Während Vanessa Ormston ihrem Mann das Frühstück macht, sieht sie mit Entsetzen einen Nachruf auf ihn in der Morgenzeitung. Sie ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihm die Schmach dieses schlechten Scherzes zu ersparen, und dem Bedürfnis, ihn vor der drohenden Häme seiner Professorenkollegen zu warnen.
Es sind Konflikte wie dieser, die William Trevor in seinen Geschichten beschreibt: Momentaufnahmen außergewöhnlicher Situationen und Gefühle, die er auf unvergleichliche Weise und mit sparsamen literarischen Mitteln kraftvoll auszudrücken weiß. Egal ob es um den vermeintlichen Tod eines Professors geht oder um das Geheimnis dreier Menschen, die durch ein schreckliches Ereignis lebenslänglich aneinander gebunden sind, oder aber um ein junges Paar, das am Vorabend seiner Hochzeit plötzlich mit dem wahren Gesicht des jeweils anderen konfrontiert wird. "Der melancholische Altmeister der irischen Literatur" (Süddeutsche Zeitung) lehrt uns einmal mehr, dass es vor dem Schicksal kein Entrinnen gibt.
Es sind Konflikte wie dieser, die William Trevor in seinen Geschichten beschreibt: Momentaufnahmen außergewöhnlicher Situationen und Gefühle, die er auf unvergleichliche Weise und mit sparsamen literarischen Mitteln kraftvoll auszudrücken weiß. Egal ob es um den vermeintlichen Tod eines Professors geht oder um das Geheimnis dreier Menschen, die durch ein schreckliches Ereignis lebenslänglich aneinander gebunden sind, oder aber um ein junges Paar, das am Vorabend seiner Hochzeit plötzlich mit dem wahren Gesicht des jeweils anderen konfrontiert wird. "Der melancholische Altmeister der irischen Literatur" (Süddeutsche Zeitung) lehrt uns einmal mehr, dass es vor dem Schicksal kein Entrinnen gibt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2007Die Hochzeit der Unterschiede
Aus eigenem Holz geschnitzt: William Trevors neuer Erzählband
Als Irlands Tschechow ist er bezeichnet worden. Gemeint sind damit die leisen Töne, die feinen Andeutungen, auch die elegische, schicksalsergebene Grundstimmung in seinem Werk. Doch der 1928 in der Grafschaft Cork geborene William Trevor ist so durch und durch Ire und einzigartig, dass er den ehrenvollen Vergleich nicht nötig hat. Die short story hat er zu neuer Meisterschaft gebracht. Allein siebzehn Sammelbände, mehrfach mit höchsten Preisen bedacht, zählen zu seinem Werk. Sein letzter Roman "Die Geschichte der Lucy Gault" wurde auch bei uns ein Erfolg.
In der jüngsten Textsammlung ist die Titelerzählung "Tod des Professors" eine der wenigen ironisch-satirischen Variationen in seinem Repertoire. Der Professor ist nämlich keineswegs gestorben, vielmehr bringt er seine durch eine falsche Anzeige aufgeschreckten Kollegen in höchste komische Verlegenheit. Der üble Scherz hat aber nicht nur Unangenehmes und Peinliches zur Folge, sondern auch die liebevolle Umarmung der naiven Frau des Professors. "Was sie beschützt, ist die Vermählung ihrer Unterschiede, unerschütterlich in den Trümmern des Sturms." Das ist so ein schöner resümierender Schlusssatz für das Wiederaufflammen ehelicher Liebe, wie ihn Trevor für das Ende vieler seiner Geschichten findet. Man könnte sie sammeln und besäße einen seltenen Schatz voller Weisheit.
