Produktdetails
  • Verlag: St. Martin's Press
  • Erscheinungstermin: Januar 2008
  • Englisch
  • ISBN-13: 9780312359867
  • ISBN-10: 0312359861
  • Artikelnr.: 23154924
Autorenporträt
Andrew Morton, geboren 1953, hat sich als Biograph einen Namen gemacht. 1997 sorgte sein Buch "Diana. 1961 1997. Ihre wahre Geschichte in ihren eigenen Worten" weltweit für Aufsehen. Für seine Arbeit wurde Andrew Morton mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. "Author of the Year", "Investigative Journalist of the Year" und "Scoop of the Year".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2008

Leben aus einem Guss
Ein Thriller in anthropologischer Absicht: Andrew Morton hängt den Schauspieler Tom Cruise als Mobile im Kosmos von Scientology auf

Andrew Morton steht im Ruf, ein leidenschaftlicher Rechercheur zu sein. Stets geht es ihm darum, die Person hinter der öffentlich dargestellten Persona so greifbar zu machen, dass der Leser einen Menschen mit Haut und Haar kennenlernt. Die Probe auf sein Können gab er in Büchern über Lady Di und Monica Lewinsky ab, schillernde Stoffe, die er, im Wesentlichen faktentreu, recht sicher in den Griff bekam. Morton hat es immer wieder verstanden, die treffende biographische Frage herauszuschälen, um die herum sich der Stoff dann "wie von selbst" gruppiert.

Dieses Gespür für die treffende biographische Frage beweist Morton nun auch bei seinem neuen Buch über den Schauspieler Tom Cruise. Die Frage, die das ganze Buch durchzieht, ihm Halt und Spannkraft gibt auch über manche Längen hinweg, diese Frage lautet: Wo ist Tom Cruise in seinem Leben er selbst, und wo ist er nur der verlängerte Arm von Scientology? In welchem Umfang kann und will er beides überhaupt auseinanderhalten?

Auf dem Spiel steht der Eigenstand eines Lebenslaufs. Dieser Eigenstand ist nicht nur, wie man es erwarten sollte, partiell bedroht (durch die tausend alltäglichen Unfreiheiten, in denen wir alle stecken). Nein, die Bedrohung des Eigenstands, die Morton ins Visier nimmt, ist keine partielle, sondern eine totale. Der Autor legt nahe, dass die hochmobile Existenz von Cruise wie ein Mobile im Kosmos von Scientology aufgehängt ist. Man kann sich auf den begründeten Standpunkt stellen, beim besten Willen kein Interesse für die Biographie eines Tom Cruise aufbringen zu können. Aber unter dem Gesichtspunkt, den Morton gewählt hat, klingt das dann doch geradezu ignorant. Morton trifft einen Punkt, der den Tom-Cruise-Stoff erst zu einem Stoff macht. Morton hat nicht "das Buch zum Star" geschrieben. Er hat ein Buch über eine totale Organisation geschrieben - am Beispiel ihres prominentesten Mitglieds. Das hebt dieses Buch aus der Fülle mehr oder weniger gut gemacher Promi-Biographien heraus. Das macht es zu einem Thriller in anthropologischer Absicht.

Morton geht es darum, zu zeigen, wie die private und berufliche Existenz nach und nach derart mit der totalen Organisation verschmilzt, dass die metaphorische Rede vom "Leben aus einem Guss" etwas Beklemmend-Buchstäbliches bekommt. Man mache einmal den Versuch, das Morton-Buch wie eine Krankenakte aus der Zeit der anthropologisch, streng an der Phänomenologie Husserls orientierten Psychiatrie zu lesen. Man wird diese Akte nicht eher aus den Händen legen, bis man sie zu Ende gelesen hat. Denn wenn es stimmt, dass sich die menschliche Natur recht eigentlich erst in ihren Bedrohungen und Ausfällen erschließt, dann ist Andrew Morton mit seinem Buch über Cruise und Scientology eine faszinierende Studie zur conditio humana gelungen.

