Die umfassende Geschichte der Rote Armee Fraktion und ihrer "drei Generationen": Von den Anfängen Ende der sechziger Jahre bis zur Selbstauflösung 1998.
Butz Peters rekonstruiert das spannendste und gewalttätigste Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte: Fast dreißig Jahre lang hielt die RAF die Bundesrepublik in Atem. Eine Reise durch die Zeit. Durch unsere Geschichte.
Die Zahlen sind in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig: 62 Tote. 230 Verletzte. 250 Millionen Euro Schaden. 11 MillionenSeiten Ermittlungsakten. 1.500 Verurteilte.
Das ist die Bilanz der Rote Armee Fraktion.
Sie geht zurück auf die Idee einer Revolution in Deutschland, die Ulrike Meinhof und Andreas Baader entwickelten und deren Umsetzung sie verfolgten. Fast dreißig Jahre lang, von 1970 bis 1998, versetzte diese Idee die Bundesrepublik in Furcht und Schrecken. Viele Täter sind bis heute nicht gefasst. Die Geschichte eines tödlichen Irrtums.
Butz Peters rekonstruiert die Geschichte der RAF anhand von Unt
Butz Peters rekonstruiert das spannendste und gewalttätigste Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte: Fast dreißig Jahre lang hielt die RAF die Bundesrepublik in Atem. Eine Reise durch die Zeit. Durch unsere Geschichte.
Die Zahlen sind in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig: 62 Tote. 230 Verletzte. 250 Millionen Euro Schaden. 11 MillionenSeiten Ermittlungsakten. 1.500 Verurteilte.
Das ist die Bilanz der Rote Armee Fraktion.
Sie geht zurück auf die Idee einer Revolution in Deutschland, die Ulrike Meinhof und Andreas Baader entwickelten und deren Umsetzung sie verfolgten. Fast dreißig Jahre lang, von 1970 bis 1998, versetzte diese Idee die Bundesrepublik in Furcht und Schrecken. Viele Täter sind bis heute nicht gefasst. Die Geschichte eines tödlichen Irrtums.
Butz Peters rekonstruiert die Geschichte der RAF anhand von Unt
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2005Wann erscheint "Citizen Schily"?
Der Name "Rote Armee Fraktion" machte von Anfang an klar, wer man war und woher man kam: Man sah sich als einen Teil, nicht als das Ganze, man kam aus der linken Bewegung, die sich im Sommer 1969 in Fraktionen aufzulösen begann: Es gab etwa die "ML-Fraktion" (die maoistischen Marxisten-Leninisten), die ihrerseits aus der "Lederjacken-Fraktion" hervorgegangen war, andererseits die "Sponti-Fraktion". Und als Fraktion war man auch weiterhin Teil eines angenommenen Ganzen - bis 1977, bis zu den Morden an Buback, Ponto und Schleyer und den Stammheimer Selbstmorden. Um 1970 konnten sich die Untergetauchten in der westdeutschen Linken ja doch bewegen wie der Fisch im Wasser, die Rede von den "Sympathisanten", die damals aufkam, war ja keineswegs völlig überzogen. Als Andreas Baader 1970 in Berlin festgenommen wurde, hatte er den Personalausweis des Schriftstellers Peter O. Chotjewitz bei sich.
Zwischen der "ersten Generation" der RAF, die im Herbst 1977 tot war oder andere Richtungen eingeschlagen hatte, und der "dritten", die Herrhausen ermordete, gibt es keine personelle Kontinuität, ja man weiß nicht einmal, wer genau am Ende, 1998, die Auflösungserklärung der Gruppe verfaßt hat. Nur eines ist klar, und Butz Peters spricht es in seiner umfassenden Geschichte der RAF deutlich aus: Eine ideologisch hochmotivierte Gruppe hat eigene Stabilisierungsfaktoren, die auch neue Akteure immer wieder binden können (Butz Peters: "Tödlicher Irrtum". Die Geschichte der RAF. Argon-Verlag, Berlin 2004. 807 S., geb, Abb., 24,90 [Euro]).
