Tixi Tigerhai ist zehn, blond, kann drei Sprachen und sehr, sehr hoch springen. Leider hat sie Flugangst, seit sie mit fünf von Dr. Bonzo entführt wurde. Ein riesiger Greif rettete sie und brachte sie auf die Osterinsel. Dort wächst sie bei König Tiwi auf, der sich von ihr besser unterhalten fühlt als von seinem Fernseher. Bei einer Kletterei auf den mächtigen Steinköpfen gerät Tixi in einen unterirdischen Gang und schnurstracks in ein unglaubliches Abenteuer. Zum Glück trifft sie unterwegs Hänschen Haifischflosse. Gemeinsam kommen sie Dr. Bonzos ganz großem Coup gegen die Osterhasen auf die Spur. Diese phantastische Geschichte hält auf jeder Seite verrückte Überraschungen bereit und ist gespickt mit intelligenten Späßen, Sprachspielen und Special Effects, die nur einem Autor wie Thomas Lehr einfallen können.
Ein rasantes Abenteuer für Leser von 7 bis 77
Thomas Lehr, dessen Roman "42" auf der Shortlist für den "Deutschen Buchpreis" war, hat dieses fulminante Abenteuerbuch um Entführung, Eigensinn und erstaunliche Kinder für seine Tochter geschrieben.
Ein rasantes Abenteuer für Leser von 7 bis 77
Thomas Lehr, dessen Roman "42" auf der Shortlist für den "Deutschen Buchpreis" war, hat dieses fulminante Abenteuerbuch um Entführung, Eigensinn und erstaunliche Kinder für seine Tochter geschrieben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2008Da ist ja schon wieder ein Ovolekt entstanden!
Hasenbeschleuniger im zweckfreien Spiel: Thomas Lehr rettet das Osterfest vor Dr. Baldur Bonzo
Ein bisschen Pippi Langstrumpf ist schon drin. Und die schreckliche Schule des Dr. Bonzo könnte von der schrecklichen Schule von Frau Mahlzahn aus "Jim Knopf" herrühren. Und die akrobatischen Spiele mit Silben, Wörtern, ja ganzen Sprachen gäbe es ohne James Krüss so wenig wie die akrobatischen Spiele mit Raum und Zeit ohne die E-Books (Erwachsenen- oder Ernst-Bücher) von Thomas Lehr.
Nein, Thomas Lehr hat das gute Kinderbuch nicht neu erfunden. Er hat nur ein weiteres gutes geschrieben, mit der ganzen Detailsorgfalt im Phantastischen, die etwa an seinem Roman "42" besticht. Ein gutes Kinderbuch, so viel vorweg, ist eines, in dem auch Erwachsene, verzückt, belehrt, ernährt (des Reimes willen; es ist aber auch ein Vergnügen, mit Fettfingern zu lesen und im Bett zu essen), mit heißen Ohren versinken. Und dieses nun ist sogar besser als seine Rezension, die sich seit der ersten Zeile um die Zusammenfassung einer hochverwickelten und hochdramatischen Handlung drückt.
Aber soll sie wirklich damit anfangen, dass alles damit beginnt, dass? Dass Tixi Tigerhai, die mit fünf Jahren in einer Kiste vom Himmel gefallen und auf der Osterinsel gelandet ist, kurz nach ihrem zehnten Geburtstag den größten der "Haukopf"-Köpfe besteigt, durch dessen riesige Nase in sein Inneres gedreht wird "wie durch eine Kaufhaustür" und auf Seite 14 (von 315) mit einem Aufzug in ein unterirdisches Dunkel saust, wo sie dann . . .?
Na also. Es geht nicht. Allenfalls aus Sternenhöhen, wo die Welt klein erscheint wie ein Ei: Die Räuberbande um den grundbösen Dr. Baldur Bonzo und seinen dummbösen Bruder Schwarzbauch, auf Kindesentführung spezialisiert, will in großem Stil abkassieren. Alle 40 Osterhasen der Welt sollen aus dem Verkehr gezogen werden. Schluss mit Ostern, heißt die Devise, es sei denn, Millionen Eltern zahlen alljährlich einen Obolus auf ein Konto bei der Zürcher Rübli-Stützli-Creditanstalt.
