, and from the ineffability, indeed, impossibility, of the unmade decision. Ayesha Manazir Siddiqi Independent