Gustav von Achenbach, Experte für postkoloniale Architektur, reist Ende 2006 noch einmal nach Havanna. Dort haben sich die Träume von einst in Luft aufgelöst. Von den hochgelobten Errungenschaften des Sozialismus ist nicht viel übrig geblieben. Die vormals so prächtige Stadt ist zu einem Ruinenhaufen verkommen, der Diktator Fidel Castro liegt im Sterben. Doch es ist weniger der physische als der moralische Verfall, der ihn fasziniert, die Erosion eines Systems, das in einer kaum noch vorstellbaren Vergangenheit die Hoffnungen der Jugend der Welt verkörpert hatte. Achenbach lässt sich willenlos durch die bunte, lebenslustige Menge in den schmutzigen Straßen treiben und gerät auf der Suche nach einem geheimnisvollen jungen Mann auf Abwege.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2008Auf der Suche nach dem Liftboy Ariel
Hans Christoph Buch lässt einen gewissen Achenbach nach Havanna reisen wie einst Thomas Mann seinen Aschenbach nach Venedig - eine schwül-düstere, zitatfreudige Erzählung aus Kubas verfallender Hauptstadt.
Im Jahr der Revolte haben die Achtundsechziger die Literatur für überflüssig erklärt und die Klassiker aus den Fenstern der Seminare geworfen. Andererseits haben sie eigene Enttäuschungen gern in den schmerzensmännlichen Rahmen großer literarischer Vorbilder gestellt. 1973 erschien Peter Schneiders postrevolutionär verkaterte Novelle, die an Büchners "Lenz" andockte. Am Ende der langen Straße der Desillusionierung bietet Hans Christoph Buch nun die Travestie der klassischsten aller Verfallsgeschichten: Thomas Manns "Tod in Venedig", der das irrige Konzept von Autorschaft mit seiner verkrampften Meisterpose verabschiedet.
Buch verabschiedet die Liebe zur kubanischen Revolution, die - man denke nur an das Heiligenbild Che Guevara - zur geistigen Inneneinrichtung seiner Generation gehörte. Gustav von Achenbach (der weggelassene Buchstabe ergibt Sinn), ein älterer Architekt, hat nach der Wende Einkaufszentren, Baumärkte und Lagerhallen ins Berliner Umland gesetzt. Wohlhabend geworden, kann er sich seiner kultursoziologischen Leidenschaft widmen. Als "teilnehmender Beobachter" reist er um die Welt und dokumentiert postkoloniale Architektur. Er kennt die Slums dieser Welt, "seine bebenden Nasenflügel hatten den Geruch brennender Müllberge und den Pesthauch offener Abwasserkanäle eingeatmet". Mit seinem stoppelbärtigen Gesicht sieht er aus wie "ein im Dienst ergrauter Offizier, der bei Beförderungen übergangen wurde". Je grauer, desto heftiger die Gier, junge Körper zu umarmen.
Zu diesem Zweck also: Kuba. Unlängst hat Joachim Lottmann eine skurrile Kuba-Lobhudelei vorgelegt ("Auf der Borderline nachts um halb eins"). Vor zwei Jahren erschien Matthias Polityckis dionysisch überbordender Mammut-Roman "Herr der Hörner", wo das niedergehaltene Land doch zugleich als Reservoir brodelnder Lebensenergien wortmächtig in Szene gesetzt wurde. Buchs Achenbach ist dagegen überhaupt nicht auf Buena Vista Social Club gestimmt, sondern fasziniert von der finalen Erosion eines moribunden Systems, das einmal die "Hoffnungen der Jugend der Welt verkörperte". Auch seine eigenen, denn in einer Rückblende erleben wir den Junglinken bei den Weltfestspielen der Jugend in Habana 1978. Damals hielt er eine anklagende Rede zum Thema Imperialismus. Seine Aufzeichnungen aus jenen Tagen sind allerdings bei allem Sinn für die Errungenschaften der kubanischen Revolution und ungeachtet der Freuden einer Fiesta Cubana durchaus schon skeptisch und ironisch eingefärbt ("Immer mehr blonde Schwedinnen verschwinden spurlos im Schlafsaal der PLO"). Auch für das Gesundheits- und Bildungswesen, seit je das beste Argument aller Kuba-Befürworter, hatte schon der junge Achenbach kaum mehr als Häme übrig.