Aber die Räuber haben nicht mit Tixi Tigerhai und Hänschen Haifischflosse gerechnet, die ihren Fängen entrinnen konnten und zufällig auf Rapa Nui (wie die Osterinsel bei ihren Bewohnern heißt) zusammentreffen, genau in dem Moment, in dem die Bande zum vernichtenden Schlag gegen die unterseeische Ostereierfabrik der Osterhasen Herbert Mütz und Hubert Flitz ausholt, die geheimnisvoll mit den Steinköpfen und Vulkanen der Insel verbunden ist und ganz Südamerika versorgt. Und nun geht es rund, so hochdramatisch und hochverwickelt, dass es nur noch mit Hilfe eines Erzählbeschleunigers ("17 Osterhasen entführt!" - "Osterhasen genverändert durch Fernsehfolter!" - "Dr. Baldur Bonzo und sein Verdummungsinternat in der Eishölle des Südpols!" - "Zwei Kinder, Rapa Nui-König und Zwerggorilla legen Erpresserbande schach!" - "Verbrecher durch Hasenbeschleuniger-Missbrauch gealzheimert!" - "Matt!") zu schildern wäre. Und was sagt schon die Handlung, eine High-Tech-Variante des barocken Musters aller Kinderromane, über das Vergnügen, das es bereitet?
Der Zauber dieses Romans entspringt einer Möglichkeitsphantasie, die nie willkürlich ist, sondern ganze Technologien aus dem Geist von Hasenherz und Osterei entwickelt. Einem Sprachwitz, der Dialoge in spezifischen Ovolekten wie "Eierspanisch" und "Eierdeutsch" hervortreibt und auf der Klaviatur der Vokale und Umlaute charakteristische Idiome erzeugt, vom langzähnigen Hasengelispel bis zum ö-lastigen Orgelton des Dr. Bonzo. Es sind veritable Sondersprachen, in denen die Vielsprachigkeit der Welt aufscheint, zugleich aber stets der kindlichen Freude am Kalauern und Herumgealber entsprochen wird.
Alle Grammatiken, ja überhaupt alle Lehren dieses Buches münden ins zweckfreie Spiel. Ob es vor zu viel Schokolade warnt, Wege in eine demokratische Streitkultur aufzeigt, ans Zähneputzen erinnert, die Fernseher kurzerhand abstellt, ja generell den Konsum zur Folter mutieren lässt: Es moralisiert nicht, sondern stürzt den Stumpfsinn und verhilft mit Spaßwaffen, Ovojets, Hasenbeschleunigern, Tarnfolien, unzerstörbaren Kitzelkostümen und mythischen Riesenvögeln der Phantasie an die Macht.
ANDREAS NENTWICH
Thomas Lehr: "Tixi Tigerhai und das Geheimnis der Osterinsel". Mit Illustrationen von Anke am Berg. Aufbau Verlag, Berlin 2008. 315 S., geb., 19,95 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hasenbeschleuniger im zweckfreien Spiel: Thomas Lehr rettet das Osterfest vor Dr. Baldur Bonzo
Ein bisschen Pippi Langstrumpf ist schon drin. Und die schreckliche Schule des Dr. Bonzo könnte von der schrecklichen Schule von Frau Mahlzahn aus "Jim Knopf" herrühren. Und die akrobatischen Spiele mit Silben, Wörtern, ja ganzen Sprachen gäbe es ohne James Krüss so wenig wie die akrobatischen Spiele mit Raum und Zeit ohne die E-Books (Erwachsenen- oder Ernst-Bücher) von Thomas Lehr.
Nein, Thomas Lehr hat das gute Kinderbuch nicht neu erfunden. Er hat nur ein weiteres gutes geschrieben, mit der ganzen Detailsorgfalt im Phantastischen, die etwa an seinem Roman "42" besticht. Ein gutes Kinderbuch, so viel vorweg, ist eines, in dem auch Erwachsene, verzückt, belehrt, ernährt (des Reimes willen; es ist aber auch ein Vergnügen, mit Fettfingern zu lesen und im Bett zu essen), mit heißen Ohren versinken. Und dieses nun ist sogar besser als seine Rezension, die sich seit der ersten Zeile um die Zusammenfassung einer hochverwickelten und hochdramatischen Handlung drückt.
Aber soll sie wirklich damit anfangen, dass alles damit beginnt, dass? Dass Tixi Tigerhai, die mit fünf Jahren in einer Kiste vom Himmel gefallen und auf der Osterinsel gelandet ist, kurz nach ihrem zehnten Geburtstag den größten der "Haukopf"-Köpfe besteigt, durch dessen riesige Nase in sein Inneres gedreht wird "wie durch eine Kaufhaustür" und auf Seite 14 (von 315) mit einem Aufzug in ein unterirdisches Dunkel saust, wo sie dann . . .?
