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WAS WIR TIEREN SCHULDIG SIND - EINE RADIKALE ETHIK
Hat das Leben eines Tieres einen anderen Wert als das eines Menschen? Nein, sagt die Harvard-Professorin Christine M. Korsgaard und begründet in ihrem Buch "Tiere wie wir", warum Tiere nicht getötet oder benutzt werden dürfen. Sie belässt es aber nicht bei der abstrakten Analyse, sondern erörtert an konkreten Beispielen, warum die handelsüblichen Rechtfertigungen von Massentierhaltung und Tierversuchen moralisch unhaltbar sind. Ihr radikales Buch setzt einen neuen Maßstab in der Debatte und gilt als wichtigster Beitrag zur Tierethik seit…mehr

Produktbeschreibung
WAS WIR TIEREN SCHULDIG SIND - EINE RADIKALE ETHIK

Hat das Leben eines Tieres einen anderen Wert als das eines Menschen? Nein, sagt die Harvard-Professorin Christine M. Korsgaard und begründet in ihrem Buch "Tiere wie wir", warum Tiere nicht getötet oder benutzt werden dürfen. Sie belässt es aber nicht bei der abstrakten Analyse, sondern erörtert an konkreten Beispielen, warum die handelsüblichen Rechtfertigungen von Massentierhaltung und Tierversuchen moralisch unhaltbar sind. Ihr radikales Buch setzt einen neuen Maßstab in der Debatte und gilt als wichtigster Beitrag zur Tierethik seit Peter Singer.

Christine Korsgaard setzt bei der Grundfrage an, was der Wert eines Lebens ist. In einer klar vorgetragenen, von Kants Moralphilosophie und einer Theorie des Guten nach Aristoteles ausgehenden Argumentation gelangt sie zu weitreichenden Schlussfolgerungen: Menschen sind nicht wichtiger als Tiere, und unsere moralische Natur macht uns Tieren auch nicht überlegen. Stattdessen ist es unsere Empathie, die uns erkennen lässt, dass Tieren als bewussten Wesen ebenso wie Menschen ein "Zweck an sich selbst" im Sinne Kants inne sind. Damit erweitert sie Kants Ideen einer moralischen Gemeinschaft grundlegend: Menschen haben nicht nur gegenüber Mitmenschen, sondern auch gegenüber Tieren moralische Pflichten. Anhand praktischer ethischer Fragen veranschaulicht die Philosophin schließlich, warum das Erniedrigen oder Töten von Tieren in keinem Fall moralisch gerechtfertigt ist.

"Korsgaards vertritt unbestreitbar eine starke und wenn sie sich durchsetzt, dann wird sie eine der größten moralischen Transformationen in der Geschichte der Menschheit zur Folge haben."
Thomas Nagel, The New York Review of Books

Dürfen wir das Wohl der Tiere unseren Bedürfnissen unterordnen? Die Achtung des Tierwohls als ethische Grundfrage unserer Gesellschaft
Ist die Würde der Tiere unantastbar oder heiligt der Zweck die Mittel?
Das bedeutendste Werk zur Tierethik seit Peter Singer
Die Autorin setzt neue Maßstäbe in der Debatte um den Tierschutz
Autorenporträt
Christine M. Korsgaard ist seit 1991 Professorin für Philosophie an der Harvard University. Zuvor hat sie unter anderem an der Yale University, der University of California at Santa Barbara und der University of Chicago gelehrt. Sie ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und arbeitet zu Moralphilosophie, praktischer Vernunft, Handlungsfähigkeit und Tierethik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2021

Was würden Schweine mit Vergnügen lesen?

Aufessen gilt nicht: Christine Korsgaard erläutert, warum wir nicht nur Menschen, sondern auch Tieren gegenüber moralische Pflichten haben.

Von Kai Spanke

Der britische Philosoph John Stuart Mill sagte einst: "Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein." Im Mittelpunkt dieser Erkenntnis stehen die "höheren Freuden". Demnach sei es zum Beispiel erstrebenswerter, ein Gedicht zu lesen, als Kartoffeln zu essen. Was Tieren Freude bereitet, wissen wir Mill zufolge sehr genau, immerhin sind wir selbst Tiere. Die Vorzüge der Kunst, Wissenschaft und Moral seien jedoch allein Menschen zugänglich, und obwohl die Fähigkeit zu diesen Dingen oft mit bestimmten Formen der Unzufriedenheit einhergehe, würden wir niemals mit einem Tier tauschen wollen.