Kuba: eine Orgie in Moll. Die zerfallende Bausubstanz der Altstadt erinnert inzwischen an die tropfende Kulisse eines Tarkowski-Films; für die Gerüche sind weniger edle Vergleiche zuständig: "La Habana Vieja stank nach Urin wie eine obszöne Greisin, die unter ihren übereinandergezogenen Röcken das Wasser nicht halten kann, während sie auf der Plaza de Armas mit einer überdimensionalen Zigarre für Touristen posiert: Saca un foto / take my picture / voulez-vous coucher avec moi?"
Schon vor dreißig Jahren hatte Achenbach in Kuba erste homosexuelle Erlebnisse. Nun ist er mit verstärktem Appetit zurückgekehrt. Wie der jugendlich geschminkte Aschenbach durch das choleraverseuchte Venedig wankt, so der derangierte Achenbach durch Habana und Santiago de Cuba, auf der Suche nach einem Liftboy namens Ariel, dem er ein euphorisches Bezahlsex-Erlebnis und einen Hieb über den Schädel verdankt, nach dem er sich ausgeraubt in einer Pfütze aus Erbrochenem wiederfand. Statt Che Guevara gilt nun der Marquis de Sade mit der Devise: "Es ist nicht das Objekt der Lust - es ist die Idee des Bösen, die uns erregt!" Sex in Kuba scheint etwas für diejenigen zu sein, die für die gemäßigten Reize lange verloren sind. Eine grimassierende Obszönität grundiert die Erzählung. Es mangelt nicht an schmierigen Barmännern und knüppelbewehrten Polizisten mit hartkonturierten Profilen, jederzeit bereit zu einem schnellen Gang auf die Toilette. Das Gummilaken, mit dem ein Liebeslager bespannt ist, wirkt auf Achenbach so, "als würden hier Pornofilme gedreht oder Embryos abgetrieben". Kubanischer Sex ist immer versetzt mit einer Prise Tod; selbst die lila Fingernägel einer Mulattin sind gekrümmt "wie Geierschnäbel".
Hier ist Buch in seinem Element. Als Antagonist der bundesrepublikanischen Harmlosigkeit hat er, 1944 in Haiti geboren, jahrzehntelang die Bürgerkriegsschauplätze der Welt bereist und dabei ein verdienstvoll informierendes, aber auch etwas unheimliches, gleichsam von Leichengeruch umwehtes Spezialistentum erworben. Man möchte nicht so genau wissen, was den Zaungast gewaltsamer Tode eigentlich antreibt. Offenbar liebt er das Dunkle und Bedrohliche; dunkel und bedrohlich ist auch der "Tod in Habana".
Von einer billigen Parodie kann deshalb keine Rede sein. Vielmehr gibt es ein Netz von feinen Bezügen zu Thomas Manns Vorlage, auch formale Besonderheiten wie das nachgeholte physiognomische Porträt der Hauptfigur kehren wieder. Jede Schullektüre arbeitet am "Tod in Venedig" die stumpfnasigen, zähnebleckenden Todesboten heraus, und so wird der Leser bei Buchs Beschreibung eines Verkäufers am Frankfurter Flughafen aufhorchen: "ein rothaariger Typ mit Sommersprossen, der ihm mit unverhohlener Neugier nachblickte, die wie ein Anus vorgestülpten Lippen schürzend, wobei er sein Gebiss entblößte und leise durch die Zähne pfiff." Auch die überreifen Erdbeeren, an denen sich Aschenbach labt, finden bei Buch ihre Entsprechung in einer unheilschwangeren Mahlzeit: "der zu einer schwärzlichen Masse verschmorte Hühnerschenkel schmeckte wie ein im Erdmittelalter versteinerter Archäopteryx aus der Grube Messel bei Darmstadt - oder war es Heumaden in der Schwäbischen Alb?" Ein Alb auf jeden Fall.