Irlands geduckte, mit Grassoden gedeckte Katen gehören bald der Vergangenheit an. Überall sieht man jetzt rote Ziegeldächer, geteerte Straßen, bunte Plastikreklame, die Zeichen des neuen Wohlstands. Aber Trevor beschwört noch einmal die grauen einsamen Gehöfte aus Granit, fromme Einsiedler, Helden und andere Einzelgänger, die Irlands Geschichte prägten. Auf den Hängen des Kilmahogue, auf dem der gehenkte Barde und Freiheitskämpfer Robert Emmet mit seiner Liebsten Sarah Curran einst spazieren ging, gedenkt Tom (in "Weißer Sonntag 1950") der romantischen Gespenster wie der gegenwärtigen Gewalt, die sein Leben gezeichnet hat, bevor er zu seiner Schwester in das stille Haus zurückkehrt. Gewohnheit und wortloses Verstehen hilft die zum Albtraum geronnene Zeit zu überstehen.
Trevor versteht es auch, so spröde Legenden wie die von Michael, dem Eremiten, zu erzählen, der einer Marienerscheinung folgt und von seiner Felseninsel zu seinen alten Eltern in ihre verräucherte Hütte zurückkehrt. "Und doch waren es gewisse Engel, die das zarte Gewebe dieser Gnade zwischen den Fingern hielten, das Geschenk eines zurückgegebenen Sohnes", heißt es am Schluss.
Trevor ist ein irischer Protestant, ohne militant zu sein. Er bezeichnet sich als unpolitisch. Versöhnlich beschreibt er in "Von geistlichem Stande" den Besuch des katholischen Priesters bei dem vereinsamten Reverend Grattan, dessen Gemeinde geschrumpft ist. Damit ist auch der Bezug des alten Mannes zu seiner Zeit, zur veränderten Gegenwart, verlorengegangen. Und wieder ein schöner Schlusssatz: "Jetzt kam es auf die kleinen Gesten an, und Äußerungen im Dunkeln waren eine Art, sich den Glauben zu bewahren, so wie die Mönche sich den ihren bewahrt hatten, in einem Irland, das gleichfalls anders war." Das Vergehen der Zeit, ein großes Thema. In Irland ist es zum Greifen nahe. Trevor beschreibt es mit leiser Melancholie.
Um von Irland erzählen zu können, musste er nach England gehen. Seit mehr als vierzig Jahren wohnt er in Devon, schreibt ein Buch nach dem anderen und zeigt der Öffentlichkeit gelegentlich als Trevor Cox seine Holzskulpturen. Die Bildhauerei und das Schreiben von Kurzgeschichten haben, so hat er einmal bekannt, eins gemeinsam: Aus der Fülle des Materials gilt es den Kern herauszuarbeiten. Wie die Holzspäne als Abfall zurückbleiben, so sind es bei Kurzgeschichten entbehrliche Sätze und Worte.
So gelingt es Trevor in der Erzählung "Zu dritt", auf wenigen Seiten einen ungesühnten Mord, eine unerfüllte Liebe und die Tragödie von drei Menschen fast unerträglich spannend zusammenzufassen. Für den arglosen Liam, der in London Arbeit sucht und zum Bombenleger ausgebildet wird, braucht er dagegen einen sehr viel längeren Anlauf. "Trauer" heißt die Erzählung. Trevor beschreibt genau, wie ein irischer Junge, der in England als "Paddy" verachtet und ausgebeutet wird, zu hassen lernt und schließlich empfänglich wird für das Versprechen, als Held gefeiert zu werden. Doch kurz bevor er den Sprengstoff zündet, erinnert er sich an einen gleichaltrigen Landsmann, der bei einem solchen Attentat ums Leben kam. Ein "blutiger Held" will er nicht werden. Das Dynamit landet, ohne zu explodieren, in der Themse. Liam kehrt nach Irland zurück und "wunderte sich über den Mut, den seine Angst ihm gestattet hatte, und flehte darum, dass seine Trauer nie enden möge".
