"Eine aberwitzige Mixtur aus literarischem Fast food und süffigem Erzählkino", fand die Frauenzeitschrift ELLE. Boyles satirisches Absurditätenkabinett hat wieder geöffnet. Nach "Wassermusik" gibt es für unerschrockene Leser neue Abgründe des Boyleschen Aberwitzes und schwarzen Humors: In einem Primatenzentrum soll der Schimpanse Konrad Darwins Theorie von der Abstammung des Menschen in seine eigene Sprache übersetzen; zwei Gierschlunde tragen einen Wettkampf aus, bei dem derjenige zum Champion ausgerufen wird, der den anderen unter den Tisch frißt; oder die Geschichte der aus Frauen bestehenden Kampftruppe, die erfolgreich den Alkoholismus bekämpft. Boyle at his best.
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"T. C. Boyle, Meisterschwimmer der Kurzgeschichte ... Er vermag nicht nur meisterhaft die uns fremde Wirklichkeit abermals zu verfremden, er betreibt auch ein amüsantes Vexierspiel mit der Literatur." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.95
"Siebzehn Short storys aus 20 Jahren, aus denen die Einfälle nur so herauspoltern - furios, drastisch und nicht zu bremsen. Sie knattern los wie die Knallfrösche, krachen und knarren, erzeugen viel Lärm, Schall und Rauch und verpuffen endlich, wenn sie ihre Wirkung getan haben. Tom Coraghessan Boyle hat als Autor nicht nur Sinn für Komik, sondern Sinn für Comics - er hat deren satirischen Blick, das Gespür fürs Schrille, für die Übertreibung, für den knalligen Effekt. Er überdreht die Realität am liebsten sofort ins Absurde, läßt sie in den Wahnsinn kippen. Das Groteske der Comics ist ihm zur zweiten Unnatur geworden. Seine Devise: Im Zweifel für den Slapstick. Er ist gewiß nicht der Mann, seine Phantasie zu zügeln, seine Einfälle zu steuern oder seine Gag-Produktion zu bändigen. Im Gegenteil: Er läßt es knattern und knallen, was das Zeug hält. Die Frage lautet: Hält das Zeug? Mehr Flair. Mehr Power. Mehr Dynamik. Nach diesen Comic-Kriterien fabuliert T. C. Boyle seine effektblitzenden Storys, die sich mit ihren Gags so wirkungssüchtig produzieren wie Videoclips: Ihre Brillanz ist nicht nur gekonnt, sondern geradezu routiniert. Knallige Wort-Videos." Sigrid Löffler, Die Woche, 24.03.95
"Vertraut Aberwitziges für alle Boyle-Puristen. ... Wild und durchgedreht - ein 236-seitiges, nicht endenwollendes Gelächter in Prosa, ein sargschwarzes Vergnügen!" Die Weltwoche, 16.03.95
"Boyle ist genau jener flinkschreibende Bursche, den sich einst Hermann Melville mal fünfzig wünschte... Mit den Erzählungen dieses Bandes haute Boyle zum ersten Mal sein Pensum virtuos, glänzend und immer grell hin." Harald Eggebrecht, Süddeutsche Zeitung, 01.04.95
"Eine aberwitzige Mixtur aus literarischem Fast food und süffigem Erzählkino." ELLE
"Boyles Originalität beginnt mit der Idee und seiner Bereitschaft zum Absurden und Surrealen. ... Doch eine Idee macht noch keine Geschichte, man muß sie auch erzählen können. T. Coraghessan Boyle kann. Er beherrscht nicht nur die Kunst der Satire, sondern er verfügt auch über die Meisterschaft einer bilderreichen Sprache, die direkter Ausdruck seiner Phantasie zu sein scheint. Phantasie in dermaßen druckreifer Form bekommt man selten. Dabei schweift Boyle mit seinen Geschichten in die Regionen des Unwahrscheinlichen - wenngleich nicht immer Unmöglichen - und liefert damit appetitanregendes Gedankenfutter." Birgit Warnhold, Berliner Morgenpost, 29.07.95
