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Grabmäler dienten im Rom der Frühen Neuzeit nicht nur dazu, die Erinnerung an bedeutende Vorfahren wachzuhalten. Sie boten vor allem auch die Möglichkeit, durch den Hinweis auf lange Traditionslinien Führungsansprüche in der Gegenwart und für die Zukunft zu untermauern. Der Band widmet sich den Grabmälern der gesellschaftlichen Eliten Roms und v. a. denen der Päpste und Kardinäle des 16. Jahrhunderts. Bei der Betrachtung stehen die Auftraggeber, die Künstler sowie die Bestatteten selbst im Blickpunkt. In den Beiträgen geht es um die gesellschaftliche Bedeutung des Grabmals, seine…mehr

Produktbeschreibung
Grabmäler dienten im Rom der Frühen Neuzeit nicht nur dazu, die Erinnerung an bedeutende Vorfahren wachzuhalten. Sie boten vor allem auch die Möglichkeit, durch den Hinweis auf lange Traditionslinien Führungsansprüche in der Gegenwart und für die Zukunft zu untermauern. Der Band widmet sich den Grabmälern der gesellschaftlichen Eliten Roms und v. a. denen der Päpste und Kardinäle des 16. Jahrhunderts. Bei der Betrachtung stehen die Auftraggeber, die Künstler sowie die Bestatteten selbst im Blickpunkt. In den Beiträgen geht es um die gesellschaftliche Bedeutung des Grabmals, seine Rezeptionsgeschichte, seine liturgische Funktion sowie seine Form- bzw. Stilgenese. Das Grabmal musste ästhetischen und kunsttheoretischen Ansprüchen genügen und hatte in seiner Beschaffenheit zugleich politische Relevanz. Die phantasievolle Konstruktion von Familien-Stammbäumen oder die Selbstdarstellung römischer Papstfamilien in der Provinz ergänzten die Grabmäler in ihrer dauerhaften Wirkung entscheidend. Die Selbstinszenierung und die Bemühungen gesellschaftlicher Eliten, in der kollektiven Erinnerung einen festen Platz zu ergattern, das "Wie" und "Warum" dieser teuren und mühsamen Strategien werden mit Methodenvielfalt ergründet und lebendig dargestellt.
Autorenporträt
Reinhardt, Volker
1975/76 Staatsexamen in Geschichte und Französisch
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2004