Der totale Durchgriff auf die private und berufliche Existenz seiner Mitglieder ist in der Programmatik totaler Organisationen verankert. Wer seinen "Glauben" "ernst" nimmt, wird diesen Durchgriff gerade nicht als Außensteuerung und Fremdbestimmung beschreiben, sondern im Gegenteil als selbstgewollte Idealform gelungenen Lebens. Das stellt Morton ausdrücklich in Rechnung, wenn er im Blick auf Tom Cruise den Verblendungszusammenhang darlegt. Folgt aus dem persönlichen Verblendungszusammenhang auch ein gesellschaftlicher? Sind wir gleich mitverblendet, wenn wir in Cruise-Filme gehen? Entschieden warnt Morton davor, über der Rezeption eines paranoiden Phänomens selbst paranoid zu werden.

Welche persönlichen Dispositionen müssen vorliegen, damit sich jemand einer Organisation verschreibt, die ihre Mitglieder erklärtermaßen mit Haut und Haaren will? Laut Morton schloss sich Cruise 1986 Scientology an, also kurz bevor er mit Dustin Hoffman den Film "Rain Man" auf den Weg brachte. Hoffman wird mit der Bemerkung zitiert: "Ich glaube, er brauchte dringend eine Familie, ob es nun meine Familie war oder die der Crew." Oder, so ergänzt Morton, die "Instant-Familie" von Scientology. Auch wenn manches bei Morton Spekulation bleibt (nicht jede Ehekrise etwa verdankt sich notwendigerweise der penetranten Dauerpräsenz von Scientology-Aufpassern), manches in Klatsch und Tratsch versickert, so gelingt es dem Autor doch, anhand von Indizien ein insgesamt stimmiges Bild über die Rolle von Tom Cruise im wahlweise sanft oder brachial agierenden System Scientology zu zeichnen.

Morton selbst fragt: Was hat die Öffentlichkeit überhaupt mit den religiösen Überzeugungen eines Hollywood-Stars zu schaffen (denn auf ihrer religiösen Natur beharrt Scientology gegen alle, die diese Organisation obskurantistisch und kriminell nennen)? Er beantwortet sie mit dem menschenrechtsverletzenden Charakter von Scientology (den er vielfältig zu dokumentieren sucht) sowie mit der Tatsache, dass in dem Strategieplan dieser Organisation Tom Cruise als ihr prominentester Lockvogel auftritt. In den Worten Mortons: "Er (Tom Cruise) ist heute de facto und informell die Nummer zwei der Organisation, eingebunden in alle Aspekte der Planung und Strategie." Die gesamte Marketingstrategie von Scientology und ihrer Tarnadressen orientiere sich an Tom Cruise als ihrem wichtigsten Werbeträger. Religion hin oder her: Diesen Mann, so Morton, wird man sich doch wohl etwas genauer anschauen dürfen.

Seine zentrale Position innerhalb von Scientology (ob nun als Nummer zwei, drei oder vier) wird, versteht man Morton recht, von Cruise selbst auch gar nicht bestritten. Es ist nun aber so: Je weniger er sie bestreitet, desto schlechter für seine Sympathiewerte. Ein Befund, der die Rede vom Trojanischen Pferd, das aus den Filmen von Cruise herausgaloppiere, doch nachhaltig irritiert. Sollte sich Tom Cruise ausgerechnet in der Rolle, die Scientology ihm zugedacht hat, als Fehlbesetzung erweisen?

CHRISTIAN GEYER

Andrew Morton: "Tom Cruise". Der Star und die Scientology-Verschwörung. Aus dem Englischen von Volker Zenwachs und Johanna Reischmann. Droemer Verlag, München 2008. 431 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2008