"Siebzehn Short storys aus 20 Jahren, aus denen die Einfälle nur so herauspoltern - furios, drastisch und nicht zu bremsen. Sie knattern los wie die Knallfrösche, krachen und knarren, erzeugen viel Lärm, Schall und Rauch und verpuffen endlich, wenn sie ihre Wirkung getan haben. Tom Coraghessan Boyle hat als Autor nicht nur Sinn für Komik, sondern Sinn für Comics - er hat deren satirischen Blick, das Gespür fürs Schrille, für die Übertreibung, für den knalligen Effekt. Er überdreht die Realität am liebsten sofort ins Absurde, läßt sie in den Wahnsinn kippen. Das Groteske der Comics ist ihm zur zweiten Unnatur geworden. Seine Devise: Im Zweifel für den Slapstick. Er ist gewiß nicht der Mann, seine Phantasie zu zügeln, seine Einfälle zu steuern oder seine Gag-Produktion zu bändigen. Im Gegenteil: Er läßt es knattern und knallen, was das Zeug hält. Die Frage lautet: Hält das Zeug? Mehr Flair. Mehr Power. Mehr Dynamik. Nach diesen Comic-Kriterien fabuliert T. C. Boyle seine effektblitzenden Storys, die sich mit ihren Gags so wirkungssüchtig produzieren wie Videoclips: Ihre Brillanz ist nicht nur gekonnt, sondern geradezu routiniert. Knallige Wort-Videos." Sigrid Löffler, Die Woche, 24.03.95
"Vertraut Aberwitziges für alle Boyle-Puristen. ... Wild und durchgedreht - ein 236-seitiges, nicht endenwollendes Gelächter in Prosa, ein sargschwarzes Vergnügen!" Die Weltwoche, 16.03.95
"Boyle ist genau jener flinkschreibende Bursche, den sich einst Hermann Melville mal fünfzig wünschte... Mit den Erzählungen dieses Bandes haute Boyle zum ersten Mal sein Pensum virtuos, glänzend und immer grell hin." Harald Eggebrecht, Süddeutsche Zeitung, 01.04.95
"Eine aberwitzige Mixtur aus literarischem Fast food und süffigem Erzählkino." ELLE
"Boyles Originalität beginnt mit der Idee und seiner Bereitschaft zum Absurden und Surrealen. ... Doch eine Idee macht noch keine Geschichte, man muß sie auch erzählen können. T. Coraghessan Boyle kann. Er beherrscht nicht nur die Kunst der Satire, sondern er verfügt auch über die Meisterschaft einer bilderreichen Sprache, die direkter Ausdruck seiner Phantasie zu sein scheint. Phantasie in dermaßen druckreifer Form bekommt man selten. Dabei schweift Boyle mit seinen Geschichten in die Regionen des Unwahrscheinlichen - wenngleich nicht immer Unmöglichen - und liefert damit appetitanregendes Gedankenfutter." Birgit Warnhold, Berliner Morgenpost, 29.07.95
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.1995Pack die Badehose ein
T. C. Boyle, Meisterschwimmer der Kurzgeschichte / Von Andreas Platthaus
Das Bild ist berühmt geworden: Aus den sanften Fluten des Jangtse ragt der halbkahle Kopf des großen Vorsitzenden. Als Mao Tse-tung 1966 seinen massigen Körper in den großen Strom wuchtete, war die Kulturrevolution in China auf dem Höhepunkt angelangt, und die Roten Garden bestaunten und bejubelten die jugendliche Kraft ihres dreiundsiebzigjährigen Führers. Ein neuer Anfang auf dem Weg zum Kommunismus war gefunden.
Als Mao einige Jahre später auf dem Klo der Halle des Volkes gerade den Leitsatz "Der Imperialismus ist Beschiß" geprägt hat, erinnert er sich seines Erfolgs. Es ist sein Geburtstag, die begeisterten Massen rasen auf dem Tienanmen. "Pack die Badehose ein" wird abermals zu ihrer Maxime, als der greise Revolutionär sich auf den Weg zum Fluß macht. Halb Peking wird sich mit ihm in die Brühe werfen, und am Ende dieses Tages wird die Frau eines Tischtennis-Meisters einen neuen Mao gebären.
