Musik- und Kulturgeschichte als Zeitbild: Ralph Philipp Zieglers Monografie zu den Orgeln des heutigen Capitol Theaters Offenbach ist einerseits wissenschaftlich akribisch recherchiert, andererseits entwirft der Kulturmanager und Musikwissenschaftler aus den drei Instrumenten aus der Geschichte des außergewöhnlichen Veranstaltungshauses feuilletonistisch schwungvoll in drei Essays, die tiefer in die Zeiten, künstlerischen Ideen und auch Biografien der jeweiligen Epoche gehen. 1916 wurde das Gebäude als Synagoge der reformorientierten Offenbacher Gemeinde zwischen intelligentem Monumentalstil und expressionistischen Atmosphären gebaut - und mit der damals größten Orgel der Stadt. 1938 wurde die Synagoge von den Nationalsozialisten geschändet und demoliert, in der Folge zu einem Spottpreis zwangsverkauft. 1941 zog das Premierenkino "National Theater" ein - und mit ihm eine "Farblichtorgel", mit der sich in faszinierend antizyklischer Weise ein Phänomen der Experimentierfreude der 1920er Jahre bis in den Zweiten Weltkrieg verirrte. Nach dem Krieg von der Jewish Restitution Successor Organisation der Stadt mit der Bedingung der kulturellen Nutzung verkauft, war das Gebäude von 1954-94 Stadttheater, danach kurz Musicaltheater und fand nach einigen Jahren Verpachtung ab 2002 wieder in erneut städtischen Händen zu einer bedeutenden Position innerhalb der Veranstaltungshäuser in Rhein-Main zurück. Mit der Bindung der Neuen Philharmonie Frankfurt ans Haus 2005 kam die dritte Orgel, wegen der Bedingungen eines Multifunktionshauses allerdings ein hochwertiges digitales Instrument mit einer klanglichen Rekonstruktion der Synagogenorgel.