Die jüdische Zwangsorganisation: im Zwiespalt zwischen Rettung und Preisgabe ihrer Leidensgenossen.1939 wurden alle deutschen Juden (mit Ausnahme der in sog. Mischehen lebenden) von den Nationalsozialisten in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zusammengefasst. Deren Funktionäre begaben sich auf eine Gratwanderung, die für die meisten von ihnen tödlich endete: Sie hofften, die Auswanderung der Juden fördern, die Auswirkungen der antisemitischen Maßnahmen abmildern und für eine jüdische Restgemeinschaft in Deutschland sorgen zu können. Als der NS-Staat im Herbst 1941 die Auswanderung verbot und zu systematischen Deportationen überging, entschlossen sich die führenden Funktionäre, Zuarbeiten zu leisten, um »Schlimmeres zu verhüten«. Doch die Strategie der Kooperation verschaffte ihnen keine größeren Handlungsspielräume, stattdessen gerieten sie immer mehr in Opposition zu ihren Zwangsmitgliedern. Ab Juni 1943, als fast alle »ungeschützten« Juden und auch ihre Funktionäredeportiert worden waren, betreuten jüdische »Vertrauensmänner« einer Rest-Reichsvereinigung die in Mischehe lebenden Juden. Beate Meyer untersucht auch deren Umgang mit Verfolgern wie Mitgliedern und geht, da die meisten dieser letzten Funktionäre überlebten, deren Schicksal nach dem Krieg nach.Ausgezeichnet mit dem »Joseph Carlebach Preis 2012/13«
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der hier rezensierende Historiker und Leiter der Forschungsstelle für NS-Verbrechen Ludwigsburg, Wolfram Pyta, spendet Beate Meyer für ihr Buch über die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" höchstes Lob. Der Historikerin gelingt es, in ihrer umfassenden Monografie die prekäre Stellung der Organisation, die zunächst die Massenauswanderung deutscher Juden vorantreiben sollte und später zu Zuarbeitung zum Holocaust gezwungen wurde, in ihren komplexen Zusammenhängen darzustellen, so der Rezensent anerkennend. Die Autorin kommt zu dem Urteil, dass es vor allem "mangelnde Einsicht in die Strukturen des Entscheidungshandeln" der NS-Verwaltung war, was die jüdischen Führungskräfte der "Reichsvereinigung in ihre verzweifelte Position brachte, erklärt Pyta zustimmend. Er attestiert Meyer Verhältnismäßigkeit im Urteil, sensible Quellenauswertung, die die Persönlichkeiten des "Reichsverbandes" hervortreten lässt, und einen fruchtbaren kulturhistorischen Ansatz, der auch die Zwischentöne einer höchst prekären Position verständlich macht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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