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Ein Ausgrabungscamp in Frankreich: Hier befinden sich vier Ruinen aus dem 14. Jahrhundert, Spuren des Hundertjährigen Kriegs. Die Genauigkeit des Aufrissplans eines der Gebäude weckt den Argwohn des Geschichtsprofessors Edward Johnston. Er mutmaßt, dass die amerikanische Firma, die sein Forschungsprojekt seit Jahren unterstützt, eine Zeitmaschine entwickelt hat und bereits Mitarbeiter in die Vergangenheit geschickt hat. Er fliegt in die USA und wenige Tage später erreicht seine Studenten die Nachricht, ihr Professor sei ins Mittelalter gereist und sie sollten ihn zurückholen. Ein alter…mehr

Produktbeschreibung
Ein Ausgrabungscamp in Frankreich: Hier befinden sich vier Ruinen aus dem 14. Jahrhundert, Spuren des Hundertjährigen Kriegs. Die Genauigkeit des Aufrissplans eines der Gebäude weckt den Argwohn des Geschichtsprofessors Edward Johnston. Er mutmaßt, dass die amerikanische Firma, die sein Forschungsprojekt seit Jahren unterstützt, eine Zeitmaschine entwickelt hat und bereits Mitarbeiter in die Vergangenheit geschickt hat. Er fliegt in die USA und wenige Tage später erreicht seine Studenten die Nachricht, ihr Professor sei ins Mittelalter gereist und sie sollten ihn zurückholen. Ein alter Menschheitstraum rückt in greifbare Nähe. Doch bald müssen die Zeitreisenden in den Wirren des Hundertjährigen Kriegs ums Überleben kämpfen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Noch drei Sekunden bis zur Gegenwart
Die Zeitmaschine tickt rückwärts: Der Erfolgsschriftsteller Michael Crichton treibt einen Tunnel ins Mittelalter und stößt auf den Neuen Markt

Michael Crichton verdankt seinen größten Erfolg einem altertümlichen Gerät, das er vom Rost befreit und auf den neuesten technischen Stand gebracht hat: der Zeitmaschine, die seit den Tagen von H. G. Wells im Depot verstaubte. Bei der ersten Inbetriebnahme ließ der Schriftsteller die Maschine ihre Passagiere in einer vorzeitlichen Welt versenken, in der sie Dinosauriern ins lidlose Auge, vor allem aber in den offenen Schlund schauen mussten. Aus dem Buch "Jurassic Park" von 1990 wurde einer der erfolgreichsten Filme, die je produziert wurden. Seine Folgen waren in jedem Kinderzimmer zu beobachten, auf Zahnbürsten, Unterhemden und Schultaschen, in ganzen Zoos von hässlichen Tieren, die auf den Fensterbänken saßen.

Dieser Erfolg hatte einen offensichtlichen Grund: Man hatte die Ungeheuer gesehen, als wäre man ihr Zeitgenosse gewesen. Seit diesem Buch und diesem Film ist es gleichgültig, ob die kühne wissenschaftliche Idee, aus dem Blut in den Saugrüsseln kleiner, in Bernstein eingeschlossener Insekten die Tierwelt des Erdmittelalters zurückzuzaubern, eine Phantasie bleiben wird. Die Welt hatte erlebt, wie die Vergangenheit sein wird. Seit "Jurassic Park" wissen wir, wie es sich in Urzeiten lebt. Diese Geschichte hat den Platz einer Erfahrung eingenommen: Wenn es denn sein soll, wird es eben wieder Dinosaurier geben.

Archaisch geht es auch im neuen Roman zu: "Die Klinge sauste nach unten, zerteilte Fleisch, grub sich in die Knochen und blieb dort stecken." Doch noch ist der grüne Ritter der grünen Kapelle nicht tot, noch ist Kraft in seinen Armen. Offenbar erfordert es Geschick, einem Menschen den Kopf abzuschlagen. "Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Zähne zerbrochen und faulig. Läuse krabbelten in seinem Bart zwischen entfärbten Essensresten umher. Er stank nach Verwesung." Näher ist man einem solchen Menschen selten gekommen.