Na also. Es geht nicht. Allenfalls aus Sternenhöhen, wo die Welt klein erscheint wie ein Ei: Die Räuberbande um den grundbösen Dr. Baldur Bonzo und seinen dummbösen Bruder Schwarzbauch, auf Kindesentführung spezialisiert, will in großem Stil abkassieren. Alle 40 Osterhasen der Welt sollen aus dem Verkehr gezogen werden. Schluss mit Ostern, heißt die Devise, es sei denn, Millionen Eltern zahlen alljährlich einen Obolus auf ein Konto bei der Zürcher Rübli-Stützli-Creditanstalt.
Aber die Räuber haben nicht mit Tixi Tigerhai und Hänschen Haifischflosse gerechnet, die ihren Fängen entrinnen konnten und zufällig auf Rapa Nui (wie die Osterinsel bei ihren Bewohnern heißt) zusammentreffen, genau in dem Moment, in dem die Bande zum vernichtenden Schlag gegen die unterseeische Ostereierfabrik der Osterhasen Herbert Mütz und Hubert Flitz ausholt, die geheimnisvoll mit den Steinköpfen und Vulkanen der Insel verbunden ist und ganz Südamerika versorgt. Und nun geht es rund, so hochdramatisch und hochverwickelt, dass es nur noch mit Hilfe eines Erzählbeschleunigers ("17 Osterhasen entführt!" - "Osterhasen genverändert durch Fernsehfolter!" - "Dr. Baldur Bonzo und sein Verdummungsinternat in der Eishölle des Südpols!" - "Zwei Kinder, Rapa Nui-König und Zwerggorilla legen Erpresserbande schach!" - "Verbrecher durch Hasenbeschleuniger-Missbrauch gealzheimert!" - "Matt!") zu schildern wäre. Und was sagt schon die Handlung, eine High-Tech-Variante des barocken Musters aller Kinderromane, über das Vergnügen, das es bereitet?
Der Zauber dieses Romans entspringt einer Möglichkeitsphantasie, die nie willkürlich ist, sondern ganze Technologien aus dem Geist von Hasenherz und Osterei entwickelt. Einem Sprachwitz, der Dialoge in spezifischen Ovolekten wie "Eierspanisch" und "Eierdeutsch" hervortreibt und auf der Klaviatur der Vokale und Umlaute charakteristische Idiome erzeugt, vom langzähnigen Hasengelispel bis zum ö-lastigen Orgelton des Dr. Bonzo. Es sind veritable Sondersprachen, in denen die Vielsprachigkeit der Welt aufscheint, zugleich aber stets der kindlichen Freude am Kalauern und Herumgealber entsprochen wird.
Alle Grammatiken, ja überhaupt alle Lehren dieses Buches münden ins zweckfreie Spiel. Ob es vor zu viel Schokolade warnt, Wege in eine demokratische Streitkultur aufzeigt, ans Zähneputzen erinnert, die Fernseher kurzerhand abstellt, ja generell den Konsum zur Folter mutieren lässt: Es moralisiert nicht, sondern stürzt den Stumpfsinn und verhilft mit Spaßwaffen, Ovojets, Hasenbeschleunigern, Tarnfolien, unzerstörbaren Kitzelkostümen und mythischen Riesenvögeln der Phantasie an die Macht.
ANDREAS NENTWICH
Thomas Lehr: "Tixi Tigerhai und das Geheimnis der Osterinsel". Mit Illustrationen von Anke am Berg. Aufbau Verlag, Berlin 2008. 315 S., geb., 19,95 [Euro]. Ab 10 J.
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"Ein Autor, der gewinnt, weil er wagt." Frankfurter Rundschau
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
An verrückten Einfällen und schrägen Gestalten mangelt es diesem Kinderbuch wahrlich nicht, weshalb man es eigentlich auch nicht nacherzählen kann, meint eine entzückte Sieglinde Geisel, die es in ihrer knappen Kritik trotzdem versucht. In seiner durchgedrehten Geschichte um gekidnappte Osterhasen, einen dauerfernsehenden Häuptling und den bösen Doktor Bonzo brechen sich nicht nur die Freude am Persiflieren "gutgemeinter Kinderbücher", sondern vor allem überbordende Erzähllust und Spielfreude Bahn, so Geisel hingerissen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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