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Das Wörterbuch definiert tisch als ein zu Arbeits- und Essenszwecken benutztes Möbelstück, das aus einer waagerechten Platte besteht, die auf mehreren Beinen ruht. Wir begegnen ihm als zentrales, funktionales Möbelstück in Hotels, Cafés und Restaurants. In Manfred Enzenspergers Gedichten wird der Tisch zum Ort der Selbst- und Weltentwürfe der Menschen, die sich an ihm einfinden. Dabei gerät die Transparenz seiner Geometrie und die Strenge seiner Form in ein produktives Spannungsverhältnis zu den Konstruktionen, Verstrickungen und Verschleppungen, denen Menschen an Tischen aufsitzen. So wird in…mehr

Produktbeschreibung
Das Wörterbuch definiert tisch als ein zu Arbeits- und Essenszwecken benutztes Möbelstück, das aus einer waagerechten Platte besteht, die auf mehreren Beinen ruht. Wir begegnen ihm als zentrales, funktionales Möbelstück in Hotels, Cafés und Restaurants. In Manfred Enzenspergers Gedichten wird der Tisch zum Ort der Selbst- und Weltentwürfe der Menschen, die sich an ihm einfinden. Dabei gerät die Transparenz seiner Geometrie und die Strenge seiner Form in ein produktives Spannungsverhältnis zu den Konstruktionen, Verstrickungen und Verschleppungen, denen Menschen an Tischen aufsitzen. So wird in Manfred Enzenspergers Gedichten was an ihm und um ihn herum geschieht zur Metapher für die existentielle Situation des Menschen.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kurz und knapp bespricht Rezensent Tobias Lehmkuhl Manfred Enzenspergers neuen Gedichtband, der den ebenfalls kurzen Titel "tisch" trägt, dessen Gedichte dann aber vor allem aus langen Komposita wie "doppeltonnentaschenfederkernmatratze" besteht. Der Titel verweist auf den unfassbar geschmacklosen Tisch Putins im Kreml, erfahren wir, das lyrische Ich, das Lehmkuhl nicht vom Autor zu trennen vermag, scheint genervt von der Weltpolitik und den "internationalen fresseschauen", die sich mit der Ukraine, aber auch E-Autos auseinandersetzen. Spielerisch und bitter zugleich, befindet der Kritiker, dem vor allem das Miesepetrige von Enzenspergers Pressekritik missfällt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2024

Ist Ruhe Dichterpflicht?
Manfred Enzensperger nimmt Platz an Putins Tisch

Knapper könnte ein Buchtitel kaum sein: "tisch". Fünf Buchstaben. Und das bei einem Dichter, der die deutsche Kompositabildung liebt: "kanzlerkandidatenkandidat", "tortelliniexistentialismus" oder "doppeltonnentaschenfederkernmatratze" - das sind nur einige Wörter in Manfred Enzenspergers neuem Gedichtband, die die Autoschreibkorrektur (noch so ein Wort!) auf eine harte Probe stellen.

"Tisch" dagegen, noch dazu kleingeschrieben, das klingt einfach. Man denkt an den Schreibtisch des Dichters, an Bleistifte, hölzerne Beine, Kerben in der Platte, Dellen, die das beständige Klopfen des Metrums verursacht hat. Doch der Tisch auf dem Cover dieses Gedichtbandes ist ein ganz anderer. Er ist groß, weiß, massiv, marmorn und unendlich geschmacklos: Es ist, auch wenn das im Impressum nicht verraten wird, ein Tisch im Kreml, es ist "tisch p", wie der Titel eines von Enzenspergers Gedichten lautet, es ist Wladimir Putins Tisch.

Aber was will uns das Foto dieses Tisches, was will uns das Gedicht "tisch p" sagen? Da liest man: "wörter fallen aus der weltwörterordnung". Oder: "mit flächendeckenden präzisionsnachrichten / beginnt die zerschlagung im offenen feld". Im Krieg stirbt also die Wahrheit zuerst? Nun gut, das ist eine Binse. Aber ein gewisses Unwohlsein verstärkt sich mit dem Gedicht "und nun die internationale fresseschau", einem Listengedicht, das Zeitungsnamen zusammen mit in den Presseschauen gebräuchlichen Verben aneinanderreiht: "die frankfurter rundschau moniert / die nürnberger nachrichten unterstreicht die welt hält / fest die faz verlangt die nzz resümiert [...] der guardian greift auf die new york post / pflichtet bei".

Was soll das? Sind die genannten Blätter alles Zeitungen, die ihre "Fresse" lieber halten sollen? Die lügen? Einen Informationskrieg führen? Warum kommen dann aber nur westliche Blätter vor und nicht die "Prawda"?

Diese Gedichte geben sich spielerisch und sind doch voller Bitterkeit: "und du denkst noch so eine gedenkstätte". Gedenkstätten scheinen den Autor, Jahrgang 1952, genauso zu nerven wie "die gerade eröffnete kapitalismuskritische weltkunstausstellung", "postkolonialistische wort-/karnickel" und die Tatsache, dass die Europäische Union "den kandidatenstatus für kiew" empfiehlt. Irgendwie ist Enzensperger (oder soll man sagen: dem "lyrischen Ich"?) alles zu viel. Er will seine Ruhe. Von den Zumutungen der Gegenwart - Elektroautos, Ukrainern, die nicht sterben wollen, westlichen Medien und Waldorfkindergärten - will er nichts wissen: "schaue dann ins leere. schaue gerne ins leere." Manfred Enzensperger, so erfährt man aus der dem Bändchen beigegebenen Kurzbiographie, lebt in Köln, Düsseldorf und Leverkusen. TOBIAS LEHMKUHL

Manfred Enzensperger: "tisch". Gedichte.

Verlag Ralf Liebe,

Weilerswist 2024.

88 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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