Der wichtigste Rekrut aller Zeiten
In seinem Buch über Tom Cruise beschreibt Andrew Morton den Star als Marionette und Superman von Scientology
Um es gleich vorwegzunehmen: Auch Andrew Morton kann keine Beweise dafür liefern, dass der 1986 gestorbene Scientology-Gründer Ron Hubbard der wahre Vater von Suri ist, dem Kind von Katie Holmes und Tom Cruise. Aber er fügt den seit langem kursierenden Gerüchten vom eingefrorenen und später Katie Holmes eingepflanzten Sperma des Sektenführers immerhin eine blumige Assoziation hinzu: „Katie hätte sich fühlen können wie in einer wahr gewordenen Version von ,Rosemary’s Baby’”, schreibt er dreist. Diese vorab lancierte Passage vor allem sorgte wie geplant dafür, dass das Getöse um Mortons am heutigen Dienstag in den USA erscheinende Cruise-Biographie schon jetzt ohrenbetäubend ist. Anwälte des Stars und Sprecher von Scientology erwägen eine 100-Millionen-Dollar-Klage; namenlose Scientology-Anhänger attackieren das Buch auf Tausenden Websites; der Autor ist untergetaucht; australische Buchhandlungen wollen das Werk aus Angst nicht führen; in England, wo Autoren im Prozessfall juristisch wenig Schutz genießen, kommt das Buch gar nicht erst auf den Markt.
Dass Cruise, grob gesagt, spinnt, ist ein Gemeinplatz, spätestens seit er 2005 bei Oprah Winfrey auf der Couch herumsprang und die entgeisterte Talk-Tante an den Schultern packte – alles, um seine neue Liebe für Katie Holmes zu illustrieren. Ernster war ein zweiter Ausfall, als Cruise im Frühstücksfernsehen mit Pitbull-Miene gegen Psychiatrie und Antidepressiva ausholte. Cruise schien sich in die länger werdende Liste der Showbiz-Berühmtheiten einzureihen, die im Medienzirkus die glamouröse Divenrolle gegen die des Freaks eintauschen – neben Britney Spears’ bunter Selbstzerstörung oder Michael Jacksons Abenteuer in plastischer Chirurgie.
Wie in der „Truman Show”
Für einen Boulevard-Mann wie Andrew Morton, der schon Biographien von Prinzessin Diana, Madonna und Monica Lewinsky geschrieben hat, ist einer wie Cruise ein gefundenes Fressen: eben noch der All-American-Superboy mit dem Neutronenlächeln aus „Top Gun”, dann der wie kein anderer von Gerüchten um seine sexuelle Orientierung und die wahre Natur seiner drei Ehen verfolgte Megastar, dessen öffentliche Persona unübersehbare Sprünge bekommt. Doch im Fall von Tom Cruise hat das Starschicksal eine zusätzliche Dimension: Cruises Abstieg ins Bizarre, für den er von seinem langjährigen Studio Paramount gefeuert wurde, ist untrennbar verknüpft mit seinem Aufstieg in den Rängen von Scientology.
Tatsächlich legt Morton mit seinem Buch einen Genrezwitter vor. Teils handelt es sich um eine trashige Celebrity-Biographie – für die Fans immer ganz nah dran am Körper geschrieben (die romantisch fallenden Haare, der Ringerkörper, die Muskeln, die für jeden Film auf- oder abtrainiert werden, und dann vor allem: die Zähne!). Teils um einen packenden Thriller, der erzählt, wie die Sekte den jungen Star für ihre Zwecke rekrutiert hat und von diesem Zeitpunkt an sein Leben steuert „wie in einer im echten Leben spielenden Variante der ,Truman Show‘.”
Die ersten Kapitel, in denen Morton beim unscheinbaren Highschool-Cruise mühsam nach ersten Anzeichen für das später legendäre Charisma sucht, lesen sich wie Pappe. Und die aus Cruises unglücklicher Familiensituation, seiner Legasthenie und seiner geringen Körpergröße zusammengestrickte Opferstory, die zur Erklärung seines späteren eisernen Siegeswillens bemüht wird, gehört nicht zu den Höhepunkten der Psychologie. Interessant wird es, wenn das vom frischen Star-Status besoffene Teenie-Idol seiner ersten Frau, der Scientologin und Schauspielerin Mimi Rogers, in die Arme läuft. Morton lässt keinen Zweifel daran, dass die Begegnung im „Celebrity Center” und im „Situation Room” der Kirche angebahnt wurde. Belege hat er nicht.
