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The book demonstrates the vital role of played by legal imagination in the history of European State-formation in 1300â 1870. After lawyers had learned to connect sovereignty with property rights at home, both ideas would eventually expand and lay the groundwork for the modern international order and global capitalism.

Produktbeschreibung
The book demonstrates the vital role of played by legal imagination in the history of European State-formation in 1300â 1870. After lawyers had learned to connect sovereignty with property rights at home, both ideas would eventually expand and lay the groundwork for the modern international order and global capitalism.
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Autorenporträt
Martti Koskenniemi is Professor of International Law at the University of Helsinki. His works on the theory and history of international law are studied by lawyers, historians and international relations scholars across the world. He has held visiting professorships at many leading universities and he is Corresponding Fellow of the British Academy and a Member of the American Academy of Arts and Sciences.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2022

Macht muss sich immer bemänteln
Geschichte des Völkerrechts: Martti Koskenniemis Studie zur Entwicklung juristischer Argumentation

Martti Koskenniemi ist schwer einzuordnen. Wie kein anderer Gelehrter hat er sowohl Völkerrechtswissenschaft als auch Völkerrechtsgeschichte in den vergangenen Jahrzehnten geprägt. Als Diplomat in Den Haag, Genf und New York sammelte er Anschauung über Funktion und Wirken juristischer Argumentation. Als Intellektuellen beschäftigt ihn die Sprache des Völkerrechts in historischer Perspektive. Mit Scharfsinn, persönlichem Charisma und rhetorischer Brillanz hat Koskenniemi die Verbindung von Recht und Macht auf diesem Feld entzaubert und ist selbst eine Sphinx geblieben. Seine dritte Monographie führt dieses Lebensthema zu einem neuen Höhepunkt und verweigert sich zugleich einfachen Leseweisen.

Das beeindruckende Buch, von vielen mit Spannung erwartet, behandelt rund sechs Jahrhunderte der internationalen Geschichte. Sein titelgebender Anknüpfungspunkt ließe sich als juristische Einbildungskraft oder rechtliche Vorstellungsgabe übersetzen. Koskenniemi untersucht jene normativen Ideen, die Juristen und Vertreter anderer Professionen entwickelten, um Beziehungen zu auswärtigen Mächten greifbar zu machen. Darin verbinden sich Elemente von Rechtsbewusstsein, Ideologie und Rechtskultur. Am Ende war immer Sprache das zentrale Produkt.

Koskenniemis Gliederung mutet konventionell an. Er organisiert seinen Stoff in zwölf Kapiteln, die jeweils bestimmte juristisch-politische Milieus wissenschaftsgeschichtlich herauspräparieren. Die lange Erzählung über juristische Begriffe beginnt im mittelalterlichen Frankreich um etwa 1300. Dort muss der französische König seine Autorität extern gegen den Papst und das Heilige Römische Reich sowie intern gegenüber den Feudalherren rechtfertigen. Es geht weiter zur spanischen Expansion des sechzehnten Jahrhunderts, dann folgt die Entdeckung der Staatsräson in Italien um 1600. Grotius und seine Transformation des Naturrechts bilden das vierte und kürzeste Kapitel. Der französische Absolutismus zwischen 1625 und 1715 wird zwischen der Arbeit von Jean Bodin und ersten diplomatischen Akademien entfaltet. Vernunft, Revolution und Restauration sind die Leitbegriffe für die Darstellung des europäischen öffentlichen Rechts des achtzehnten Jahrhunderts. Dann folgt noch einmal, gewissermaßen im Krebsgang, der französische Kolonialismus zwischen 1627 und 1804, und historisch zurück geht es zunächst auch, wenn Koskenniemi anschließend England in drei Kapiteln behandelt, von etwa 1635 bis zur englischen Niederwerfung Chinas durch die Opiumkriege in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.