Die erzählerischen Passagen mit ihrer kompakten Beschreibungskunst sorgen dafür, dass dieser Text mehr ist als ein antikubanisches Pamphlet. "Bilder von zeitloser Hässlichkeit" ziehen vorbei: "ein von Fliegen umsummtes Pferd, das mit seinen vorstehenden Zähnen Plastikfetzen aus einem Mülleimer zog; eine Frau mit rosa Büstenhalter trat aus einer Wellblechhütte und leerte einen mit Spülicht gefüllten Trog, während sich wie eine wie Kuba geformte Wolke vor die Sonne schob." Die Wolke beweist hämischen Humor, während das Pferd eine weitere Variation der Todes-Physiognomien darstellt, die bei Thomas Mann den Weg in den Untergang begleiten. Auch Castro selbst, der bei seinen Marathon-Reden "mit seinem ständig verrutschenden Gebiss" kämpft, fügt sich motivisch ein. Nicht nur Thomas Mann, auch viele andere Autoren wie Benn, Platen oder Sartre irrlichtern durch den anspielungsreichen und zitatfreudigen Text. Von Kafka stammt die Messerklinge, die am Ende in Achenbachs mürbes Herz dringt. Worauf er seine Himmelfahrt antritt, business class, versteht sich.
1978 hat Achenbach bei einer Kundgebung ein paar Meter hinter Castro gesessen und so laut " ¡Viva Cuba!" gebrüllt, dass der Máximo Líder zusammenzuckte. Ob dieses Buch aus dem fernen Deutschland den alten Castro noch einmal tüchtig zusammenfahren lässt? Zumindest die hiesige "Cuba sí-Fraktion wird sich ärgern. Freuen dürfen sich die Freunde meinungsstarker und zugleich formal feingeklöppelter Literatur.
WOLFGANG SCHNEIDER
Hans Christoph Buch: "Tod in Habana". Eine Erzählung. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007. 126 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Christoph Buch lässt einen gewissen Achenbach nach Havanna reisen wie einst Thomas Mann seinen Aschenbach nach Venedig - eine schwül-düstere, zitatfreudige Erzählung aus Kubas verfallender Hauptstadt.
Im Jahr der Revolte haben die Achtundsechziger die Literatur für überflüssig erklärt und die Klassiker aus den Fenstern der Seminare geworfen. Andererseits haben sie eigene Enttäuschungen gern in den schmerzensmännlichen Rahmen großer literarischer Vorbilder gestellt. 1973 erschien Peter Schneiders postrevolutionär verkaterte Novelle, die an Büchners "Lenz" andockte. Am Ende der langen Straße der Desillusionierung bietet Hans Christoph Buch nun die Travestie der klassischsten aller Verfallsgeschichten: Thomas Manns "Tod in Venedig", der das irrige Konzept von Autorschaft mit seiner verkrampften Meisterpose verabschiedet.
Buch verabschiedet die Liebe zur kubanischen Revolution, die - man denke nur an das Heiligenbild Che Guevara - zur geistigen Inneneinrichtung seiner Generation gehörte. Gustav von Achenbach (der weggelassene Buchstabe ergibt Sinn), ein älterer Architekt, hat nach der Wende Einkaufszentren, Baumärkte und Lagerhallen ins Berliner Umland gesetzt. Wohlhabend geworden, kann er sich seiner kultursoziologischen Leidenschaft widmen. Als "teilnehmender Beobachter" reist er um die Welt und dokumentiert postkoloniale Architektur. Er kennt die Slums dieser Welt, "seine bebenden Nasenflügel hatten den Geruch brennender Müllberge und den Pesthauch offener Abwasserkanäle eingeatmet". Mit seinem stoppelbärtigen Gesicht sieht er aus wie "ein im Dienst ergrauter Offizier, der bei Beförderungen übergangen wurde". Je grauer, desto heftiger die Gier, junge Körper zu umarmen.
