Ein Dorfgasthaus - und alle sprechen Latein: der Wirt namens Tonsiastrus, seine beiden Angestellten und drei Gymnasiasten, die hier einkehren. Heute unvorstellbar, aber kein Grund zum Lachen für die Schüler des Rhetoriklehrers Anton Claus, der 1730 die Komödie Tonsiastrus im Münchner Jesuitengymnasium auf die Bühne brachte. Seine Schüler lernten ja, die »tote« Sprache in allen Lebenslagen anzuwenden. Witzig war die Situation als solche: Die drei Gymnasiasten hatten im Wirtshaus nämlich nichts zu suchen, für sie galt das Jugendschutzgesetz, das zu dieser Zeit Wirtshausverbot hieß. Es sind also keine Musterknaben, die auf einen Wirt treffen, dessen Name »Beutelschneider« bedeutet. Am komischsten aber wirkt damals wie heute, wie Claus die klassische Rhetorik ins Gasthaus bringt. Während der Wirt Reden von Cicero verwurstet, spricht der junge Kellner Dromulus ein vorbildliches Latein. Ihm galten die Sympathien des Autors, der einem so guten Lateinsprecher sicher gern einen Platz im renommierten Jesuitengymnasium gegeben hätte. Denn das ist das Thema des Stücks: zeigen, was Sprache vermag.Tonsiastrus ist ein herrliches Zeugnis des Schultheaters der Jesuiten, die über Jahrhunderte die führende Elite des Landes erzogen und den Geist des Volkes prägten. Mit sattem Sprachwitz und hinreißendem Humor gelingt es Anton Claus, nicht nur sein damaliges Publikum, sondern auch uns heutige Leserinnen und Leser zu begeistern.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Recht amüsiert widmet sich Jürgen Kaube dieser gelehrsamen Komödie aus dem 18. Jahrhundert. Sie stammt aus der Sphäre jesuitischer Lateinschulen, informiert er, eine wahrlich versunkene Welt, in der die Schüler angehalten waren, sich auch außerhalb des Unterrichts auf Latein zu unterhalten. An diesen Schulen spielten Theater eine große Rolle, und das vorliegende Buch enthält eine der wenigen erhaltenen Komödien, die damals so gespielt wurden. Tonsiastrus, zu deutsch Beutelschneider, ist ein Gastwirt mit Ambitionen, der darum Cicero paukt und in komplizierten Perioden redet, worüber sich die damaligen Studenten herzlich amüsiert haben dürften. Die von Kaube beschriebenen Konstellationen klingen durchaus nach eine gewissen Situationskomik. Gern lässt sich der Rezensent jedenfalls von dem Herausgeber und Übersetzer Christian Hecht , der überdies ein "fabelhaft aufschlussreiches Nachwort " beisteuert, in diese heute so weit entfernte Welt entführen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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