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Zvi Yavetz zeichnet in seiner kritischen Biographie von Augustus' Adoptivsohn das Bild einer düsteren, in sich zerrissenen Persönlichkeit. Indem er besonders Tacitus als Quelle auswertet, zeigt er die Vorzüge dieses römischen Kaisers im Bereich des Militärischen und Verwaltungstechnischen, aber auch dessen Schattenseiten als skrupelloser Machtmensch und Despot.

Produktbeschreibung
Zvi Yavetz zeichnet in seiner kritischen Biographie von Augustus' Adoptivsohn das Bild einer düsteren, in sich zerrissenen Persönlichkeit. Indem er besonders Tacitus als Quelle auswertet, zeigt er die Vorzüge dieses römischen Kaisers im Bereich des Militärischen und Verwaltungstechnischen, aber auch dessen Schattenseiten als skrupelloser Machtmensch und Despot.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Noch einmal für Tacitus
Er ist entschleiert: Zvi Yavetz weiß, warum Tiberius reif für die Insel war / Von Karl Christ

Die Publikation von Vorlesungssequenzen zählt zu den charakteristischen wissenschaftlichen Vermittlungsformen der Gegenwart. Solche Vortragsreihen nötigen die Dozenten zur Konzentration auf wesentliche Problemkreise und Forschungsresultate. Zugleich erzwingen sie einen prägnanten Ausdruck und lebendigen Stil, nicht zuletzt den Einsatz wirkungsvoller rhetorischer Elemente. Die Althistorie verdankt diesem Genos glänzende Beiträge von Arnaldo Momigliano, Christian Habicht und Emilio Gabba - um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Zvi Yavetz, der bekannte Althistoriker aus Tel Aviv, hat sich durch seine Münchner Vorträge über "Judenfeindschaft in der Antike" (1997) in diesem Bereich bereits erfolgreich ausgewiesen.

Seine neue Veröffentlichung über den "traurigen Kaiser" Tiberius beruht ebenfalls auf einer zuvor in Tel Aviv, Florenz und München abgehaltenen Vorlesungsfolge. Sie galt einer Thematik, mit der Yavetz seit langem vertraut ist, hatte er doch schon in seinen Büchern über "Plebs and Princeps" (1969), "Caesar in der öffentlichen Meinung" (1979), einer hebräischen Augustusbiografie und wichtigen Spezialstudien das für Caesar wie für den frühen Principat zentrale Problemfeld der politischen und ideologischen Beeinflussung der römischen Öffentlichkeit erforscht, einen Aspekt, der hier nun auch für die Regierung des Tiberius (14 bis 37 nach Christus) näher beleuchtet wird. Dass Yavetz dafür die antiken Quellen, in erster Linie Tacitus und die schriftliche Überlieferung, aber auch Inschriften, Münzen und Papyri ebenso auswertet wie die komplexe moderne Spezialforschung, war zu erwarten.

Der erfahrene Didaktiker und Redner hat für seine Sequenz eine in sich geschlossene Disposition gewählt: Im Mittelpunkt stehen zwei systematische Übersichten über Gesellschaft und Herrschaft sowie über die Außenpolitik und die Provinzialverwaltung der Regierung des Tiberius, die mit guten Argumenten durch die Zäsur des Jahres 26, Tiberius' Übersiedlung nach Capri, gegliedert wird. Ob der "Hauptgrund für diesen Domizilswechsel", wie der alte Geheimrat Ernst Kornemann meinte, darin lag, "dass er, selbst ein Witwer, sich dauernd in der Belagerung von vier Witwen befand, von denen nur Antonia, Germanicus' Mutter, anständig gegen ihn war", sei dahingestellt. Sehr viel stärker dürften wohl Tiberius' ständige Konflikte mit dem Senat und seine Irritationen durch die Öffentlichkeit, die ihm zuwider war, dazu beigetragen haben.

Umrahmt werden die beiden zentralen Kapitel durch die berühmten, schon von Tacitus so stark akzentuierten, dramatischen Vorgänge dieser Regierung, durch die Auseinandersetzung zwischen Tiberius und Germanicus einerseits, Aufstieg und Fall des Prätorianerpräfekten und zeitweilig zweiten Mannes des Regimes, Sejan, andererseits. Die Einleitung der Sequenz, "Verstellung als Methode", gibt bereits das Leitmotiv von Yavetz' Tiberiusbild; knappe Abschnitte über die letzten Lebensjahre des Kaisers sowie über "Ursprünge von Fehlern und Meinungsdifferenzen in der Beurteilung der Herrschaft des Tiberius", kurze bibliographische Nachbemerkungen, Register und Stammbaum runden das Buch ab.