Die Überzeugung, die hinter dieser Stofforganisation steht, ist die einer konsequenten Kontextualisierung der Arbeit der Juristen und anderer Bricoleure. Koskenniemi interessiert sich für das Entstehen juristischer Begriffe, mit denen Europäer zunächst ihre Hegemonie gegenüber europäischen Konkurrenten und später weit über Europa hinaus begründeten. Mit den Begriffen wurde Macht gerechtfertigt, ausgeübt oder kritisiert. Koskenniemi ist tief vom wissenschaftlich gut begründeten Glauben durchdrungen, dass diese Operationen lokale Ursprünge und Prägungen haben: Die Akteure fügten für ihre Argumentationen bestehende Puzzleteile zusammen, sie recycelten Bekanntes, interpretierten es neu und hofften, so überzeugen zu können. Wie bei einem Gemälde wurde Schicht nach Schicht übereinandergelegt, das Bild stetig verändert und dabei detailreicher. Das Vokabular lieferten Römisches Recht, Theologie, Philosophie, Geschichte, Politische Wissenschaft, Göttingische Staatenkunde - keineswegs harmonisch, sondern oft in Kämpfe verstrickt. Kants "Streit der Fakultäten" scheint Koskenniemi insofern ein passendes Etikett, weil untereinander über die Autorität der verschiedenen Vokabulare gestritten wurde.

Koskenniemis Fokus liegt zwar einerseits auf den historischen Ursprüngen und Wandlungen der Begriffe, er interessiert sich aber letztlich für deren Gegenwartswert. Dieser Gegenwartswert entfaltet sich in einem heute geltenden Völkerrecht und globalen Kapitalismus, welche durch diese historischen Begriffe geprägt und auch zementiert wurden, namentlich auch in seinen kolonialen, diskriminierenden oder ausbeuterischen Grundzügen. Denn die historischen Entscheidungen bewirken heute epistemologische Blockaden: Die vor Jahrhunderten entwickelte Rechtssprache determiniert seither die Wahrnehmung der Ordnung der Welt.

Zwei Zentralbegriffe bilden den roten Faden des juristischen Denkens: Sovereignty und property (Letzteres nur unzulänglich als "Eigentum" ins Deutsche übersetzbar) wurden zu Instrumenten europäischer Macht. Originell ist, wie Koskenniemi hier ein Begriffspaar in seinen Verknüpfungen und Verflechtungen beleuchtet, das heute infolge der Gegenüberstellung von privatem und öffentlichem Recht getrennt betrachtet wird. Der wesentliche Akzent liegt auf der finalen Konstruktion der Außenbeziehungen von Herrschaft, wobei ihn die Konstruktion der Grenze zum "Außen" vergleichsweise wenig interessiert. Das Völkerrecht war dabei eine höchst nützliche Erfindung, denn es war weder reine Vernunft noch reiner Wille, sondern ein Prozess normativer Ausarbeitung. Koskenniemis wesentliche Quelle sind juristische Gelehrte, die nahe an den Zentren politischer Macht in Westeuropa wirkten; debattiert wird im Umfeld von Königs- und Fürstenhöfen und vor dem Hintergrund handfester politischer Realitäten.

Koskenniemi verteidigt diesen Zugang, der exklusive Diskurse gebildeter europäischer Männer aus den Eliten abbildet, transparent: Macht allein reichte im Konfliktfall nie aus, deswegen brauchten die im Entstehen begriffenen Imperien, Staaten und Handelsgesellschaften Westeuropas Argumente. Und die besten Argumente lieferte offenbar die Jurisprudenz; insofern ist Koskenniemis Geschichte auch eine Erfolgsgeschichte der juristischen Gelehrsamkeit und Verrechtlichung, ein unausgesprochenes Leitmotiv. Nackte Macht sucht man in diesem Buch vergebens, sie wurde immer bemäntelt. Wegen der Besonderheit des Völkerrechts spielten Gelehrte und nicht Gesetze oder Gerichte hier eine dominante und innovative Rolle. Zugleich vermisst man doch in dieser dichten und brillant interpretierten Ideengeschichte Brückenschläge zur Vertragspraxis und Diplomatie, auch die Erwähnung von zeitgenössischem Gewohnheitsrecht. Damit ist der Kanon der juristischen Quellen einerseits eingeschränkt, und andererseits überschätzt Koskenniemi womöglich die Rolle juristischer Argumente.