Die erste Hälfte der Geschichte ist wahr, die zweite stammt von Thomas Coraghessan Boyle. Das heißt, sie könnte wahr sein, ist aber in einen solchen Kokon von fiktiven Handlungsfäden eingesponnen, daß ihr Realitätskern nicht mehr zu erkennen ist. Doch gerade diese Fäden sind aus den absurden Ingredienzien der Wirklichkeit gesponnen. Wenn der Kokon aufbricht, bündeln sich die Fäden zum Erzählstrang, in dessen Schlinge der Leser zappelt: Er begrüßt das Phantasiewesen des Schmetterlings und vergißt darüber die profane Raupe, die Ausgangspunkt der Verpuppung war. Wieder hat Boyle seinen Leser in die Falle gelockt.
Denn die Stärke seiner Erzählungen liegt in der Fähigkeit, die Symbole der Menschheitsgeschichte für seine Fiktionen auszubeuten. Die Anfangsmetaphorik in Maos Bad im Jangtse übersetzt Boyle in seiner Kurzgeschichte "Er schwimmt wieder" in die literarische Wirklichkeit einer Wiedergeburt. Damit metaphorisiert er die Metapher, und die gerade zurückgewonnene Realität des übertragenen Geschehens wird durch die Neuübertragung wieder fiktionalisiert. Dieses Verfahren ist die Grundlage nahezu aller Bücher des Amerikaners, und sie findet sich auch schon in den meisten seiner frühen Geschichten, die jetzt unter dem Titel "Tod durch Ertrinken" auf deutsch erschienen sind.
Sie entstammen der Mitte der siebziger Jahre, doch das merkt man nur ihren Motiven an. Erzählduktus und -mittel sind dagegen vollkommen modern - ja, das Leitthema der Kurzgeschichten ist in unserer Zeit der wachsenden Möglichkeit zur manipulativen Evolutionsbeeinflussung geradezu tagesaktuell: Die tiefe Skepsis gegenüber den Errungenschaften der Zivilisation und damit auch dem bisherigen Verlauf der Geschichte durchzieht Boyles Kurzprosa nicht minder als seine großen Romane. "The Descent of Man" lautet sowohl der Titel einer der short stories als auch der der ganzen Sammlung im Original: Abstammung und Abstieg sind gleichsam präsent.
Nicht alle der Erzählungen sind so brillant konstruiert wie "Er schwimmt wieder". Gerade "Abstammung des Menschen", die Titelgeschichte des Originals, in der sich eine Zoologin in einen vermenschlichten Schimpansen verliebt, ist in ihrer Überfrachtung mit bemüht witzigen Anspielungen endlos weit entfernt von der subtilen Ironie der Mao-Episode. Die Zoologin liest Tarzan-Bücher und Rousseau und heißt selber Jane. So deutlich wollen wir auf die Pointe der Erzählung gar nicht hingewiesen werden.
Aber das Gros von Boyles Erzählungen weist ihn bereits als den grandiosen Autor aus, als der er mittlerweile längst anerkannt ist. Er vermag nicht nur meisterhaft die uns fremde Wirklichkeit abermals zu verfremden, er betreibt auch ein amüsantes Vexierspiel mit der Literatur. Aus Kafkas Schloß wird bei Boyle eine geschäftstüchtige Reparaturwerkstatt, aus seinem Hungerkünstler ein Essensvirtuose, der mittels strategisch eingesetzter Kartoffelklöße in Punschglasur und kandierten Kürbisses das große Wettfressen gegen seinen jugendlichen Herausforderer gewinnt. Wie überaus raffiniert Boyle dabei den Jargon des Boxsports persifliert (und wie souverän seine neue Übersetzerin Anette Grube die Sprache ins Deutsche übertragen hat), muß selbst gelesen werden, um die Prosa als das zu würdigen, was sie in ihren besten Momenten vor allem ist: Satire, wie sie seit Mark Twain nur wenige Amerikaner beherrscht haben.
