Die Qualität der Brunetti-Romane von Donna Leon Romane hat in den letzten Jahren stark differiert. "Tierische Profite" nun ist der 21. Band der Reihe, und in diesem findet die Autorin eindeutig zu alter Stärke zurück: der Fall ist brisant, die Beschreibung der 'Serenissima' gelungen und das
Verhalten der Hauptfiguren gewohnt authentisch.
Eine männliche Leiche mit deformiertem Oberkörper wird…mehrDie Qualität der Brunetti-Romane von Donna Leon Romane hat in den letzten Jahren stark differiert. "Tierische Profite" nun ist der 21. Band der Reihe, und in diesem findet die Autorin eindeutig zu alter Stärke zurück: der Fall ist brisant, die Beschreibung der 'Serenissima' gelungen und das Verhalten der Hauptfiguren gewohnt authentisch.
Eine männliche Leiche mit deformiertem Oberkörper wird aus dem Kanal gezogen. Die Untersuchung durch Commissario Brunetti und seinen Assistenten Vianello ergibt, dass es sich bei dem Erstochenen um den an einer seltenen Krankheit leidenden Tierarzt Nava handelt, der neben der Arbeit in seiner Kleintierpraxis auch als Fleischbeschauer in einem Schlachthof arbeitete. Dort war er bei den angelieferten Tieren für die Überprüfung ihres Gesundheitszustandes zuständig und musste das Fleisch für den Verzehr freigeben.
Mit Hilfe der Computerkenntnisse und den Kontakten seiner Mitarbeiterin Signorina Elettra gelingt es Brunetti recht zügig, den Mord entsprechend einzuordnen und er findet heraus, dass auch in den italienischen Schlachthöfen Vorteilsnahme und Gier das treibende Element für skrupelloses Verhalten ist.
Donna Leon legt einmal mehr den Finger auf die Wunde, wenn sie, wie bereits der Titel vermuten lässt, sehr realitätsnah die Machenschaften der Fleischindustrie aufzeigt. Schonungslos beschreibt sie die Zustände in einem Schlachthaus, das der Commissario und Vianello unter die Lupe nehmen. Und Brunetti kann einmal mehr nachvollziehen, warum seine Tochter Chiara Vegetarierin ist und Vianello ihm vom Rindfleischverzehr abrät.
Aber dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass eine gewisse Resignation bei Brunetti zu spüren ist. Er selbst hat hohe moralische Grundsätze, muss aber zu seinem Leidwesen immer wieder feststellen, dass das Verhalten derjenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, in erster Linie von Profitgier und Eigennutz geprägt ist.
Wie immer werden aber auch andere Themen gestreift. Ob es nun um den Eingriff in das Ökosystem der Lagune durch die Fluttore, die Überfremdung von Venedig oder um unsinnige Förderprogramme der EU geht – die Autorin bezieht Stellung, wobei sie nicht nur von einem ethischen, sondern ganz deutlich auch von einem politischen Standpunkt aus argumentiert.
Mit "Tierische Profite" legt Donna Leon einmal mehr einen nicht nur spannenden, sondern stellenweise auch schockierenden Kriminalroman vor, der den Leser zum Nachdenken anregt. Denn so weit hergeholt scheinen mir die Ereignisse rund um den Tod des Tierarztes Nava nicht zu sein.