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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2007

Tatort Rhein-Main
Stadt, Land, Tod

Verbrechen gedeihen nicht nur in der großen Stadt. Schlechte Menschen mit dem Drang zu bösen Taten können auch auf dem Land zu Hause sein. Ein Gleiches gilt für Krimi-Autoren. Zwischen Wiesbaden und dem Odenwald hat sich der Regionalkrimi prächtig entwickelt. Ein Überblick. Von Katharina Iskandar und Florian Balke

Von Katharina Iskandar und Florian Balke

- Der Umschlag des Buches verrät es schon: Bei Alexander Pfeiffer zählt die Geschwindigkeit. Nicht nur, dass der Protagonist in "So wie durchs Feuer hindurch" gern in schnellen Sportwagen sitzt. Pfeiffer legt auch beim Erzählen an Tempo zu - was vielleicht daran liegt, dass der Wiesbadener eine Leidenschaft für Slam-Poetry pflegt. Strenggenommen wäre sein Roman, in dem es um Mord, Drogengeschäfte und Erpressung geht, besser in Frankfurt angesiedelt, denn so richtig vorstellbar sind die Verfolgungsjagden zwischen der Hauptfigur Art Pfeilschifter und diversen Verbrecherorganisationen im beschaulichen Wiesbaden nicht. Gleichzeitig ist diese scheinbare Diskrepanz aber auch eine Stärke des Romans, da endlich auch einmal die hessische Hauptstadt von einer durch und durch verdorbenen Seite gezeigt wird. Pfeilschifter arbeitet nämlich für einen Gauner, der mit zwielichtigen Erotik-Magazinen reich geworden ist; nebenbei verkauft er Drogen. Verruchter geht es - für Wiesbadener Verhältnisse - wohl kaum. Auch für Musikfreunde ist etwas dabei. Im Anhang hat Pfeiffer eine Liste angeführt: "Empfohlener Soundtrack zu diesem Buch".

Alexander Pfeiffer: "So wie durchs Feuer hindurch". Roman. Societäts Verlag, Frankfurt 2006. 320 S., gebunden, 14,80 [Euro].

- Zugegeben, das Cover schreckt etwas ab. Es ist knallrot, und das Bild sieht aus, als wäre der Computer bei der Bildbearbeitung abgestürzt. Dennoch: Werfen Sie bitte alle ästhetischen Vorurteile über Bord, denn dieses Buch ist wirklich lesenswert. Im Mittelpunkt steht der Privatdetektiv Frederic Feuerbach - kurz FF genannt. Er soll den Wiesbadener Bürgermeisterkandidaten Dietrich Wernicke beschatten und wird skeptisch, als dieser plötzlich am Tag seiner Hochzeit stirbt. Das Herz-Kreislauf-Versagen entpuppt sich natürlich als Mord, den Feuerbach aufklären will. Die Kriminalromane des Autorenduos Richard Lifka und Joachim Biehl alias Elka Vrowenstein gehören zu dem Humorvollsten, was an Krimis aus der Region zu finden ist. Die Charaktere sind liebenswert, und die Schauplätze strotzen vor Lokalkolorit. "Wir haben aus Spaß angefangen zu schreiben", sagt Lifka, der nach eigenen Angaben eher der impulsive Ideengeber ist, während sein Kollege Joachim Biehl die Logik der Handlungsstränge beäugt. Den Spaß merkt man den Autoren in ihren Büchern an, von denen es zum Glück noch mehr gibt.

Elka Vrowenstein: "Wiesbadener Roulette". Kriminalroman. Brücken Verlag, Wiesbaden 2005. 152 S., 9 [Euro].

