In seinem neuesten Buch entlarvt Marcus drei "gewöhnliche" amerikanische Songs als grundlegende Dokumente amerikanischer Identität: Bascom Lamar Lunsfords "I Wish I Was a Mole in the Ground" (1928), Geeshie Wileys "Last Kind Words Blues" (1930) und Bob Dylans "Ballad of Hollis Brown" (1964). Die Art und Weise, auf die jeder dieser Songs den unheimlichen Eindruck erweckt, er sei von niemandem geschrieben worden, erhellt unterschiedliche Aspekte der Tradition des "gewöhnlichen" Songs. Manche sind im Laufe der Zeit ohne einen identifizierbaren Urheber entstanden. Andere beziehen ihre Melodien und Motive aus obskuren Quellen, nehmen aber in den Händen eines bestimmten Künstlers eine endgültige, unvergessliche Gestalt an. Und, wie im Fall von Bob Dylans "Hollis Brown", gibt es Songs, die von einem identifizierbaren Autor stammen, aber wirken wie Folksongs, die schon seit Generationen weitergereicht worden sind. So trägt jeder dieser Songs Amerikas Geschichte, seine Menschen in sich, auch in ihrer Rolle als Zuhörer.
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Süddeutsche ZeitungDie USA in
drei Songs
Der 72-jährige amerikanische Essayist und Popkritiker Greil Marcus ist bestimmt einer der klügsten und originellsten, auf jeden Fall aber der fleißigste Ausleger und Berichterstatter von Leben und Werk Bob Dylans. Über die Jahre wurde er so zum berühmtesten Musikjournalisten der Welt. Seinem umfangreichen Werk wird aber sogar dieser Superlativ schon lange nicht mehr gerecht. Greil Marcus ist längst viel mehr als ein Musikjournalist und Popkenner, seit Büchern wie „Mystery Train. Images of America in Rock’n’Roll Music“ oder „Lipstick Traces. A Secret History of the 20th Century“ ist er einer der großen Kulturhistoriker der Gegenwart, über die man ohne profunde Popkultur-Kenntnisse eigentlich nicht mehr schreiben kann.
In seinem neuen, von Fritz Schneider wieder souverän ins Deutsche übertragenen Essay „Three Songs, three Singers, three Nations“ versucht er sich in diesem Sinne ein weiteres Mal nicht einfach bloß daran, etwas über Musik zu erzählen; es geht um eine Art Biografie des kollektiven Bewusstseins der USA über den Umweg der Geschichte von drei alten – und eher unscheinbaren – Folk-Songs: Bob Dylans „Ballad Of Hollis Brown“, Geeshie Wileys „Last Kind Words Blues“ und Bascom Lamar Lunsfords „I Wish I Was A Mole In The Ground“. Wie üblich bei Greil Marcus ist diese Biografie Amerikas aber natürlich keine fade Spazierfahrt geworden, sondern eine so spannende wie assoziationsreiche Bohrung in die Tiefen der amerikanische Identität, bei der die Überzeugung sehr ernst genommen wurde, dass man sich in Sänger und Songs von dieser Welt verlieren muss, wenn man einer höheren Wahrheit teilhaftig werden will.
JENS-CHRISTIAN RABE
Greil Marcus:
Three Songs, three
Singers, three Nations –
Amerika in drei Liedern.
Aus dem Englischen
von Fritz Schneider.
Wilhelm Fink Verlag,
Paderborn 2016.
152 Seiten, 24,90 Euro.
E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
drei Songs
Der 72-jährige amerikanische Essayist und Popkritiker Greil Marcus ist bestimmt einer der klügsten und originellsten, auf jeden Fall aber der fleißigste Ausleger und Berichterstatter von Leben und Werk Bob Dylans. Über die Jahre wurde er so zum berühmtesten Musikjournalisten der Welt. Seinem umfangreichen Werk wird aber sogar dieser Superlativ schon lange nicht mehr gerecht. Greil Marcus ist längst viel mehr als ein Musikjournalist und Popkenner, seit Büchern wie „Mystery Train. Images of America in Rock’n’Roll Music“ oder „Lipstick Traces. A Secret History of the 20th Century“ ist er einer der großen Kulturhistoriker der Gegenwart, über die man ohne profunde Popkultur-Kenntnisse eigentlich nicht mehr schreiben kann.
In seinem neuen, von Fritz Schneider wieder souverän ins Deutsche übertragenen Essay „Three Songs, three Singers, three Nations“ versucht er sich in diesem Sinne ein weiteres Mal nicht einfach bloß daran, etwas über Musik zu erzählen; es geht um eine Art Biografie des kollektiven Bewusstseins der USA über den Umweg der Geschichte von drei alten – und eher unscheinbaren – Folk-Songs: Bob Dylans „Ballad Of Hollis Brown“, Geeshie Wileys „Last Kind Words Blues“ und Bascom Lamar Lunsfords „I Wish I Was A Mole In The Ground“. Wie üblich bei Greil Marcus ist diese Biografie Amerikas aber natürlich keine fade Spazierfahrt geworden, sondern eine so spannende wie assoziationsreiche Bohrung in die Tiefen der amerikanische Identität, bei der die Überzeugung sehr ernst genommen wurde, dass man sich in Sänger und Songs von dieser Welt verlieren muss, wenn man einer höheren Wahrheit teilhaftig werden will.
JENS-CHRISTIAN RABE
Greil Marcus:
Three Songs, three
Singers, three Nations –
Amerika in drei Liedern.
Aus dem Englischen
von Fritz Schneider.
Wilhelm Fink Verlag,
Paderborn 2016.
152 Seiten, 24,90 Euro.
E-Book 19,99 Euro.
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