Ismaïl, eine Koryphäe der Neurochirurgie in Rabat, verlässt seine schöne, warmherzige Frau Médée, eine Bildhauerin, Mutter ihrer drei Kinder, nach über dreißig Jahren, um zu Meriem zu gehen, die ihn vor der Grenzkontrolle eines internationalen Flughafens erwartet. Brutal, ohne jede Erklärung, in der Hoffnung, damit den Knoten von Begehren, Verrat und Gewalt, der sie alle zu ersticken droht, so ehrenhaft wie möglich zu zerschlagen.Als Gefangener eines grenzenlosen Begehrens zu der jungen Geliebten, auch sie Neurochirurgin, ist er nun verdammt, alle Höllenkreise der Vergangenheit zu durchlaufen: den Verlust eines erfüllten Familienlebens, die Traumata seiner Kindheit, das Verschwinden des Vaters, eines Oppositionellen, die Krankheit des Bruders, das Webgeflecht der mütterlichen Hoffnung. Gerichthalten über sich als Mann, der zu größter Feigheit und noch größerer Liebe fähig ist. In einer atemberaubend schönen Sprache lässt sich Yasmin Chami ein in die Körper der Männer und der Frauen, zeichnet ein dramatisches Bild von Marokko in den letzten 60 Jahren, geprägt von Repression und Gewalt. Doch mit zärtlichem Blick auf ihre Figuren und die Schönheit der Landschaften. Das Schicksal eines Landes, von den Frauen auf Händen getragen, während die Männer sich in Utopien ergehen, im ewigen Wettlauf um die Macht.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Christoph Vormweg bekommt mit Yasmine Chamis Roman über eine klassische Eheflucht mehr als nur eine Studie des Begehrens. Der Roman, der nach Chamis "Medee cherie" das Ehedrama nun aus der Sicht des Mannes, eines erfolgreichen Hirnchirurgen, erzählt, entwickelt seine Spannung laut Vormweg zum einen aus der Tatsache, dass die Autorin das Private in den Umbrüchen in der marokkanischen Gesellschaft spiegelt, und zum anderen aus seinen subtilen Charakterzeichnungen. Der Leser erfährt so unter anderem, wie ein Mann der marokkanischen Mittelschicht mit seinem plötzlichen Begehren für eine viel jüngere Kollegin umgeht, erklärt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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