Bei so viel Nähe steckt hat sich einer etwas gedacht: "Früher oder später", lässt Michael Crichton den Chef einer Computerfirma, den großen Schurken seines jüngsten Romans, sagen, früher oder später werde die Künstlichkeit der ununterbrochenen Unterhaltung "die Leute dazu bringen, dass sie Authentizität suchen". Nichts aber ist authentischer als ein stinkendes Maul und ein abgeschlagener Kopf. Einmal noch klappt der grüne Ritter seinen Unterkiefer herunter, und dann ist es vorbei.

Im Roman "Timeline", dem zweiten Versuch mit der Zeitmaschine, landen die Reisenden in einer viel weniger entfernten Vergangenheit, auf fast schon bekanntem Terrain, im Frankreich des ausgehenden vierzehnten Jahrhunderts, und auch diese Entscheidung berührt eine Erfahrung: Der junge Präsident der Computerfirma ist den feudalen Kriegsherren in Kälte, Kalkül und Niedertracht mehr als ebenbürtig, die eine Epoche ist, wie die andere, von einem Aufbruch in eine neue Technik beseelt, und in beiden Zeiten widmet man sich mit ganzem Herzen der Selbstdarstellung, der aufwendigen Präsentation des einzelnen Menschen durch die Mode. Ein moderneres Mittelalter lässt sich nicht finden, und Michael Crichton beharrt darauf, "dass wir in keiner Weise besser sind". Die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman hat das Spätmittelalter "a distant mirror", einen "fernen Spiegel", unserer eigenen Zeit genannt. Jene Epoche teilt mit der unsrigen auch das Interesse am physischen Körper. Einschließlich des Interesses an abgeschlagenen Köpfen.

Lauf! So lautete die Devise in "Jurassic Park", lauf schneller, lauf um dein Leben! Lauf, heißt die Botschaft auch in diesem Buch, und: "O Gott, waren diese Kerle zäh!" Umberto Eco mochte sich mit seinen Mönchen in den Rätseln eines Klosters herumtreiben und nach einem Buch suchen, das es nicht gibt. Hier aber herrschen eindeutige Verhältnisse. Hier ist Krieg, und das, was in dieser Geschichte passiert, mag noch so unwahrscheinlich sein: Es bleibt kein Atem, um sich davon verwirrt zu zeigen. Denn schon wird ein Breitschwert geschwungen, schon müssen die Helden wieder den Kopf einziehen und rennen, rennen, rennen. Für den, der überleben will, gibt es keine Geschichte, und es ist ihm gleichgültig, ob das Schießpulver schon erfunden ist oder der bäuerliche Bogenschütze das Ende des berittenen Adligen bedeutet. Am Ende geht es nur um das Entkommen. Michael Crichton hat die Zeitmaschine nicht entrostet, um mit ihr in die Zukunft aufzubrechen oder mit der Geschichte abzurechnen. Er nimmt sie in Betrieb, um den einzelnen Menschen das Laufen zu lehren. Rennend schlagen sich seine Helden durch mehr als 350 Seiten.

Michael Crichtons neue Geschichte ist schnell erzählt: Ein junger, genialer, unendlich reicher Unternehmer der Computerindustrie hat in der Wüste von Arizona ein Labor eingerichtet. Dort entstehen Geräte, die so anders und so leistungsfähig sein sollen, dass man mit ihnen durch die Zeit reisen können soll - bevorzugt ins Périgord des Spätmittelalters, denn zwischen englischen Rittern und französischen Briganten will der skrupellose Mogul einen Themenpark errichten: "Die Zukunft liegt in der Vergangenheit - und bei dem, der die Vergangenheit kontrolliert." Ein Historiker, Professor an der Universität Yale, geht bei den Arbeiten an diesem Projekt in der Geschichte verloren. Drei seiner Assistenten werden ausgeschickt, um ihn zurückzuholen. Sie haben dafür sechunddreißig Stunden Zeit, und natürlich gerät ihnen dauernd etwas dazwischen: ein Turnier, ein toter Mönch, ein Pfeil in den Rücken - fünf Stunden, zehn Minuten, drei Sekunden. Am Ende haben sie sich durch das gesamte Repertoire des historischen Romans geschlagen - und nebenbei einen Crashkurs in mittelalterlicher Technik und Lebensführung absolviert.