Nun fragt sich umgekehrt, ob es für das Schwein besser wäre, ein Mensch zu sein, weil es dann Zugang zu Goethes Dramen und Bachs Violinkonzerten hätte. Ebenso könnte man darauf verweisen, dass Schweine gerne in Stroh wühlen, und anschließend behaupten: In Stroh zu wühlen ist etwas Kostbares, das unserer Existenz fehlt und sich jedem erschließen würde, der sich in ein Schwein verwandelt. Es wäre mithin besser für uns, wenn wir Schweine wären.

Den Einwand gegen Mill bringt Christine Korsgaard in ihrem Buch "Tiere wie wir" vor. Sie macht es sich jedoch nicht zu leicht und fragt lieber, ob Dichtung nicht tatsächlich zu den höheren Freuden gehöre. Die Antwort: Was eine Freude laut Immanuel Kant "höher" macht, ist, dass sie unser Vermögen befördert, noch größere Freuden derselben Art zu empfinden. "Dann müssen wir aber diese Fähigkeit schon besitzen, bevor die Freude als eine höhere Freude für uns gelten kann. Da dem Schwein diese Fähigkeit abgeht, ist Dichtung für ein Schwein keine höhere Freude."

Ein Lebewesen hat es nur dann besser als ein anderes, wenn es etwas gibt, das für beide gut ist - und das eine verfügt darüber, während das andere leer ausgeht. Mill glaubte, wir hätten Schweinen gegenüber einen Vorteil aufgrund von Dingen, die nur für uns gut sind. Dieser Gedanke ist Korsgaard zufolge "unsinnig". Es lasse sich nicht belegen, dass etwa das bestmögliche Leben eines Menschen wünschenswerter ist als das bestmögliche Leben eines Schweins oder eines Hundes. Will ich ein Hund sein? Nein. Findet mein Hund sein Leben gut? Wahrscheinlich schon.

Korsgaards analytisch kleinteilige Reflexionen verlangen dem Leser einiges an Konzentration ab. Doch der Ertrag ist beachtlich, da sie mit einer theoretischen Klarheit argumentiert, die viele ihrer Kollegen vermissen lassen, sobald es um Tiere geht. Die 1952 geborene amerikanische Philosophin hat sich ihre Sporen mit Beiträgen zu ethischen Problemen verdient. Nun hebt sie hervor, dass die meisten moralphilosophischen Fragen im Alltag kaum eine Rolle spielen. In der Regel dienten sie dazu, die Charakteristika verschiedener Theorien zu illustrieren.

Allerdings treffen wir täglich Entscheidungen darüber, wie wir mit Tieren umgehen. Das gilt für unsere Essgewohnheiten und Kleidung genauso wie für die Wahl unserer Pflegeprodukte. "Ich glaube, viele Leute denken, Tiere seien ganz einfach nicht so wichtig wie Menschen, und darum sei es auch weniger wichtig, was mit ihnen geschieht", schreibt Korsgaard. Die Zahlen sprechen für sich: In den Vereinigten Staaten werden pro Stunde rund 23 Millionen Hühner und 268 000 Schweine geschlachtet. Das sind 266 Hühner pro Sekunde, 24 Stunden am Tag.

Korsgaard macht bei ihrer Beschäftigung mit Mill deutlich, dass ein Schweineleben etwas ganz anderes ist als ein Menschenleben. Das bedeute aber nicht, dass unsere Existenz mehr wert sei. Schließlich könne nichts wichtig sein, ohne wichtig für jemanden zu sein: "Dinge haben eine Bedeutung für Geschöpfe, aber die Geschöpfe selber stehen in keiner absoluten Rangordnung ihrer Bedeutung." Selbst wenn es einen Gott gäbe, der uns eine Herrscherrolle zugedacht hat, sei nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum das für eine Kuh von Belang sein sollte: "Wenn Werte an den Standpunkt der Wertenden gebunden sind, kann auch Wertschätzung durch einen Gott uns bloß einen gebundenen Wert verleihen."