Zu diesen ideologischen Momenten gehörte die platte Lüge. Der Selbstmord von Ulrike Meinhof in Stammheim wurde als staatlich organisierter Mord ausgegeben, ebenso der Tod von Holger Meins nach einem Hungerstreik - noch einmal hören wir den Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, diesmal mit einem Satz aus dem vergangenen Herbst, als sich Meins' Todestag zum dreißigsten Mal jährte: "Die Anstaltsärzte hatten ihn verhungern lassen, um die anderen Gefangenen zu veranlassen, ihren Hungerstreik abzubrechen." Butz dokumentiert dagegen den Befehl von Gudrun Ensslin, in dem es knapp "runter!" hieß - runter nämlich mit dem Gewicht; noch wog Meins zuviel, um als Hungerstreiker glaubhaft zu sein. Auf einer Stuttgarter Pressekonferenz nach dem Tod von Holger Meins erklärte Otto Schily, damals Anwalt der RAF, "daß die im Hungerstreik befindlichen Gefangenen in Raten hingerichtet werden". Etwa hier begann der "Mythos RAF".
Das Buch von Butz Peters läßt in puncto Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig, es reicht von den ersten Anschlägen, noch vor der Gründung der RAF, bis zu den Raubüberfällen, die nach der Auflösung der Gruppe offenbar nur mehr zur privaten Finanzierung unternommen wurden. Auch ist es flott geschrieben, nur könnte man einwenden, daß diese seine Tugend ihm zum Laster ausschlägt, wenn Peters an manchen Stellen der Manier nachgibt, nicht einmal mehr in ganzen Sätzen zu formulieren: "Andreas redet aus dem Bauch heraus. Poltert gern herum. Gudrun ist genau das Gegenteil. Sie hört zu. Wägt ab. Formuliert mit Verstand. Kurz und bündig. Landet auf dem Punkt." Aber das sind Kleinigkeiten, die nur für kurze Zeit die Lust an diesem stoffgesättigten Buch verderben können.
Zu den Lügen gehörte auch die von der "Isolationsfolter", der die inhaftierten Mitglieder unterworfen gewesen seien. Niemand dürfte das besser wissen als der Rechtsanwalt Kurt Groenewold, damals Schaltstelle des "Info-Systems" der RAF, heute Chef einer Erbengemeinschaft, der in Hamburg viertausend Mietwohnungen gehören. Für die Firma Aurelius Immobilien AG, die gerade das Silo am Schellerdamm im Harburger Hafen saniert hat, plant Groenewold mit einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro "ein modernes Businesscenter", wie man kürzlich der Presse entnehmen konnte.
Und es trifft sich, daß man auch im Groenewold-eigenen Rotbuch-Verlag, wo einmal das "Konzept Stadtguerilla" aus der Feder von Ulrike Meinhof erschienen war, wieder auf Peter O. Chotjewitz trifft, der ein Buch über seine Ängste während der Fahndungen 1977 geschrieben hat, von Groenewold benachwortet. Im vergangenen Jahr erinnerte Chotjewitz, wie erwähnt, an Holger Meins und geißelte dabei die "Staatsfetischisten und Anhänger der versammelten Scheiße, die sich Bundesrepublik Deutschland nennt". Daß Chotjewitz "sprachbewußt formuliert", hatte zuvor schon die Jury des Literaturpreises der Stadt Stuttgart festgehalten und ihn im Jahr 2000 für seine "literarischen Qualitäten" ausgezeichnet.
Es sind aber nicht nur diese mehr oder weniger kuriosen Verwandlungen oder Rückfälle der "Sympathisantenszene", die die Beschäftigung lohnen. Alle Fragen, die das Buch von Butz Peters in seiner Beziehung auf die Gegenwart aufwirft, bündeln sich in der Figur des prominentesten RAF-Anwalts. Ein Buch mit dem Titel "Citizen Schily" gehört auf die Wunschliste ganz nach oben. Wer den Innenminister kürzlich bei Sabine Christiansen sehen konnte, wie er im Ton eines Ober-Sheriffs jedem über den Mund fuhr, der den leisesten Dissens zur EU-Türkei äußerte, findet in dem schneidend-anklagenden Ton, den er in Stammheim anschlug, manche Parallelen, sei es auch nur im kaum gezügelten Willen zur Macht. Für Peter O. Chotjewitz bleibt die Sartre-Rolle: "Der Idiot der Familie". Für Otto Schily aber, der sich unlängst im Streit um die geplante Berliner Ausstellung "Mythos RAF" strikt gegen Bundeszuschüsse aussprach, wird man diesmal an den Part des Dorfrichters Adam aus dem "Zerbrochenen Krug" denken müssen.
