Als Thomas Bernhard 1989 im Alter von achtundfünfzig Jahren starb, schockierte er seine österreichische Heimat mit der testamentarischen Verfügung, keines seiner Stücke dürfe für die Dauer des Urheberrechts im Lande aufgeführt, keines seiner Bücher gedruckt werden. Die Rolle des 'Nestbeschmutzers' und Hofnarrs der Wiener Gesellschaft, die er zeitlebens virtuos gespielt hatte, war mit seinem Tod nicht beendet. Bernhards Obsession war die spezifische Kultur der Alpenrepublik, jene Mixtur aus k.u.k.-Nostalgie, Provinzialismus, Salon-Antisemitismus und larmoyanter Leugnung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Sein stark autobiographisch geprägtes Werk spiegelt diese Obsession wider. Die Theatralik, mit der er sie im konfliktreichen Wechselspiel mit der österreichischen Gesellschaft in Szene gesetzt hat, steht im Mittelpunkt dieser Biographie. Die in Wien aufgewachsene, in den USA lebende Theaterwissenschaftlerin Gitta Honegger, die Thomas Bernhard persönlich gekannt und seine Stücke ins Amerikanische übersetzt hat, gilt als eine der besten Kennerinnen seines Werks. Mit sicherem Gespür verweist sie auf dessen autobiographisch-kulturelle Facetten; mit kritischer Sympathie und feiner Ironie nähert sie sich Bernhards eigenwilliger Persönlichkeit. Ihre Einfühlungsgabe und ihr analytischer Blick machen dieses Buch zu einer der interessantesten Bernhard-Biographien der letzten Jahre, die uns das Rätselhafte dieses faszinierenden Autors überzeugend erschließt.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht recht zufrieden scheint Burkhard Müller mit Gitta Honeggers umfangreichem Buch über Thomas Bernhard zu sein. Nein, die "ultimative Biografie" sei es nicht, dafür sei sie "zu lang" und "zu ungeordnet". Die Stärke des Buches sieht der Rezensent darin, dass die Autorin Bekannte und Freunde Bernards zu Wort kommen lässt. Dadurch gelinge es der Autorin, "ein überaus plastisches Bild Bernards" zu zeichnen. Dass sie ihn als "sozialen Schmarotzer" darstelle, der sich in fremde Ehen einniste, und dessen geistige Physiognomie auf die eines Narren reduziere, klingt ebenso wenig schmeichelhaft, wie das Urteil des Rezensenten, dass sie seiner Prosa "mit dem Werkzeugkasten Lacans" zu Leibe rücke. Komme aber Bernard selbst zu Wort, entstehe jenseits der Bernhardschen Schimpfkanonade ein lebendiges Bild seiner Person, lobt Müller. Letztlich überlasse die Autorin es Heiner Müller, die Prosa des schimpfenden und skandalösen späten Bernhard auf den Punkt zu bringen, meint der Rezensent und lässt Honegger jenen zitieren: "Er schreibt ja so, als ob der vom österreichischen Staat angestellt wäre, um gegen Österreich zu schreiben. Er könnte auch wirklich eine Pensionsberechtigung dafür beanspruchen. Österreichbeschimpfung, das ist seine Funktion."
© Perlentaucher Medien GmbH
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