Jenseits dessen ist es eine geradezu paradoxe Volte, dass jener Avantgardist, der stets den Eurozentrismus überwinden wollte, nun ein weiteres Mal die üblichen europäischen Verdächtigen befragt. Sie werden bei Koskenniemi höchst kunstvoll miteinander ins Gespräch und ihre juristischen Klügeleien und Pirouetten gegeneinander in Position gebracht. Denn Koskenniemi weiß, dass Argumente sich gegen sich selbst wenden können. Die Leuchttürme der frühneuzeitlichen Völkerrechtswissenschaft Hugo Grotius und Emer de Vattel wurden in Konflikten von beiden Seiten aufgerufen. Aber jene Stimmen, die nicht Eingang in gedruckte Bücher westeuropäischer Verlage fanden, vermisst man umso mehr. Die Gruppen, die abwesend oder unsichtbar bleiben, machen sozialgeschichtlich die Mehrzahl der damaligen europäischen Bevölkerungen aus. Auch auf der Weltkarte repräsentiert seine juristische Ideengeschichte nur den westlichen Zipfel Eurasiens. Die tatsächliche Auseinandersetzung mit nichtwesteuropäischen Mächten bleibt unerzählt, politische Macht und juristische Ideen außerhalb Europas bleiben unsichtbar, und nur die gedankliche Perspektive des "Westens" wird einer immanenten und kritischen Lektüre unterzogen.

Koskenniemi schreibt im Vorwort, man wüsste zu wenig über diese anderen und die politische Realität sei damals eben ungerecht gewesen. Aber das ist eine Begründung, die zahlreichen Bemühungen unrecht tut, sie zur Sichtbarkeit zu bringen und Gegenpositionen zu umreißen. Ironischerweise war es gerade Koskenniemi selbst, der diese Forschungen stets inspiriert hatte und teilweise ihr intellektueller Pate war.

Der deutschen Gelehrsamkeit wird von Koskenniemi besondere Achtung gezollt: Ausdrücklich schreibt er, das internationale Recht sei eine "spezifisch deutsche Disziplin". Ausgiebig rekapituliert er die Geschichte des Natur- und Völkerrechts an den Universitäten des Heiligen Römischen Reichs im Zeitalter der Aufklärung und der Staatsmaschinen. Hier war man weniger an überseeischer Kolonisation interessiert, stattdessen ging es um die Ordnung zwischen Kaiser und Reichsfürsten und um das innereuropäische Gleichgewicht. Christian Wolff und seine deutschen Zeitgenossen sahen die beste Theorie immer dort, wo sie ein "System" konstruieren konnten. Hinzu kamen ein Empirismus und die Verbindung mit Nützlichkeits-Postulaten. Pluralismus und Fragmentierung waren im Reich und in Westeuropa ein guter Nährboden für Völkerrechtsideen.

Es ist bewundernswert, wie Koskenniemi auch hier subtile Kenntnisse mit großer Genauigkeit zusammenführt. Er liest Primärquellen wie auch die Sekundärliteratur in den Originalsprachen, rekurriert auf Forschungen aus verschiedensten Feldern und überblendet alles zu einem Panorama, das es so bislang noch nicht gegeben hat. Am Ende werden seine Protagonisten dieses europäische Völkerrecht zu einer globalen Ordnung erklären. Dass wir jetzt dessen problematische Seiten als Resultat historischer Entscheidungen verstehen, ist das bleibende Verdienst dieses Autors. MILOS VEC

Martti Koskenniemi: "To the Uttermost Parts of the Earth". Legal Imagination and International Power 1300-1870.

Cambridge University Press, Cambridge 2021. 1107 S., br., 94,- Euro.

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