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Gated. Man kann es nicht weit genug denken, was das eigentlich heißt."Zoologische Gärten sind Schnittstellen, die von dem Leben der eigenen mit der je anderen Art zeugen. Ihre Gestaltung spiegelt das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die ihren Platz in der Evolution immer neu definiert. Beim Besuch eines Zoos verlangt es uns heute längst nicht mehr nach einem Abbild symbolischer Ordnung, wie sie noch die Menagerie Ludwigs XIV. verkörperte. Dessen Baumeister Louis Le Vau ordnete die Gehege in sogenannten Logen an. Der absolutistischen Herrschaftsidee entsprechend, richtete er diese…mehr

Produktbeschreibung
Gated. Man kann es nicht weit genug denken, was das eigentlich heißt."Zoologische Gärten sind Schnittstellen, die von dem Leben der eigenen mit der je anderen Art zeugen. Ihre Gestaltung spiegelt das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die ihren Platz in der Evolution immer neu definiert. Beim Besuch eines Zoos verlangt es uns heute längst nicht mehr nach einem Abbild symbolischer Ordnung, wie sie noch die Menagerie Ludwigs XIV. verkörperte. Dessen Baumeister Louis Le Vau ordnete die Gehege in sogenannten Logen an. Der absolutistischen Herrschaftsidee entsprechend, richtete er diese konzentrisch zum Betrachterstandpunkt des Sonnenkönigs aus. Gerechte Hege erbaut uns heute mehr als gebaute Hegemonie. Nicht positivistischer Bildungshunger treibt uns, eher schon suchen wir in den Landschaftskulissen nach Reservaten der Sehnsucht. So hat sich das Projekt Zoo gleichsam invertiert: Künstlich bauen wir en détail wieder auf, was wir en gros zerstören. Große Freigelände ersetzen einzelne Gehegebauten und versammeln Lebensgemeinschaften unterschiedlichster Klimazonen. Der Zoo bleibt ein gerissenes Gelände, gleichermaßen zerrissen wie raffiniert reißerisch. Kulisse einer Menschensehnsucht, eingebettet in eine Urbanität, die er vergessen machen soll, obgleich sie ihn erst ermöglicht. Letztlich konkurriert er schon heute mit den Freigeländerevieren an den Rändern der Ballungsgebiete, die wiederum längst mit den angestammten Lebensräumen der letzten noch wild lebenden Tiere konkurrieren." Sabine Scho
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Autorenporträt
Matthias Holtmann, 1950 in Kamen/Westfalen geboren. Studium an der Musikhochschule Köln, danach mehrere Jahre Schlagzeuger der erfolgreichen deutschen Rockband "Triumvirat", danach Autotester bei Porsche, Comedian, Moderator, Motorjournalist, jahrelang Musikchef bei SDR 3, danach Moderator und Programmchef bei SWR 3, jetzt SWR 1. Erfinder und Regisseur von "Pop & Poesie in Concert", der SWR-Show, in der Songtexte übersetzt, inszeniert und live vor Publikum gespielt werden.Sabine Scho, 1970 in Ochtrup/Westfalen geboren, lebt heute in Berlin und São Paulo. 2012 wurde sie mit "Anke Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis" der Deutschen Schillerstiftung ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es: "Sabine Scho, die auch fotografiert und zeichnet, malt und performt, trägt in ihrer lyrischen Sprache Worte aus allen Bereichen und Sprachen zusammen und erreicht dadurch eindrucksvolle Wortneuschöpfungen. Sie überträgt Verfahren der Fotografie und anderer Sparten der bildenden Kunst in ihre Lyrik, die beobachtet, konstatiert, spielt und provoziert, mit bebender Kühle und sachlicher Erotik lockt und trifft."
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein bisschen wie im Zoo fühlt sich Beate Tröger beim Lesen der Gedichte von Sabine Scho. Zwischen Form und Entfesselung scheint ihr nämlich die Sprache sich hier zu winden. Das ergibt frische Räume für Tröger, in denen sich Sprache spielerisch entfaltet. Darüber hinaus bietet der Band als Ergebnis zahlreicher Zoobesuche der Autorin kluge Überlegungen zum Thema Mensch und Tier im Zoo, die Tröger wiederum auf das Gedicht zurückbringen: Jagen und Sammeln und Beherrschung des Vorgefundenen hier wie dort, so erklärt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2014

Nass in tuscheschwarzen Teichen

Von Rilkes Panther bis zur Sandburg von Jimi Hendrix: Sabine Schos anspielungsreicher und wenig handzahmer Gedichtband über Tiere in den Zoos dieser Welt.