LORENZ JÄGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Name "Rote Armee Fraktion" machte von Anfang an klar, wer man war und woher man kam: Man sah sich als einen Teil, nicht als das Ganze, man kam aus der linken Bewegung, die sich im Sommer 1969 in Fraktionen aufzulösen begann: Es gab etwa die "ML-Fraktion" (die maoistischen Marxisten-Leninisten), die ihrerseits aus der "Lederjacken-Fraktion" hervorgegangen war, andererseits die "Sponti-Fraktion". Und als Fraktion war man auch weiterhin Teil eines angenommenen Ganzen - bis 1977, bis zu den Morden an Buback, Ponto und Schleyer und den Stammheimer Selbstmorden. Um 1970 konnten sich die Untergetauchten in der westdeutschen Linken ja doch bewegen wie der Fisch im Wasser, die Rede von den "Sympathisanten", die damals aufkam, war ja keineswegs völlig überzogen. Als Andreas Baader 1970 in Berlin festgenommen wurde, hatte er den Personalausweis des Schriftstellers Peter O. Chotjewitz bei sich.
Zwischen der "ersten Generation" der RAF, die im Herbst 1977 tot war oder andere Richtungen eingeschlagen hatte, und der "dritten", die Herrhausen ermordete, gibt es keine personelle Kontinuität, ja man weiß nicht einmal, wer genau am Ende, 1998, die Auflösungserklärung der Gruppe verfaßt hat. Nur eines ist klar, und Butz Peters spricht es in seiner umfassenden Geschichte der RAF deutlich aus: Eine ideologisch hochmotivierte Gruppe hat eigene Stabilisierungsfaktoren, die auch neue Akteure immer wieder binden können (Butz Peters: "Tödlicher Irrtum". Die Geschichte der RAF. Argon-Verlag, Berlin 2004. 807 S., geb, Abb., 24,90 [Euro]).
Zu diesen ideologischen Momenten gehörte die platte Lüge. Der Selbstmord von Ulrike Meinhof in Stammheim wurde als staatlich organisierter Mord ausgegeben, ebenso der Tod von Holger Meins nach einem Hungerstreik - noch einmal hören wir den Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, diesmal mit einem Satz aus dem vergangenen Herbst, als sich Meins' Todestag zum dreißigsten Mal jährte: "Die Anstaltsärzte hatten ihn verhungern lassen, um die anderen Gefangenen zu veranlassen, ihren Hungerstreik abzubrechen." Butz dokumentiert dagegen den Befehl von Gudrun Ensslin, in dem es knapp "runter!" hieß - runter nämlich mit dem Gewicht; noch wog Meins zuviel, um als Hungerstreiker glaubhaft zu sein. Auf einer Stuttgarter Pressekonferenz nach dem Tod von Holger Meins erklärte Otto Schily, damals Anwalt der RAF, "daß die im Hungerstreik befindlichen Gefangenen in Raten hingerichtet werden". Etwa hier begann der "Mythos RAF".
Das Buch von Butz Peters läßt in puncto Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig, es reicht von den ersten Anschlägen, noch vor der Gründung der RAF, bis zu den Raubüberfällen, die nach der Auflösung der Gruppe offenbar nur mehr zur privaten Finanzierung unternommen wurden. Auch ist es flott geschrieben, nur könnte man einwenden, daß diese seine Tugend ihm zum Laster ausschlägt, wenn Peters an manchen Stellen der Manier nachgibt, nicht einmal mehr in ganzen Sätzen zu formulieren: "Andreas redet aus dem Bauch heraus. Poltert gern herum. Gudrun ist genau das Gegenteil. Sie hört zu. Wägt ab. Formuliert mit Verstand. Kurz und bündig. Landet auf dem Punkt." Aber das sind Kleinigkeiten, die nur für kurze Zeit die Lust an diesem stoffgesättigten Buch verderben können.