Und doch kann Boyle auch tiefernste Geschichten erzählen, Geschichten, in denen die unschuldige Grausamkeit kreatürlichen Lebens auf den zivilisierten Menschen projiziert und dadurch unerträglich wird. Die Abschlußerzählung des Buchs (und Titelgeschichte der deutschen Ausgabe) schildert die Vergewaltigung einer jungen Frau und den Tod eines Schwimmers. Das nasse Element, Ausgangspunkt allen Lebens, ist bei Boyle immer auch tödliche Bedrohung: Mao geht nur wieder schwimmen, um seine Wiedergeburt einzuleiten, eine Hippie-Kolonie ersäuft fast im Blutregen. In "Tod durch Ertrinken" geschieht alles ganz lapidar, als könne das Leben nicht anders verlaufen: "Er ertrinkt einfach. Eine zufällige Begebenheit, die, so stelle ich mir vor, nichts Ungewöhnliches ist, wenn man die Welt als Ganzes betrachtet."
Boyle spielt in dieser Erzählung mit unserer Angst vor dem Einbruch der Natur. Während am Strand das Mädchen auch noch von seinen vermeintlichen Rettern vergewaltigt wird, spielt sich das Geschehen draußen im Meer ganz beiläufig ab, es hat keine Berührungspunkte zu dem Verbrechen am Ufer. Die Teleologie, die der Mensch allenthalben in seine Entwicklung zu legen liebt, wird vollständig negiert; der Mensch verschwindet grundlos, wie er gekommen ist. "Unerklärlich, unbegreiflich. Nichtsdestotrotz wird es stattfinden."
Thomas Coraghessan Boyle: "Tod durch Ertrinken". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anette Grube. Hanser Verlag, München 1995. 236 S., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
T. C. Boyle, Meisterschwimmer der Kurzgeschichte / Von Andreas Platthaus
Das Bild ist berühmt geworden: Aus den sanften Fluten des Jangtse ragt der halbkahle Kopf des großen Vorsitzenden. Als Mao Tse-tung 1966 seinen massigen Körper in den großen Strom wuchtete, war die Kulturrevolution in China auf dem Höhepunkt angelangt, und die Roten Garden bestaunten und bejubelten die jugendliche Kraft ihres dreiundsiebzigjährigen Führers. Ein neuer Anfang auf dem Weg zum Kommunismus war gefunden.
Als Mao einige Jahre später auf dem Klo der Halle des Volkes gerade den Leitsatz "Der Imperialismus ist Beschiß" geprägt hat, erinnert er sich seines Erfolgs. Es ist sein Geburtstag, die begeisterten Massen rasen auf dem Tienanmen. "Pack die Badehose ein" wird abermals zu ihrer Maxime, als der greise Revolutionär sich auf den Weg zum Fluß macht. Halb Peking wird sich mit ihm in die Brühe werfen, und am Ende dieses Tages wird die Frau eines Tischtennis-Meisters einen neuen Mao gebären.
Die erste Hälfte der Geschichte ist wahr, die zweite stammt von Thomas Coraghessan Boyle. Das heißt, sie könnte wahr sein, ist aber in einen solchen Kokon von fiktiven Handlungsfäden eingesponnen, daß ihr Realitätskern nicht mehr zu erkennen ist. Doch gerade diese Fäden sind aus den absurden Ingredienzien der Wirklichkeit gesponnen. Wenn der Kokon aufbricht, bündeln sich die Fäden zum Erzählstrang, in dessen Schlinge der Leser zappelt: Er begrüßt das Phantasiewesen des Schmetterlings und vergißt darüber die profane Raupe, die Ausgangspunkt der Verpuppung war. Wieder hat Boyle seinen Leser in die Falle gelockt.
Denn die Stärke seiner Erzählungen liegt in der Fähigkeit, die Symbole der Menschheitsgeschichte für seine Fiktionen auszubeuten. Die Anfangsmetaphorik in Maos Bad im Jangtse übersetzt Boyle in seiner Kurzgeschichte "Er schwimmt wieder" in die literarische Wirklichkeit einer Wiedergeburt. Damit metaphorisiert er die Metapher, und die gerade zurückgewonnene Realität des übertragenen Geschehens wird durch die Neuübertragung wieder fiktionalisiert. Dieses Verfahren ist die Grundlage nahezu aller Bücher des Amerikaners, und sie findet sich auch schon in den meisten seiner frühen Geschichten, die jetzt unter dem Titel "Tod durch Ertrinken" auf deutsch erschienen sind.