Ganz den Gepflogenheiten der modernen Unterhaltungsliteratur verpflichtet, die Verfilmung und das passende Computerspiel im Sinn, hat Michael Crichton kein Meisterwerk der Dichtkunst geschrieben: Die Motive sind alle schon einmal da gewesen, und auch die Sprache kommt wie in Pantoffeln daher. Michael Crichton ist fest davon überzeugt, dass sein Publikum am liebsten Geschichten hört, di e es schon kennt. Seine großen Talente entfalten sich daher nicht auf literarischem Neuland, sondern im Vertrauten: in der Erfindung von Emblemen, von Archetypen des kollektiven Bewusstseins, in der Gestaltung von Figuren, die in die Fremde versprengt werden, die nach Hause zurückkehren wollen, die kämpfen und siegen müssen. Michael Crichton denkt dabei in Bildern, und er empfängt seine Inspiration nicht aus der Literatur, sondern aus dem Film und aus dem "comic strip".

Und so ist "Timeline" ein historischer Roman, in dem die Vergangenheit die Hochtechnologie verschlingt, um sie der Gegenwart als Spiel mit patentierten Figuren wiederzugeben. Beim ersten Mal, bei "Jurassic Park", ist es Michael Crichton gelungen, mit dieser literarischen Technik die Phantasie der halben Welt zu besetzen. Es dürfte ihm auch beim zweiten Mal gelingen - auch wenn sich Dinosaurier offenbar leichter beschreiben lassen als Menschen.

Was wir Trivialliteratur nennen, ist der wichtigste Teil in der Mythologie der modernen Welt. Tatsächlich lässt sich die Geschichte der modernen Zeiten an den Werken der Unterhaltungsliteratur genauer ablesen als an den Werken der Dichtkunst: Sherlock Holmes trat auf, als das englische Kolonialreich auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen war, und in den Geheimnissen, die er zu lösen hat, in der indischen Schlange, im exotischen Gift, im Zwergenmenschen, verbergen sich die dunklen Geschichten dieser Eroberungen. Tarzan, der amerikanische Held, schwang sich durch den Dschungel, als der große Treck an der pazifischen Küste angekommen war und der Weg nach Westen nicht mehr weiterging. Die großen Filme des populären Kinos, die Marsmenschen, Monsterameisen und Riesenaffen, eroberten die Leinwand, als der Kalte Krieg die Furcht vor einer globalen radioaktiven Verseuchung beflügelte. Hinter jedem großen Werk der populären Kultur steckt eine solche Geschichte. Die jüngsten Romane von Michael Crichton, von "Jurassic Park" bis zu "Timeline", sind die Parabeln einer ökonomisch besonders erfolgreichen Form des amerikanischen Antikapitalismus: Alle Abenteuer müssen bestanden werden, damit die Unterwerfung des Menschen unter das Geschäft ein Ende hat, das sich lohnt.

Der Weg in die Vergangenheit öffnet sich mit Hilfe einer wissenschaftlich-technischen Phantasie, die stets ein Stück jenseits des Wahrscheinlichen beginnt: Noch gibt es keine Computer, die mit den zweiunddreißig Quantenzuständen eines Elektrons arbeiten, noch sind parallele Universen eine Hypothese der Forschung, noch ist die Teleportation nur über "verschränkte Teilchen" möglich und die Zeitreise ein Fall für Spekulanten. Michael Crichton aber probiert diese Technik, die es, abgesehen von der Zeitreise, dereinst geben mag, schon einmal aus. Und siehe da: Sie führt geradewegs zurück in eine Welt, die es schon einmal gegeben hat. Die Geschichte, die hinter dieser Geschichte steckt, ist die Hoffnung auf eine Wiederkehr des geschlossenen Universums: auf eine ptolemäische Welt. Wie schön, wenn die Erde wieder eine Scheibe wäre.

Michael Crichton weiß das, und er weiß auch, dass seine technische Phantasie nur ein Programm ist, mit dem sich die Vergangenheit auf der Festplatte des zeitgenössischen Romans speichern lässt: "Zeitreisen gehört eindeutig ins Reich der Phantasie. Die Darstellung der mittelalterlichen Welt jedoch ruht auf einer gesicherten Basis." An seinem Bild der Vergangenheit will er nicht rütteln lassen, und dafür gibt es einen Grund: Die moderne Welt, die Welt des freien Wettbewerbs, so lässt er seinen Bösewicht argumentieren, sei ein französischer Garten, "in dem alles nur auf Wirkung hin arrangiert ist. Wo nichts unberührt bleibt, wo nichts authentisch ist." Die Vergangenheit hingegen habe sich ohne Einmischung von Disney und Murdoch, Nissan und IBM und all den anderen Gestalten unserer Gegenwart zugetragen. Sie sei echt. Vor zwanzig Jahren, bei Umberto Eco und seinen Nachahmern, gab es ein Bündnis der Postmoderne mit dem historischen Roman: Es sei alles Simulation, lautete die Botschaft, jedes Zeichen sei die Unzuverlässigkeit schlechthin. Jetzt geschieht das Umgekehrte. Mit Michael Crichtons Zeitmaschine reist man nicht in die Geschichte hinein, sondern aus ihr heraus.