- Zuerst wird Monteverdis "Marienvesper" in der Basilika von Kloster Eberbach aufgeführt, dann lässt ein Starkregen den unter dem Kloster verborgenen Bachlauf anschwellen, alles versinkt in den hereinbrechenden Wassermassen, und in Eltville und Fulda werden zwei Leichen gefunden. Es ist eine veritable Sintflutlandschaft, mit der Berndt Schulz seinen "Regenmord" anheben lässt. Das Menschenbild von Kommissar Martin Velsmann, der früher viel davon gehalten hat, Verbrecher wieder auf die rechte Bahn zurückzuführen, wird schwer geprüft. Kein Wunder, bekommt er es bei seinen Nachforschungen doch mit den nationalsozialistischen Verbrechen an Behinderten zu tun. Da gibt es einiges zu sühnen. In seinen lesenswerten Krimis geht es Schulz nicht um eine Tat und ihre Aufklärung, sondern um ein weiter gefasstes Bild: "Das Verbrechen ist der Fingerabdruck der Gesellschaft." Trotzdem schätzt er an der Gattung Krimi und ihrer lokalen Ausprägung den Zwang zur Exaktheit: "Jeder Krimi ist im Grunde ein Regionalkrimi, weil er konkret werden muss."

Berndt Schulz: "Regenmord". Kriminalroman. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2007. 389 S., Taschenbuch, 8,95 [Euro].

- Was treibt jemanden dazu, nachts in das Mainzer Gutenberg-Museum einzubrechen, dort auf grausame Weise einen Wachmann zu töten und uralte Bleilettern zu stehlen? Und warum tötet dieser Jemand anschließend weiter und meißelt auf den Schädeln der Opfer lateinische Sentenzen ein? Die beiden Ermittler Frank Passfeller und Tillmann Grosch von der fiktiven BKA-Sondereinheit SK 66 stehen vor einem Rätsel, und der Leser rätselt mit. "Der Schädeltypograph" ist wohl einer der ungewöhnlichsten Kriminalromane aus der Region. Er ist stellenweise düster und gruselig, sein Plot aber ist klug durchdacht. Dabei ist es dem Autorenduo Jens Lossau und Jens Schumacher vor allem hoch anzurechnen, dass sie sich nicht in bizarre Handlungsstränge verrennen, wie es Autoren von mystischen Thrillern sonst gern tun. Stattdessen erzählen sie ihre Geschichte so, als hätte sie sich wirklich zugetragen. Außerdem haben Lossau und Schumacher nette Kommissare erschaffen - Passfeller und Grosch sind schrullig, ständig am Essen und lieben guten Kaffee. Das ist echt.

Jens Lossau und Jens Schumacher: "Der Schädeltypograph". Roman. Societäts Verlag, Frankfurt 2002. 252 S., gebunden, 17,90 [Euro].

- In jeder Stadt gibt es Orte, deren Existenz die meisten Bürger längst vergessen haben. Neben den Leuten vom Verein für Stadtteilgeschichte hat nur der KrimiAutor, ständig auf der Suche nach dem Stoff seines nächsten Romans, die Augen offen gehalten. In "Zarengold" macht Michael Kibler die Brauereitunnel östlich des Stadtschlosses zum Ort des Leichenfundes, mit dem sein zweiter Darmstadt-Krimi anhebt. Lange wurde hier das Bier gelagert, das lokale Brauereien herstellten, nun ist das kahle Gewölbe der Ort, an dem das Leben einer jungen Russin tragisch endet, weil das Spiel, auf das sie sich einließ, ihr über den Kopf wuchs. Dem Autor des Buches sind seinerseits die Russland-Versatzstücke, mit denen er die Handlung seines zweiten Romans in Gang setzt, eine Nummer zu bunt geraten - es hätte nicht gleich ein Plot sein müssen, der Fabergé-Juwelen mit der Russischen Kapelle auf der Mathildenhöhe verknüpft und auf diese Weise sehr tief in die Klischeekiste greift. Der Segen des Regionalkrimis, das interessante Motiv, das aus dem Lokalen ins Große verweist, kann eben auch zum Fluch eines Buches werden. Das Leben von Kiblers entwurzelter Hauptfigur, die in der neuen Heimat einen Blumenladen übernehmen möchte und stattdessen zur Erpresserin wird, klingt da schon viel heutiger. Überhaupt wird sein Krimi all den Lesern gefallen, die es schätzen, wenn geruhsam Zwischenmenschliches dargestellt wird.

Michael Kibler: "Zarengold". Ein Darmstadt-Krimi. Piper Verlag, München 2007. 329 S., Taschenbuch, 14,90 [Euro].