Noch ein paar Jahre der sanften Indoktrination, des „Auditing” und der „E-Meter”-Sitzungen – und der Schlüsselszene des Buchs steht nichts mehr im Wege: dem Besuch in Gold Base, dem schwerbewachten Wüstencamp von Scientology, wo Cruise dem Führer der Sekte David Miscavige begegnet. „Der wichtigste Rekrut aller Zeiten ist dabei, gesichert zu werden. Seine Ankunft wird das Gesicht von Scientology für immer verändern”, soll Miscavige – im üblichen Scientology-Sprech – die „über Jahre geplante” Visite angekündigt haben. Die von ihm befehligte „Sea Org”-Truppe aus Elitedrohnen, die der Sekte für „eine Milliarde Jahre” Gehorsam geschworen haben, schufteten in Erwartung des Gastes rund um die Uhr.
So dankbar man Morton für seine Distanz zum Sujet ist, so durchsichtig sind viele seiner Taktiken: der ewig raunende Ton, die sprachlichen Klischees, der Trick mit den erfundenen Details, mit denen Morton Augenzeugenschaft erschwindelt. Am ärgerlichsten sind die zahllosen Dementis von Cruises angeblicher Homosexualität, die Morton nur einstreut, um den Spekulationen neue Nahrung zu geben. Besonders schmierig erscheinen diese kalkulierten double-entendres, wenn es um die Freundschaft von Cruise und seinem Sektenführer geht: „Sie liebten sich, aber es war nicht schwul”, schreibt Morton – und insinuiert natürlich das Gegenteil.
Antichrist der Celebrity-Welt
Für immer verändert hat sich aber nicht die Kirche, sondern die Persona von Cruise: Seitdem der weltgrößte Charmeur dem Charme von Miscavige erlag, so Morton, bewegte sich Cruise im Takt, der ihm aus der Scientology-Zentrale vorgegeben wurde. Kaum hatte er Nicole Kidman kennengelernt, schleppte er sie in Scientology-Kurse und verbrachte Wochen mit ihr im eigenen Bungalow in Gold Base. Bald waren die beiden ausschließlich von Scientology-Leuten umgeben: Anwälte, PR-Leute, Putzfrauen, Kindermädchen: alle stramm auf der Linie der Kirche – um den Star abzuschirmen von allem, was er nicht erfahren sollte, und um umgekehrt jede unbedachte öffentliche Äußerung seinerseits zu unterdrücken.
Doch Kidman beklagte sich nicht nur über die Dauerüberwachung. Mit ihrer katholischen Erziehung und einem Psychologen als Vater war sie für die Sektenideologen ein Sicherheitsrisiko. Also wurde sie ersetzt durch die leichter manipulierbare Katie Holmes. Denn laut Morton ist es Cruise letztlich gleichgültig, welche Frau an seiner Seite den roten Teppich abläuft, solange sie halbwegs repräsentativ ist. Was die Sekte und er verlangen, ist die völlige ideologische Ergebenheit in ihr totalitäres System, dessen wichtigstes Aushängeschild und inoffizielle Nummer zwei er geworden sei. Auf Oprahs Couch sei er auch nicht verrückt vor Liebe herumgesprungen, sondern weil er zuvor den Level des „Operating Thetan VII” erreicht habe, für Scientologen die Schwelle zum Superman-Status.
Schwer zu sagen, wie weit man Morton folgen will bei seiner hitzigen Dämonisierung von Cruise zum Antichristen der Celebrity-Welt, dessen Star-Status der Sekte für die Übernahme der Weltherrschaft dienen soll. Auch Morton selbst weiß nicht recht, wie er die Sache beenden soll – so ist es, wenn man die Biographie eines 45-Jährigen schreibt. Das Denouément, auf das er 334 Seiten lang hinarbeitet, fällt jedenfalls aus: „Vielleicht ist die komplexeste Rolle, die er jemals spielte, Tom Cruise selbst”, schließt er unverbindlich. JÖRG HÄNTZSCHEL
Berühmtes Aushängeschild: Tom Cruise als Redner bei der Einweihung der Scientology-Kirche in Madrid im September 2004. Foto: AFP / Pierre-Philippe Marcou
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