Roter Hut und rote Socken
Von den Würdenkrausen des Gewesenen: Über den Totenkult der Päpste und die Hatz ums heilige Amt
„Zu klein, viel zu klein ist sie für mein Grab!” So ungefähr könnte Papst Julius II. della Rovere (1503 bis 1513) gestöhnt haben, als er über Alt-St.-Peter, dieses Jahrtausend an steingewordenen Traditionen, nachdachte und sich dort im Geiste seinen Begräbnisplatz erträumte. Michelangelo, den bedeutendsten Künstler des Abendlandes, hatte er dafür schon gewonnen.
Der Plan war gigantisch. So fand zumindest Vasari: Jedes kaiserliche Grabmal sollte es übertreffen, frei sollte es stehen, und das anspruchsvollste Figurenensemble seit der Antike sollte es werden. Nur der architektonische Rahmen, die Konstantinsbasilika, war einfach zu klein dafür. Etwas Neues musste her. So setzte Julius wegen seines Grabmaltraumes schließlich einen Abriss- und Bauprozess in Gang, der nach mehr als einem Jahrhundert zu der uns heute bekannten neuen Peterskirche führte.
Da mit dem Abriss der alten Kirche auch das Ensemble päpstlicher Grablegen des Mittelalters demontiert wurde, ging der Neuanfang der Bestattungspraxis mit einer Metamorphose der Papstgrabmäler zu Grabmonumenten einher. Die Selbstdarstellung und damit das Selbstverständnis des Papsttums hatte sich verändert, von nun an wies es in eine neue Richtung.
Seit drei Jahren werden in dem von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekt „Requiem” die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit in Berlin und in Freiburg (Schweiz) unter der Leitung von Horst Bredekamp und Volker Reinhardt aufgenommen, katalogisiert und untersucht. Dabei geht es um kunsthistorische Grundsatzfragen, wie die eben skizzierte. Da das Projekt historisch-kunsthistorisch ausgerichtet ist, kann man in einer Datenbank (www.requiem-project.de) personengeschichtliche Daten über die Kardinäle der frühen Neuzeit, ihre familiären und klientelären Bindungen, ihre Karrieren, Einnahmen und Ämter finden.
Die Geschichte einer frühmodernen Herrschaftselite ist so in exemplarischer Weise von ihren sozialen Strukturen her konstruierbar. Andererseits betrifft die Materialsammlung die erhaltenen Grablegen von Päpsten und Kardinälen, deren Gestalt, Entstehungszeitraum, Auftraggeber und die beteiligten Künstler. Ziel des Projektes ist es, Antworten auf scheinbar einfache Fragen zu finden, die in Rom beim Betrachten der barocken Papstgrabmäler in der neuen Kirche des Apostelfürsten Petrus trotz allen Augenjauchzens stets präsent bleiben: Warum das alles? Warum soviel Pracht, soviel feinste künstlerische Qualität? Und warum gerade hier?
Das Projekt „Requiem”
Erste Ergebnisse der Forschungen dieses Projekts liegen nun in drei Büchern vor, die von den Leitern und Mitarbeitern des „Requiem”-Projekts herausgegeben und auch teilweise erarbeitet wurden. In den Bänden dechiffrieren sie zusammen mit einer Reihe zusätzlich gewonnener Autoren die Formensprache der beeindruckenden Monumente aus Renaissance und Barock und versuchen, ihre Entstehungsbedingungen zu erschließen.
Nun sind Gräber zu allen Zeiten Haltepunkte der Erinnerungen gewesen, dienten sie natürlich als Verwahrort sterblicher Reste, doch ist ihre Bedeutung für die Lebenden im Sinne der Identifikation und Legitimation wichtiger. Das Papsttum allerdings hatte mit einer - in den Augen der Amtsinhaber - grässlichen Konstruktionsschwäche zu ringen: Nach dem Tode eines jeden Pontifex rutschte seine Entourage von den gerade mühsam erkämpften und erkauften Positionen ins Nichts. Es gab keine dynastische Kontinuität, wie sie die anderen Herrscher in Europa für sich nutzten. Nach jeder Amtszeit begann das Spiel um Macht und Einfluss von Neuem. Deshalb sind gerade die Papstgräber in ihrer Spezifik so interessant. In den Bänden wird daher zu Recht großes Gewicht auf die besondere politische und gesellschaftliche Bedeutung der Grabmalskunst in Rom gelegt, die vor allem der Selbstdarstellung der herrschenden Eliten diente. Die Papstgräber waren letztendlich Legitimationsstrategien von Herrschaft.
Wie sich die Pontifices oft mit Kunst aus den Krisen ihrer Zeit retteten oder in regelrechten Bilderkriegen ihre politischen Programme artikulierten, davon berichten diese höchst anregenden Beiträge. Und man kann außerdem den Bänden entnehmen, wie die Grabfiguren des Quattrocento noch ganz der Liegetradition der Gisants gehorchten, sich mit Julius II. irgendwie etruskisch aufzustützen begannen, um dann ein Jahrhundert später endlich zu thronen, die Segenshand imperial vorstreckend, wie bei Berninis Urban VIII. Barberini (1623 bis 1644). Und noch einmal ein Jahrhundert später gibt es sogar stehende Päpste, so etwa Braccis Benedikt XIV. Lambertini (1740 bis 1758). Ein weiter Bogen sozialgeschichtlich hinterfragter Kunstgeschichte wird hier äußerst spannend dargeboten.
Die Päpste selbst wurden auch in der Frühen Neuzeit vom Kardinalskollegium gewählt. Wie man überhaupt in dieser Zeit Kardinal wurde, erzählt ein anderes, sehr unterhaltsames, von Arne Karsten herausgegebenes Buch, das ebenfalls aus dem Projekt hervorging. Fünfzehn exemplarische Skizzen zeigen, wie Jagden nach dem roten Hut, zu dem übrigens auch rote Socken gehörten, das frühneuzeitliche Karrieremanagement geprägt haben. Es geht um siegessichere Kardinäle, die doch noch am ersehnten Pontifikat vorbeischrammten und um kuriale Karrieristen, an deren Schicksal das Spiel der großen europäischen Mächte ablesbar ist. Im Rom der Renaissance und des Barock empfand man die in kunstvolle Grabmäler investierten Mittel als gut angelegtes Geld. Das kann man von den Aufwendungen für das Forschungsprojekt „Requiem” auch sagen, denn die vorgelegten Ergebnisse eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf scheinbar einfache Fragen und geben höchst unterhaltend Antworten auf die Zusammenhänge von Tod, Macht und Kunst.
Julius II., der Soldatenpapst, hatte Pech mit seinen Träumen. Nicht nur Konstantinopel und Jerusalem blieben unbefreit. Auch seine Vision vom eigenen Grabmal erfüllte sich nicht. Erst 1545, über dreißig Jahre nach seinem Tode, wurde es in stark verkleinerter Form vollendet. Und nicht einmal in St. Peter, sondern in seiner Kardinalskirche S. Pietro in Vincoli wurde das Grab errichtet. In der nun realisierten Größe hätte es vielleicht sogar in der alten Konstantinsbasilika Platz gehabt. Doch die war ja nun schon halb abgerissen, der Neubau jedoch erst halb fertig. Die Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit konstruierter Erinnerung hatte sich auch für den Roverepapst trotz göttlicher Hilfe als unvorhersehbar erwiesen.
OLAF RADER
HORST BREDEKAMP, REINHARDT, VOLKER (Hrsg. in Zusammenarbeit mit Arne Karsten und Philipp Zitzlsperger): Totenkult und Wille zur Macht. Die unruhigen Ruhestätten der Päpste in St. Peter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004. 255 S. mit zahlr. Abb., 49,90 Euro.
ARNE KARSTEN, PHILIPP ZITZLSPERGER (Hrsg.): Tod und Verklärung. Grabmalskultur in der Frühen Neuzeit. Böhlau Verlag, Köln 2004. 312 S. mit zahlr. Abb., 39,90 Euro.
ARNE KARSTEN (Hrsg.): Jagd nach dem rote Hut. Kardinalskarrieren im barocken Rom. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004. 304 S. mit 9 Abb., 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Recht angetan zeigt sich Olaf Rader von diesem Band, der Ergebnisse des von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten und mit der Erforschung von römischen Papst- und Kardinalgräbern betraute Projekt "Requiem" vorstellt. Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes sieht er die Entschlüsselung der Formensprache von Monumenten aus der frühen Neuzeit sowie der Klärung ihrer Entstehungsbedingungen. Anhand der Grabmalskultur rekonstruiere der Band in exemplarischer Weise die Geschichte einer frühmodernen Herrschaftselite von ihren sozialen Strukturen her. "Ein weiter Bogen sozialgeschichtlich hinterfragter Kunstgeschichte", so resümiert der Rezensent, "wird hier äußerst spannend dargeboten."

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