- "Schöne Gegend" nannte Libor Schaffer das Anfangskapitel seines ersten Odenwald-Krimis. "Tod im Felsenmeer" erschien 2005 und tat, was Regional-Krimis gerne tun. Er veranschaulichte die Erfahrung, dass Verbrechen in das normale Leben einbrechen wie eine Naturkatastrophe, am Fund eines Mordopfers inmitten landschaftlicher Idylle. Steckte damals einer Leiche in der Felslandschaft bei Reichenbach ein Messer im Rücken, so hat der Mörder sein Opfer in Schaffers neuem Roman an den vierhundert Jahre alten Galgen von Beerfelden gehängt. Auch "Tod am Galgen" lebt von Schaffers Hauptfigur, dem freundlichen Privatdetektiv Tobias Bloch aus dem beschaulichen Heubach. Er betreibt das Aufklären von Geheimnissen zwar beruflich, ist aber Nachkomme einer langen Ahnenreihe von Amateur-Ermittlern. Die ehrwürdige Krimifigur der Privatperson, die herausfindet, was hinter dem Verbrechen in ihrem Umkreis steckt, ist in letzter Zeit vor lauter ermittelnden Pathologen und Staatsanwältinnen etwas zu kurz gekommen. In Tobias Bloch kehrt sie zurück.

Libor Schaffer: "Tod am Galgen". Ein Odenwald-Krimi. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2007. 366 S., gebunden, 14,80 [Euro].

- Frankfurt ist ein Vorort von Offenbach, findet Peter Brandt. Er ist Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei und nach seiner Frankfurter Kollegin Julia Durant die zweite Ermittlerfigur, die Bestseller-Autor Andreas Franz erfunden hat. In "Tod eines Lehrers" hatte er vor drei Jahren seinen ersten Auftritt. Seitdem hat er dreimal nach der Wahrheit gefahndet und in diesem Jahr auch seine Frankfurter Kollegin Durant kennengelernt. Seinem Offenbacher Polizisten hat Franz, der Familienmensch, eine intaktere Umgebung mitgegeben als ihr. Brandt hat aufsässige Töchter, lebensweise Eltern und eine glücklichere Hand dabei, die eigene Vereinsamung zu verhindern. Was er ebenso wenig aufhalten kann wie sein Schöpfer, ist das, was die von ihm gejagten Verbrecher Kindern antun. Es ist ein Thema, das Andreas Franz besonders am Herzen liegt. Er, der sehr offen von der schweren Behinderung seines jüngsten Sohnes spricht und als Kind beständig um seine vom Vater schwer misshandelte Mutter fürchten musste, sieht es gerne, wenn man seine Mitmenschen liebt.

Andreas Franz: "Tod eines Lehrers". Kriminalroman. Knaur Taschenbuch Verlag, München 2004. 363 S., Taschenbuch, 8,95 [Euro].

- Ein Serienmörder geht um: Zuerst wird ein Musikproduzent ermordet, dann der Manager einer berühmten Rapperin. Die Taten werden inszeniert wie eine Kreuzigung. Hauptkommissar Christoph Caspari ermittelt und jagt den Täter durch das Rhein-Main-Gebiet: von Frankfurt über Hanau und Gelnhausen bis nach Mainz - bis Caspari dem Mörder schließlich Auge in Auge gegenübersteht. Für einen Pfarrer mag es nicht gerade üblich sein, sich mit derart grauenvollen Taten zu beschäftigen, wie Matthias Fischer es in seinen Romanen tut. Man könnte aber auch mit den Worten des Autors selbst argumentieren, der sagt: "Doch! Als Pfarrer erst recht." Denn in seinen Romanen geht es um Gut und Böse, Schuld und Sühne - und darum, dass das Gute am Ende siegt. "Mich fasziniert die Frage, wie man das Böse bekämpfen kann", sagt der Shakespeare-Fan. Denn damit könne sich jeder identifizieren, "die wenigsten Menschen leben doch im Wolkenkuckucksheim".

Matthias Fischer: "Tödliche Verwandlung". Roman. vmn Verlag M. Naumann, Nidderau 2007. 413 S. gebunden, 19 [Euro].

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