Eschbach ist immer gut. Und manchmal ist Eschbach noch besser. So wie hier. Im "Todesengel" kommt alles zusammen: Hochaktuelle Thematik, persönlicher Bezug zu jedem, Spannung und ein unheimliches emotionales Potential. Hab ich mich aufgeregt!
Aber von vorn: Erich Sassbeck wird an der
U-Bahn-Haltestelle von Randalierern zusammengeschlagen. Sie treten noch auf ihn ein, als er schon wehrlos am…mehrEschbach ist immer gut. Und manchmal ist Eschbach noch besser. So wie hier. Im "Todesengel" kommt alles zusammen: Hochaktuelle Thematik, persönlicher Bezug zu jedem, Spannung und ein unheimliches emotionales Potential. Hab ich mich aufgeregt!
Aber von vorn: Erich Sassbeck wird an der U-Bahn-Haltestelle von Randalierern zusammengeschlagen. Sie treten noch auf ihn ein, als er schon wehrlos am Boden liegt. So weit, so häufig passiert. Und leider zunehmend häufiger. Als er schon mit dem Leben abgeschlossen hat, erscheint eine strahlende Gestalt und schießt die Schläger wortlos in den Kopf. Aber dann geht's los: Das erste, was Erich Sassbeck sieht, als er wieder aufwacht, ist ein steriles weißes Krankenhauszimmer - und ein Polizist, der ihn informiert, gegen ihn werden Ermittlungen eingeleitet und ihm werde vorgeworfen, in Selbstjustiz die Schläger erschossen zu haben.
Ein junger Journalist nimmt sich des Themas an und bringt einiges ans Licht - während der Todesengel immer wieder Gewalttäter erschießt. Doch das Buch bleibt dabei nicht stehen. Bis zu diesem Punkt ist jedem die Situation in unserem Land geläufig. Aber dann richtet der Autor den Fokus auf etwas völlig Ungewöhnliches und gewöhnlich Unbeachtetes: Die Opfer. Jede auch noch so kleine Nebenrolle wird mit einem ausgefeilten Charakter besetzt, was das Lesen zum Genuß macht.
Unser Staat gefällt sich darin, den Tätern auf alle erdenkliche Weise unter die Arme zu greifen. Das ist ja auch in Ordnung. Heerscharen von Soziologen, Psychologen, Pädagogen und sonstigen -ogen bemühen sich, mit viel Aufwand die Straftäter wieder auf den Weg der Tugend zu bringen. Mit recht mäßigem Erfolg.
Die Opfer dagegen bleiben in aller Regel allein zurück. Schmerzensgeld oder irgendwelche Entschädigungen können die Täter nicht leisten, Sozialstunden werden nicht abgeleistet, Gefängnisaufenthalte werden so weit wie möglich gekürzt oder ganz ausgesetzt. "Man könnte meinen, der Staat hat es darauf abgesehen, Gewalttätige möglichst schnell wieder auf die Bevölkerung loszulassen".
... und dann kommt die Steigerung der Perversität: Helfer, die den Opfern beistehen, werden dafür noch bestraft. Wenn dem Täter bei seiner Tat aufgrund des Einschreitens eines Helfers etwas zustößt, wird der Helfer ohne Gnade zu Schadensersatz verurteilt! Und weil diese Helfer in aller Regel zahlungsfähig sind, entsteht die paradoxe Situation, daß der Täter nicht belangt wird - und somit das Opfer ohne Schadensersatz zurückbleibt -, während der Helfer wiederum dem Täter Schadensersatz leisten muß - und dabei nicht selten selbst in den Ruin getrieben wird. Diese Thematik kommt im Buch zum Zuge, neben einigem anderen.
Die Gewaltexzesse in unserem Land sind schon für sich genommen schlimm genug, aber wenn man diese Folgen auch noch wahrnimmt, zweifelt man daran, in einem Rechtsstaat zu leben. Abgerundet wird in der Handlung jede nur denkbare Situation thematisiert und in gewohnt spannender Manier in eine sinnvolle Handlung eingebettet - ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern Fakten liefert, die dem Leser unter die Haut gehen.
Wie immer schreibt Andreas Eschbach am Puls der Zeit, trifft den Nerv der Leser, dreht die Spannung bis aufs Äußerste auf und hält sie von der ersten bis zur letzten Seite - und informiert im Vorbeigehen über die Bandbreite des Hintergrunds. Infotainment vom Besten! Hoffentlich wird dieses Buch ein richtiger Kassenschlager und findet allgemeine Beachtung. Vielleicht passiert dann was.
Ernst, tief, erschütternd und aufwühlend, dabei ehrlich, wahr und voller Aussage. Das Lesen hat mir viel gebracht und das Buch wird mich sicher noch wochenlang beschäftigen. Den "Todesengel" sollte jeder gelesen haben! Maximalpunktzahl.