Ein Pessimist sei er, hat Trevor gesagt, aber einer, der mit dem Schlimmsten rechnet, damit es gar nicht erst dazu kommt. Einer also, der bereit ist, mit dem Schicksal Kompromisse einzugehen. Das kommt seiner Neigung zugute, Dreiecksverhältnisse und andere menschliche Beziehungskonflikte aufzulösen, bevor die Katastrophe eintritt. Einer seiner früheren Sammelbände hieß "Seitensprünge". Die Spannung zwischen heimlich Liebenden und Betrogenen bietet ihm viel Raum für Ironie und trockenen Witz. In diesem Dutzend Erzählungen, die Hans-Christian Oeser sehr behutsam übersetzt hat, gibt es mehrere Beispiele dafür. So tragisch ist das Leben nicht immer, auch bei William Trevor nicht.
MARIA FRISÉ
William Trevor: "Tod des Professors". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 271 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aus eigenem Holz geschnitzt: William Trevors neuer Erzählband
Als Irlands Tschechow ist er bezeichnet worden. Gemeint sind damit die leisen Töne, die feinen Andeutungen, auch die elegische, schicksalsergebene Grundstimmung in seinem Werk. Doch der 1928 in der Grafschaft Cork geborene William Trevor ist so durch und durch Ire und einzigartig, dass er den ehrenvollen Vergleich nicht nötig hat. Die short story hat er zu neuer Meisterschaft gebracht. Allein siebzehn Sammelbände, mehrfach mit höchsten Preisen bedacht, zählen zu seinem Werk. Sein letzter Roman "Die Geschichte der Lucy Gault" wurde auch bei uns ein Erfolg.
In der jüngsten Textsammlung ist die Titelerzählung "Tod des Professors" eine der wenigen ironisch-satirischen Variationen in seinem Repertoire. Der Professor ist nämlich keineswegs gestorben, vielmehr bringt er seine durch eine falsche Anzeige aufgeschreckten Kollegen in höchste komische Verlegenheit. Der üble Scherz hat aber nicht nur Unangenehmes und Peinliches zur Folge, sondern auch die liebevolle Umarmung der naiven Frau des Professors. "Was sie beschützt, ist die Vermählung ihrer Unterschiede, unerschütterlich in den Trümmern des Sturms." Das ist so ein schöner resümierender Schlusssatz für das Wiederaufflammen ehelicher Liebe, wie ihn Trevor für das Ende vieler seiner Geschichten findet. Man könnte sie sammeln und besäße einen seltenen Schatz voller Weisheit.
Irlands geduckte, mit Grassoden gedeckte Katen gehören bald der Vergangenheit an. Überall sieht man jetzt rote Ziegeldächer, geteerte Straßen, bunte Plastikreklame, die Zeichen des neuen Wohlstands. Aber Trevor beschwört noch einmal die grauen einsamen Gehöfte aus Granit, fromme Einsiedler, Helden und andere Einzelgänger, die Irlands Geschichte prägten. Auf den Hängen des Kilmahogue, auf dem der gehenkte Barde und Freiheitskämpfer Robert Emmet mit seiner Liebsten Sarah Curran einst spazieren ging, gedenkt Tom (in "Weißer Sonntag 1950") der romantischen Gespenster wie der gegenwärtigen Gewalt, die sein Leben gezeichnet hat, bevor er zu seiner Schwester in das stille Haus zurückkehrt. Gewohnheit und wortloses Verstehen hilft die zum Albtraum geronnene Zeit zu überstehen.
Trevor versteht es auch, so spröde Legenden wie die von Michael, dem Eremiten, zu erzählen, der einer Marienerscheinung folgt und von seiner Felseninsel zu seinen alten Eltern in ihre verräucherte Hütte zurückkehrt. "Und doch waren es gewisse Engel, die das zarte Gewebe dieser Gnade zwischen den Fingern hielten, das Geschenk eines zurückgegebenen Sohnes", heißt es am Schluss.