Rainer Maria Rilkes "Der Panther" zählt zu den bekanntesten Tiergedichten der Moderne. Die lyrische Betrachtung der im Zoo gefangenen Raubkatze, die Rilke zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in streng rhythmisierte Verse gefasst hat, nimmt am Ende eine überraschende Wendung: Das angeschaute Tier wird zum Schauenden. "Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille / sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, / geht durch der Glieder angespannte Stille - / und hört im Herzen auf zu sein." Mehr als überraschend, ja beängstigend die Vorstellung, ein Tier könne den Menschen beobachten und bewerten, kehrt sich doch in ihr die Annahme um, der Mensch sei dem Tier überlegen; literarisch zugespitzt findet sie sich in Hermann Hesses Erzählung "Ein Mensch mit Namen Ziegler", deren Protagonist verrückt wird, weil er nach dem Schlucken einer Pille die Sprache der Zootiere versteht.

Im Tier, insbesondere im Zootier, spiegelt sich der Mensch, in den überschaubaren Grenzen der Zooarchitektur, ihren Höllen oder paradiesischen Sphären, das Selbstverständnis einer Gesellschaft. Solche Überlegungen liegen den in "Tiere in Architektur" versammelten Erkundungen der 1969 geborenen, nach Jahren in São Paulo heute in Berlin lebenden Sabine Scho zugrunde. Ihrem Gedicht- und Fotoband, der die Quintessenz zahlreicher Erkundungstouren der Autorin durch die Zoos der Welt versammelt, hat Scho einen Essay zur Geschichte und Phänomenologie des Zoos und zum Verhältnis des Menschen zum Zootier vorangestellt. Im Zoo sei die Hegemonie heute der Hege gewichen, hätten Konzepte der naturnahen und artgerechteren Haltung die beengte und nicht artgerechte Schautierhaltung weitgehend verdrängt. Dennoch könne es sich kein Zoo der Welt leisten, seine Tiere den Blicken der Menschen vorzuenthalten. Wer die bis heute übrig gebliebenen winzigen Käfige, die im 1752 von Maria Theresia angelegten Wiener Zoo zum Einsatz kamen, mit den riesigen Freiflächen aktueller Tiergärten vergleicht, kann Schos Überlegungen konkret nachvollziehen.

Ein Moment von Naturbeherrschung bleibt aber noch dem modernsten Zoo eingeschrieben. Es ist durchaus dem dichtenden Jagen und Sammeln, dem Anordnen sprachlichen Materials vergleichbar. Gegenüber Rilkes Gedicht ist bei Scho der Ordnungswille wesentlich weniger ausgeprägt, auch hier hat die Hege die Hegemonie zurückgedrängt. In ihren Gedichten, von denen sich viele erst bei genauerem Hinsehen als solche, nämlich als Prosagedichte, zu erkennen geben, schweift der Blick von der Betrachtung der Tiere ins Philosophische oder Assoziative. Das Sprachmaterial entfaltet sich spielerisch. Fremde Verse oder Zitate aus Popsongs mischen sich in die Verse, liefern Motti. "Castles made of Sand" von Jimi Hendrix steht dem Gedicht "Sanddollars" voran, das Verse über seltsame Quallen mit Bildern aus Andersens Märchen "Die kleine Seejungfrau" zu einem traumartigen lyrischen Tauchgang über Sterblichkeit und Vergänglichkeit werden lässt.

Einigen Gedichten hat Scho Bilder zugeordnet. Sie sind nicht nur Illustrationen, sondern werden durch die Texte mit zusätzlicher Bedeutung aufgeladen, wie sie umgekehrt den Gedichten einen erweiterten Deutungsraum eröffnen. Scho praktiziert ein vexierendes Verfahren, das sich auf dem Schutzumschlag in einem Kippbild andeutet, das, je nach Fokussierung, als Kamera oder Käfig erscheint.

In dem Gedicht "Otter im Eimer", dem zwei Fotografien solcher Tiere im Zoo von Santa Barbara nachgestellt sind, liest man: "Nass in nass gleich invertierten chinesischen Zeichen schwimmen wir in tuschschwarzen Teichen, Otter aus Grasschrift, wie Chinesen kalligrafische Schnellschriften bezeichnen und ganz im Bild aufgehen." Die angeschauten Tiere gehen ein ins Gedicht, das über die Beschreibungsebene hinaus Aufschluss gibt über Schos poetisches Verfahren: "Wir schreiben den Text in die Tiefe eines durchlässigen Elements und verwischen beim Schreiben bereits jede Spur, womit lässt sich das noch vergleichen?"

In "Ibis mit Kopftuch" heißt es durchaus ironisch: "Es wäre ganz still auf diesem Planeten, wenn nur die begabtesten Vögel sängen, darum muss es welche geben, die redlich kreischen." In Schos Gedichten, in denen sich sinnliche Konkretion und Reflexion klug mischen, kommt den Lesern die Sprache nicht unbedingt näher. Man sieht, wie sich die Wörter dieser wenig handzahmen Verse wie scheue Tiere zwischen Domestizierung und Entfesselung bewegen, und betrachtet sie nicht selten von fern, aber verwundert und verzaubert.

BEATE TRÖGER

Sabine Scho: "Tiere in Architektur". Gedichte.

kookbooks Verlag, Berlin 2013. 128 S., br., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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