In seiner Vermittlung der Probleme und Kontroversen folgt Yavetz hauptsächlich "dem scharfsinnigen, wortgewandten, kritischen und raffinierten Tacitus", dessen Ansichten wiederholt durch geschickt ausgewählte Zitate vergegenwärtigt sind. Er unterstreicht zu Recht, dass sich bei diesem Autor die "Technik des innuendo, der diskreditierenden Andeutungen über eine Person, als Hauptwaffe in seinen Schriften erweist". Dies zeigt sich schon im ersten Schwerpunkt der Darstellung bei Betrachtung des Machtantritts des Tiberius, der "als Abfolge von Ereignissen, die das Kainsmal von Verbrechen, Betrug, Angst und Heuchelei tragen", verstanden wird. Der peinliche Verlauf der beiden ersten Senatssitzungen nach dem Tode des Augustus, deren angemessenes Verständnis zuerst Dieter Timpe erfasst hatte, dokumentiert die Komplikationen, die damals auftraten. Sie mussten sich notwendig ergeben, weil der Traditionalist Tiberius, für den die augusteische Verfassung unantastbar war, zwar aufrichtig ein enges Zusammenwirken mit dem Senat wünschte, jedoch nicht über die persönlichen Voraussetzungen für seine schwierige Aufgabe verfügte.

In weiteren Schwerpunkten wurden von Yavetz das "populistische" Verhalten des Germanicus im Osten ebenso erfasst wie die Entwicklung der "Majestätsprozesse" oder das Wirken des Tiberius als "verantwortungsvoller und aufgeklärter Administrator". Im Sejankapitel ist die Wendung gegen die angewandte Personengeschichte bemerkenswert: "Vermutungen über die Existenz dieser oder jener Fraktionen fördern das Verständnis des Wesentlichen kaum." Wesentlich war für Yavetz nach wie vor die möglichst exakte Erfassung des taciteischen Tiberiusbildes, eines trotz all seiner Widersprüche vielschichtigen Bildes, das dennoch die grundlegende Bedeutung der dissimulatio, das "Verbergen tatsächlicher Absichten", bei Tiberius überzeugend profiliert.

Wie immer es um die vielfach nicht eindeutig bewiesenen Akte der Grausamkeit und um die unbeweisbaren sexuellen Exzesse des alten Mannes bestellt ist, von Mommsen bis zu Syme haben sich die großen Historiker der Neuzeit immer wieder um die angemessene Würdigung des Tiberius bemüht. War er für Mommsen "der konstitutionellste Monarch, den Rom gehabt hat", so für Ranke "ein geborener Herrscher", für Burkhardt der Menschenverächter, der eine "Staatsfiktion" aufrechterhielt, für Kornemann "der letzte Römer alten Stils", für Syme endlich "das Opfer des Augustus". Yavetz hat das wohl nie zum Abschluss kommende Problembündel um Tiberius in einer erfrischenden Weise auch für einen größeren Leserkreis eindrucksvoll vermittelt.

Sein Büchlein trägt den Untertitel "Biographie". Das ist es gewiss nicht. Denn obwohl Yavetz selbst darauf hinwies, dass die Vertreter des "psycho-historischen Ansatzes" ihre Analyse des Tiberius mit Recht schon mit dessen Jugend beginnen, wurden die Jugendjahre und vor allem die militärischen Leistungen und Erfolge, die den Mittfünfziger bei seinem Regierungsantritt entscheidend geprägt hatten, bei ihm nicht ausführlich genug berücksichtigt.

Dass gerade einen der bedeutendsten Heerführer der Epoche die Zurücksetzungen und Demütigungen durch Augustus besonders belasteten, ist evident. Ebenso einsichtig wohl auch, dass dieser Mann des Befehlens und Gehorchens nicht für ein System taugte, das durch die Verschleierung der Macht und die Stilisierung der Herrschaft gekennzeichnet war, fort und fort die ideologische Beeinflussung aller Schichten und Kräfte sowie die permanente Gewinnung der breiten Öffentlichkeit erforderte. Tiberius ist nicht nur an seinem Naturell, sondern auch an diesem System gescheitert, zu dessen Stabilisierung er gleichwohl beitrug.

Zvi Yavetz: "Tiberius". Der traurige Kaiser. Biographie. Aus dem Hebräischen von David Ajchenrand. Verlag C. H. Beck, München 1999. 197 S., geb., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Als "Biographie", wie es der Untertitel ankündigt, könne das Buch schon deshalb nicht gelten, weil es kaum über die Jugend des Kaisers und seine Zeit als Feldherr spricht, meint Karl Christ, aber als Einblick in die komplizierte Person des Augustus-Nachfolgers schätzt er das Buch sehr. Gerade die Herkunft aus einer Vorlesungsreihe verleihe ihm etwas Konzises und rhetorisch Gelungenes. Yavetz stütze sich in seiner Deutung des Tiberius vor allem auf eine subtile Lektüre des Tacitus, aber auch auf viele andere Quellen. Die Rolle der Öffentlichkeit, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Politik der Zeit würden ausführlich gewürdigt.

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