Zu diesem Zweck also: Kuba. Unlängst hat Joachim Lottmann eine skurrile Kuba-Lobhudelei vorgelegt ("Auf der Borderline nachts um halb eins"). Vor zwei Jahren erschien Matthias Polityckis dionysisch überbordender Mammut-Roman "Herr der Hörner", wo das niedergehaltene Land doch zugleich als Reservoir brodelnder Lebensenergien wortmächtig in Szene gesetzt wurde. Buchs Achenbach ist dagegen überhaupt nicht auf Buena Vista Social Club gestimmt, sondern fasziniert von der finalen Erosion eines moribunden Systems, das einmal die "Hoffnungen der Jugend der Welt verkörperte". Auch seine eigenen, denn in einer Rückblende erleben wir den Junglinken bei den Weltfestspielen der Jugend in Habana 1978. Damals hielt er eine anklagende Rede zum Thema Imperialismus. Seine Aufzeichnungen aus jenen Tagen sind allerdings bei allem Sinn für die Errungenschaften der kubanischen Revolution und ungeachtet der Freuden einer Fiesta Cubana durchaus schon skeptisch und ironisch eingefärbt ("Immer mehr blonde Schwedinnen verschwinden spurlos im Schlafsaal der PLO"). Auch für das Gesundheits- und Bildungswesen, seit je das beste Argument aller Kuba-Befürworter, hatte schon der junge Achenbach kaum mehr als Häme übrig.
Kuba: eine Orgie in Moll. Die zerfallende Bausubstanz der Altstadt erinnert inzwischen an die tropfende Kulisse eines Tarkowski-Films; für die Gerüche sind weniger edle Vergleiche zuständig: "La Habana Vieja stank nach Urin wie eine obszöne Greisin, die unter ihren übereinandergezogenen Röcken das Wasser nicht halten kann, während sie auf der Plaza de Armas mit einer überdimensionalen Zigarre für Touristen posiert: Saca un foto / take my picture / voulez-vous coucher avec moi?"
Schon vor dreißig Jahren hatte Achenbach in Kuba erste homosexuelle Erlebnisse. Nun ist er mit verstärktem Appetit zurückgekehrt. Wie der jugendlich geschminkte Aschenbach durch das choleraverseuchte Venedig wankt, so der derangierte Achenbach durch Habana und Santiago de Cuba, auf der Suche nach einem Liftboy namens Ariel, dem er ein euphorisches Bezahlsex-Erlebnis und einen Hieb über den Schädel verdankt, nach dem er sich ausgeraubt in einer Pfütze aus Erbrochenem wiederfand. Statt Che Guevara gilt nun der Marquis de Sade mit der Devise: "Es ist nicht das Objekt der Lust - es ist die Idee des Bösen, die uns erregt!" Sex in Kuba scheint etwas für diejenigen zu sein, die für die gemäßigten Reize lange verloren sind. Eine grimassierende Obszönität grundiert die Erzählung. Es mangelt nicht an schmierigen Barmännern und knüppelbewehrten Polizisten mit hartkonturierten Profilen, jederzeit bereit zu einem schnellen Gang auf die Toilette. Das Gummilaken, mit dem ein Liebeslager bespannt ist, wirkt auf Achenbach so, "als würden hier Pornofilme gedreht oder Embryos abgetrieben". Kubanischer Sex ist immer versetzt mit einer Prise Tod; selbst die lila Fingernägel einer Mulattin sind gekrümmt "wie Geierschnäbel".
Hier ist Buch in seinem Element. Als Antagonist der bundesrepublikanischen Harmlosigkeit hat er, 1944 in Haiti geboren, jahrzehntelang die Bürgerkriegsschauplätze der Welt bereist und dabei ein verdienstvoll informierendes, aber auch etwas unheimliches, gleichsam von Leichengeruch umwehtes Spezialistentum erworben. Man möchte nicht so genau wissen, was den Zaungast gewaltsamer Tode eigentlich antreibt. Offenbar liebt er das Dunkle und Bedrohliche; dunkel und bedrohlich ist auch der "Tod in Habana".