Sie entstammen der Mitte der siebziger Jahre, doch das merkt man nur ihren Motiven an. Erzählduktus und -mittel sind dagegen vollkommen modern - ja, das Leitthema der Kurzgeschichten ist in unserer Zeit der wachsenden Möglichkeit zur manipulativen Evolutionsbeeinflussung geradezu tagesaktuell: Die tiefe Skepsis gegenüber den Errungenschaften der Zivilisation und damit auch dem bisherigen Verlauf der Geschichte durchzieht Boyles Kurzprosa nicht minder als seine großen Romane. "The Descent of Man" lautet sowohl der Titel einer der short stories als auch der der ganzen Sammlung im Original: Abstammung und Abstieg sind gleichsam präsent.
Nicht alle der Erzählungen sind so brillant konstruiert wie "Er schwimmt wieder". Gerade "Abstammung des Menschen", die Titelgeschichte des Originals, in der sich eine Zoologin in einen vermenschlichten Schimpansen verliebt, ist in ihrer Überfrachtung mit bemüht witzigen Anspielungen endlos weit entfernt von der subtilen Ironie der Mao-Episode. Die Zoologin liest Tarzan-Bücher und Rousseau und heißt selber Jane. So deutlich wollen wir auf die Pointe der Erzählung gar nicht hingewiesen werden.
Aber das Gros von Boyles Erzählungen weist ihn bereits als den grandiosen Autor aus, als der er mittlerweile längst anerkannt ist. Er vermag nicht nur meisterhaft die uns fremde Wirklichkeit abermals zu verfremden, er betreibt auch ein amüsantes Vexierspiel mit der Literatur. Aus Kafkas Schloß wird bei Boyle eine geschäftstüchtige Reparaturwerkstatt, aus seinem Hungerkünstler ein Essensvirtuose, der mittels strategisch eingesetzter Kartoffelklöße in Punschglasur und kandierten Kürbisses das große Wettfressen gegen seinen jugendlichen Herausforderer gewinnt. Wie überaus raffiniert Boyle dabei den Jargon des Boxsports persifliert (und wie souverän seine neue Übersetzerin Anette Grube die Sprache ins Deutsche übertragen hat), muß selbst gelesen werden, um die Prosa als das zu würdigen, was sie in ihren besten Momenten vor allem ist: Satire, wie sie seit Mark Twain nur wenige Amerikaner beherrscht haben.
Und doch kann Boyle auch tiefernste Geschichten erzählen, Geschichten, in denen die unschuldige Grausamkeit kreatürlichen Lebens auf den zivilisierten Menschen projiziert und dadurch unerträglich wird. Die Abschlußerzählung des Buchs (und Titelgeschichte der deutschen Ausgabe) schildert die Vergewaltigung einer jungen Frau und den Tod eines Schwimmers. Das nasse Element, Ausgangspunkt allen Lebens, ist bei Boyle immer auch tödliche Bedrohung: Mao geht nur wieder schwimmen, um seine Wiedergeburt einzuleiten, eine Hippie-Kolonie ersäuft fast im Blutregen. In "Tod durch Ertrinken" geschieht alles ganz lapidar, als könne das Leben nicht anders verlaufen: "Er ertrinkt einfach. Eine zufällige Begebenheit, die, so stelle ich mir vor, nichts Ungewöhnliches ist, wenn man die Welt als Ganzes betrachtet."
Boyle spielt in dieser Erzählung mit unserer Angst vor dem Einbruch der Natur. Während am Strand das Mädchen auch noch von seinen vermeintlichen Rettern vergewaltigt wird, spielt sich das Geschehen draußen im Meer ganz beiläufig ab, es hat keine Berührungspunkte zu dem Verbrechen am Ufer. Die Teleologie, die der Mensch allenthalben in seine Entwicklung zu legen liebt, wird vollständig negiert; der Mensch verschwindet grundlos, wie er gekommen ist. "Unerklärlich, unbegreiflich. Nichtsdestotrotz wird es stattfinden."
Thomas Coraghessan Boyle: "Tod durch Ertrinken". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anette Grube. Hanser Verlag, München 1995. 236 S., geb., 34,- DM.
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