Trevor ist ein irischer Protestant, ohne militant zu sein. Er bezeichnet sich als unpolitisch. Versöhnlich beschreibt er in "Von geistlichem Stande" den Besuch des katholischen Priesters bei dem vereinsamten Reverend Grattan, dessen Gemeinde geschrumpft ist. Damit ist auch der Bezug des alten Mannes zu seiner Zeit, zur veränderten Gegenwart, verlorengegangen. Und wieder ein schöner Schlusssatz: "Jetzt kam es auf die kleinen Gesten an, und Äußerungen im Dunkeln waren eine Art, sich den Glauben zu bewahren, so wie die Mönche sich den ihren bewahrt hatten, in einem Irland, das gleichfalls anders war." Das Vergehen der Zeit, ein großes Thema. In Irland ist es zum Greifen nahe. Trevor beschreibt es mit leiser Melancholie.
Um von Irland erzählen zu können, musste er nach England gehen. Seit mehr als vierzig Jahren wohnt er in Devon, schreibt ein Buch nach dem anderen und zeigt der Öffentlichkeit gelegentlich als Trevor Cox seine Holzskulpturen. Die Bildhauerei und das Schreiben von Kurzgeschichten haben, so hat er einmal bekannt, eins gemeinsam: Aus der Fülle des Materials gilt es den Kern herauszuarbeiten. Wie die Holzspäne als Abfall zurückbleiben, so sind es bei Kurzgeschichten entbehrliche Sätze und Worte.
So gelingt es Trevor in der Erzählung "Zu dritt", auf wenigen Seiten einen ungesühnten Mord, eine unerfüllte Liebe und die Tragödie von drei Menschen fast unerträglich spannend zusammenzufassen. Für den arglosen Liam, der in London Arbeit sucht und zum Bombenleger ausgebildet wird, braucht er dagegen einen sehr viel längeren Anlauf. "Trauer" heißt die Erzählung. Trevor beschreibt genau, wie ein irischer Junge, der in England als "Paddy" verachtet und ausgebeutet wird, zu hassen lernt und schließlich empfänglich wird für das Versprechen, als Held gefeiert zu werden. Doch kurz bevor er den Sprengstoff zündet, erinnert er sich an einen gleichaltrigen Landsmann, der bei einem solchen Attentat ums Leben kam. Ein "blutiger Held" will er nicht werden. Das Dynamit landet, ohne zu explodieren, in der Themse. Liam kehrt nach Irland zurück und "wunderte sich über den Mut, den seine Angst ihm gestattet hatte, und flehte darum, dass seine Trauer nie enden möge".
Ein Pessimist sei er, hat Trevor gesagt, aber einer, der mit dem Schlimmsten rechnet, damit es gar nicht erst dazu kommt. Einer also, der bereit ist, mit dem Schicksal Kompromisse einzugehen. Das kommt seiner Neigung zugute, Dreiecksverhältnisse und andere menschliche Beziehungskonflikte aufzulösen, bevor die Katastrophe eintritt. Einer seiner früheren Sammelbände hieß "Seitensprünge". Die Spannung zwischen heimlich Liebenden und Betrogenen bietet ihm viel Raum für Ironie und trockenen Witz. In diesem Dutzend Erzählungen, die Hans-Christian Oeser sehr behutsam übersetzt hat, gibt es mehrere Beispiele dafür. So tragisch ist das Leben nicht immer, auch bei William Trevor nicht.
MARIA FRISÉ
William Trevor: "Tod des Professors". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 271 S., geb., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Ulrich Baron ist beeindruckt von der Tiefgründigkeit von William Trevors Geschichten. Große Geschichte, die man leicht zu einem Roman auswalzen könnte, werden kurz und in vordergründig " schlicht anmutender? Gestalt präsentiert, worin Baron Trevors geradezu zu "Meisterschaft" aufsteigen sieht. Tonfall und Inhalt sind dabei sehr vielschichtig. Eine Geschichte hätte nach Barons Meinung das Zeug zu einer "ausufernden Campus-Satire", bei einer anderen geht es auf ganz unspöttische Weise um Marienerscheinungen. Baron ist von den Geschichten derart angetan, dass er in seiner Besprechung etliche von ihnen kurz umreißt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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