Letztlich liege es auf der Hand, dass für Tiere, die Nahrung zu sich nehmen und sich um ihren Nachwuchs kümmern, die also nach einer Art des "Wohlfunktionierens" streben, das eigene Leben ein Gut ist. Zudem sollte jeder von uns das haben, was Kant "Zweck an sich selbst" nennt. Sobald wir einem Geschöpf diesen Wert zusprechen, sei es erforderlich, empathisch zu sein und sein Wohl im Auge zu behalten. Endet ein Schweineleben, endet alles, was gut und wertvoll für das Schwein ist. In dem Moment, da wir ein Schwein verletzen oder töten, missachten wir seinen Zweck an sich selbst.

Stimmt es, dass wir Pflichten gegenüber Tieren haben, dürfen wir ihnen nicht nur kein Leid zufügen, wir sollten sie auch vor Übeln bewahren. Daraus ergibt sich ein Paradox. Erstens: "Es ist unsere Pflicht, alle Tiere zu Haustieren zu machen, da wir Wildtiere nicht vor natürlichen Übeln schützen können." Zweitens: "Es ist unsere Pflicht, alle Tiere zu Wildtieren zu machen, da wir nicht vermeiden können, Haustieren selbst zu schaden."

Wann immer Korsgaard solche Probleme angeht, schwingt Kants Moralphilosophie im Hintergrund mit. Damit setzt sie sich von Peter Singer ab, der die tierethische Debatte mit dem Buch "Animal Liberation" 1975 in Schwung brachte. Singer ist Utilitarist und betrachtet Tiere als bloße Gefäße für wertvolle Empfindungen. Es spielt keine Rolle, ob ein solches Gefäß zerbricht, solange sich der Inhalt in einen anderen Behälter umfüllen lässt.

Da Menschen nicht nur intelligent sind, sondern zudem über Rationalität verfügen, sind sie aktive Mitglieder der moralischen Gemeinschaft. Tiere hingegen folgen oft Instinkten und sind sich der Beweggründe ihrer Handlungen nicht bewusst. Im Gegensatz zu Kant zieht Korsgaard daraus den Schluss, Tiere seien passive Mitglieder der moralischen Gemeinschaft. Folglich sollten sie nicht gegessen und für Versuche benutzt, dafür aber mit Respekt und Fürsorge behandelt werden. Zu extremen Positionen lässt sich die Autorin nicht hinreißen. Sie findet es beispielsweise in Ordnung, Haustiere zu halten, solange man sie nicht misshandelt.

Über Hunde, die zum Militärdienst eingezogen werden, macht sich Korsgaard ebenso Gedanken wie über den Umstand, dass sich viele Zeitgenossen mehr um einzelne Spezies sorgen als um individuelle Tiere. Damit wäre sie wieder bei einer ihrer wichtigsten Überlegungen: Falls es stimmt, dass nichts gut sein kann, was nicht gut für irgendein Lebewesen ist, muss man bestreiten, dass sich vernünftig vom intrinsischen Wert einer Art sprechen lässt. Mit ihrem Vorschlag einer an Kant angelehnten Tierethik hat sich Korsgaard bislang vor allem im akademischen Bereich hervorgetan. Dennoch kann sie durchaus auch das Interesse eines breiteren Publikums beanspruchen.

Christine M. Korsgaard: "Tiere wie wir". Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben. Eine Ethik. Aus dem Englischen von Stefan Lorenzer.

C. H. Beck Verlag, München 2021. 346 S., geb., 29,95 [Euro].

Erscheint am 18. März.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Tim Caspar Boehme ist interessiert an Christine M. Korsgaards Thesen in ihrem Buch "Tiere wie wir". Die US-amerikanische Philosophin, Ethikerin und Kant-Interpretin stellt darin die altbekannte und universale Frage, ob es in Ordnung ist, Tiere zu essen, informiert Boehme. Korsgaards Ansatz ist ihm zufolge reißerisch, mitunter auch durch die Frage, ob der Mensch für tierische Gerechtigkeit aussterben sollte. Die Schlussfolgerung der abstrakten Überlegungen der Philosophin findet der Rezensent ziemlich rigoros. Er erkennt jedoch, dass ihr Problembewusstsein ausgeprägt ist und fühlt sich nicht von ihr darauf festgelegt, für alle Tiere Verantwortung zu tragen - nur für die, mit denen er interagiert.

© Perlentaucher Medien GmbH