Von einer billigen Parodie kann deshalb keine Rede sein. Vielmehr gibt es ein Netz von feinen Bezügen zu Thomas Manns Vorlage, auch formale Besonderheiten wie das nachgeholte physiognomische Porträt der Hauptfigur kehren wieder. Jede Schullektüre arbeitet am "Tod in Venedig" die stumpfnasigen, zähnebleckenden Todesboten heraus, und so wird der Leser bei Buchs Beschreibung eines Verkäufers am Frankfurter Flughafen aufhorchen: "ein rothaariger Typ mit Sommersprossen, der ihm mit unverhohlener Neugier nachblickte, die wie ein Anus vorgestülpten Lippen schürzend, wobei er sein Gebiss entblößte und leise durch die Zähne pfiff." Auch die überreifen Erdbeeren, an denen sich Aschenbach labt, finden bei Buch ihre Entsprechung in einer unheilschwangeren Mahlzeit: "der zu einer schwärzlichen Masse verschmorte Hühnerschenkel schmeckte wie ein im Erdmittelalter versteinerter Archäopteryx aus der Grube Messel bei Darmstadt - oder war es Heumaden in der Schwäbischen Alb?" Ein Alb auf jeden Fall.
Die erzählerischen Passagen mit ihrer kompakten Beschreibungskunst sorgen dafür, dass dieser Text mehr ist als ein antikubanisches Pamphlet. "Bilder von zeitloser Hässlichkeit" ziehen vorbei: "ein von Fliegen umsummtes Pferd, das mit seinen vorstehenden Zähnen Plastikfetzen aus einem Mülleimer zog; eine Frau mit rosa Büstenhalter trat aus einer Wellblechhütte und leerte einen mit Spülicht gefüllten Trog, während sich wie eine wie Kuba geformte Wolke vor die Sonne schob." Die Wolke beweist hämischen Humor, während das Pferd eine weitere Variation der Todes-Physiognomien darstellt, die bei Thomas Mann den Weg in den Untergang begleiten. Auch Castro selbst, der bei seinen Marathon-Reden "mit seinem ständig verrutschenden Gebiss" kämpft, fügt sich motivisch ein. Nicht nur Thomas Mann, auch viele andere Autoren wie Benn, Platen oder Sartre irrlichtern durch den anspielungsreichen und zitatfreudigen Text. Von Kafka stammt die Messerklinge, die am Ende in Achenbachs mürbes Herz dringt. Worauf er seine Himmelfahrt antritt, business class, versteht sich.
1978 hat Achenbach bei einer Kundgebung ein paar Meter hinter Castro gesessen und so laut " ¡Viva Cuba!" gebrüllt, dass der Máximo Líder zusammenzuckte. Ob dieses Buch aus dem fernen Deutschland den alten Castro noch einmal tüchtig zusammenfahren lässt? Zumindest die hiesige "Cuba sí-Fraktion wird sich ärgern. Freuen dürfen sich die Freunde meinungsstarker und zugleich formal feingeklöppelter Literatur.
WOLFGANG SCHNEIDER
Hans Christoph Buch: "Tod in Habana". Eine Erzählung. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007. 126 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wolfgang Schneider begrüßt Hans Christoph Buchs Erzählung "Tod in Habana", in dem der Kultursoziologe Achenbach durch das zerfallende, stinkende Habana wankt, immer auf der Suche nach schnellem Sex mit jungen Männern. Angesichts des höchst gekonnt gespannten Netzes von Bezügen, Anspielungen und Zitaten auf Thomas Manns "Tod in Venedig" verbietet es sich in Schneiders Augen, von einer "billigen Parodie" zu sprechen. Schneider sieht in Buchs Erzählung vielmehr eine gelungene Travestie. Er schätzt sie darüber hinaus als düsteren und entschiedenen Abgesang auf die kubanische Revolution und das in Agonie dahin vegetierende kommunistische System. Das Werk markiert für ihn das Ende einer der letzten großen Illusionen der 68er-Generation. Besonders beeindruckt hat Schneider die schwüle und bedrohliche Atmosphäre, die der Autor schafft, eine Atmosphäre, in der Sex und Tod untrennbar zusammengehören. Der "Cuba-si-Fraktion" hierzulande wird das Buch nach Schneiders Überzeugung ein Ärgernis sein: "Freuen dürfen sich die Freunde meinungsstarker und zugleich formal feingeklöppelter Literatur."
© Perlentaucher Medien GmbH
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