Die Geschichte, die Historiographie, ist also nur ein Platzhalter für das Sesshafte und Dauernde: Am Ende des Romans fragt sich der starke Marek, einer der vier Reisenden, "wie es wohl war, das gesamte Leben in dieser Welt zu verbringen. Zu lieben und zu leben, in permanenter Anspannung, immer in Gefahr, mit Krankheit und Hunger und Tod und Metzeleien. Lebendig zu sein in dieser Welt." Marek bleibt in der Vergangenheit, freiwillig. Mit Genugtuung berichtet der Autor von dieser Entscheidung für das Leben, das hier als das wirkliche gilt. Es ist dasselbe Gefühl, das den Bösewicht am Ende ins Mittelalter begleitet, in dem er bleiben muss, weil er der Pest begegnet ist: die unverhohlene Freude über die Rache des Realen an der falschen Welt.

Werden wir nun den Schriftsteller als Schwertkämpfer wiedersehen, den Autor als Überlebenskünstler, wie er sich durch das wirkliche Leben schlägt? Lange bevor sich die Medienkonzerne mit den Verlagen verbanden, lange bevor Computerunternehmen in Filme und Bücher investierten, war Michael Crichton ein Medienverbund ganz für sich allein, eine lange Verwertungskette in Gestalt einer einzigen Person: als Schriftsteller, Regisseur, Produzent und jetzt als Gestalter von Computerspielen. Am Roman "Timeline" - und an seinem Autor - lässt sich nun ablesen, wie der Ertrag eines solchen Medienverbundes literarische Gestalt annimmt.

Nicht nur darin, dass dieses Buch schon seine Regieanweisungen enthält. Auch nicht nur darin, dass es ohne Schilderung von Charakteren auskommt. Es braucht sie nicht, denn sie müssen ja doch nur rennen lernen. Der Medienverbund ist es, der diesem Buch seine innere Struktur aufgeprägt hat: die Schnelligkeit, das Hasten von Station zu Station, von Niveau zu Niveau, von Spielfeld zu Spielfeld. Die Helden dieses Buches besitzen die Unermüdlichkeit und Unzerstörbarkeit von Zeichentrickfiguren. Sie müssen einen Raum nach dem anderen durcheilen, sich im einen den Plan besorgen, um zu einem anderen zu gelangen, wo der Schlüssel aufbewahrt wird, der zu einem unterirdischen Gang führt - und wer ihn kennt, der kann den Spielverlauf verändern. Man muss das nicht verachten. Eine passendere Allegorie des modernen Lebens lässt sich kaum finden.

Warum aber handeln die Computerspiele so oft von vergangenen Welten, von Siedlern der frühen Neuzeit, von Eroberern und ihren Reichen, von Weltwundern und Grabstätten? Warum inszenieren sie das Gegenteil dessen, was sie selber sind? Sie tun es zum einen, weil im Verbund der Medien der physische Körper interessanter wird, das Mechanische, das Handgemachte und das Greifbare. Es ist kein Zufall, dass Michael Crichton den größten Teil seiner literarischen Fähigkeiten auf die Schilderung von körperlichen Auseinandersetzungen und ihren Folgen verwendet - ganz abgesehen davon, dass er Gebäude und Geräte in einer Ausführlichkeit beschreibt, als müsse er Beiträge für ein Buch mit dem Titel "Wie funktioniert das?" abliefern. Zum anderen aber ist die Vergangenheit so interessant, weil ihr das Alte, das Gewesene und Verfallene so deutlich innewohnt. Das Spiel fängt immer wieder von neuem an, der Spieler nicht. Es ist die eigene Erschöpfung, die er auf dem Bildschirm sieht.

Michael Crichton: "Timeline". Eine Reise in die Mitte der Zeit. Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Klaus Berr. Karl Blessing Verlag, München 2000. 560 S., geb., 44,90 DM.

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