Zu den Lügen gehörte auch die von der "Isolationsfolter", der die inhaftierten Mitglieder unterworfen gewesen seien. Niemand dürfte das besser wissen als der Rechtsanwalt Kurt Groenewold, damals Schaltstelle des "Info-Systems" der RAF, heute Chef einer Erbengemeinschaft, der in Hamburg viertausend Mietwohnungen gehören. Für die Firma Aurelius Immobilien AG, die gerade das Silo am Schellerdamm im Harburger Hafen saniert hat, plant Groenewold mit einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro "ein modernes Businesscenter", wie man kürzlich der Presse entnehmen konnte.
Und es trifft sich, daß man auch im Groenewold-eigenen Rotbuch-Verlag, wo einmal das "Konzept Stadtguerilla" aus der Feder von Ulrike Meinhof erschienen war, wieder auf Peter O. Chotjewitz trifft, der ein Buch über seine Ängste während der Fahndungen 1977 geschrieben hat, von Groenewold benachwortet. Im vergangenen Jahr erinnerte Chotjewitz, wie erwähnt, an Holger Meins und geißelte dabei die "Staatsfetischisten und Anhänger der versammelten Scheiße, die sich Bundesrepublik Deutschland nennt". Daß Chotjewitz "sprachbewußt formuliert", hatte zuvor schon die Jury des Literaturpreises der Stadt Stuttgart festgehalten und ihn im Jahr 2000 für seine "literarischen Qualitäten" ausgezeichnet.
Es sind aber nicht nur diese mehr oder weniger kuriosen Verwandlungen oder Rückfälle der "Sympathisantenszene", die die Beschäftigung lohnen. Alle Fragen, die das Buch von Butz Peters in seiner Beziehung auf die Gegenwart aufwirft, bündeln sich in der Figur des prominentesten RAF-Anwalts. Ein Buch mit dem Titel "Citizen Schily" gehört auf die Wunschliste ganz nach oben. Wer den Innenminister kürzlich bei Sabine Christiansen sehen konnte, wie er im Ton eines Ober-Sheriffs jedem über den Mund fuhr, der den leisesten Dissens zur EU-Türkei äußerte, findet in dem schneidend-anklagenden Ton, den er in Stammheim anschlug, manche Parallelen, sei es auch nur im kaum gezügelten Willen zur Macht. Für Peter O. Chotjewitz bleibt die Sartre-Rolle: "Der Idiot der Familie". Für Otto Schily aber, der sich unlängst im Streit um die geplante Berliner Ausstellung "Mythos RAF" strikt gegen Bundeszuschüsse aussprach, wird man diesmal an den Part des Dorfrichters Adam aus dem "Zerbrochenen Krug" denken müssen.
LORENZ JÄGER
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Recht kritisch geht Oliver Tolmein mit Butz Peters' Buch "Tödlicher Irrtum - Die Geschichte der RAF" ins Gericht. Darin erzähle der Autor die Geschichte der RAF nach, beginnend mit der Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt am Main, endend mit der Festnahme von Andrea Klump. Zwar habe Peters sehr viele Seiten über die RAF zusammengetragen. Ein differenziertes Bild kommt nach Ansicht Tolmeins dennoch nicht heraus. Das liegt seines Erachtens einmal daran, dass Peters kaum an Ursachenforschung interessiert ist - analytische Passagen würden den Fluss seines in "Aust-Manier flockig formulierten" Buches nur stören. Zum anderen daran, dass die Auswahl dessen, was Peters berichte, überwiegend tendenziös sei. Tolmein hebt hervor, dass der Autor entgegen seiner Ankündigung im Vorwort die Anschläge, Geiselnahmen, Fahndungsaktionen und Hungerstreiks nicht rekonstruiere: "Er schreibt wie Heinrich Breloer filmt: Dokufiktion." Fragwürdig findet Tolmein auch den Umgang des promovierten Juristen mit Quellennachweisen. Zudem hält er ihm Auslassungen und Verkürzungen vor. Das "Celler Loch" etwa, mit dem der Verfassungsschutz eine Gefangenenbefreiungsaktion vorspiegeln wollte, erwähne er nur beiläufig als "merkwürdige Aktion".
© Perlentaucher Medien GmbH
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