Eine Jugend in Schanghai.
Während der Reichspogromnacht 1938 wird auch die Konditorei des Ehepaars Finkelstein zerstört. Finkelsteins beschließen daraufhin, nach Schanghai und in eine ungewisse Zukunft zu fliehen. Was für ihre Eltern ein Schrecken ist, ist für ihre Tochter Inge das große Abenteuer: Während die Eltern ums Überleben kämpfen, erobert sie mit ihrem Freund Sanmao die Stadt, die Menschen und die Sprache.
Während der Reichspogromnacht 1938 wird auch die Konditorei des Ehepaars Finkelstein zerstört. Finkelsteins beschließen daraufhin, nach Schanghai und in eine ungewisse Zukunft zu fliehen. Was für ihre Eltern ein Schrecken ist, ist für ihre Tochter Inge das große Abenteuer: Während die Eltern ums Überleben kämpfen, erobert sie mit ihrem Freund Sanmao die Stadt, die Menschen und die Sprache.
"Susanne Hornfecks neuer Roman macht uns aufmerksam auf die Chancen und die Probleme eines Lebens zwischen den Kulturen. Anderswo, aber auch hier bei uns."
Sylvia Schwab, Deutschlandradio Kultur, Radiofeuilleton 27.01.2012
Sylvia Schwab, Deutschlandradio Kultur, Radiofeuilleton 27.01.2012
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Berührt hat Rezensent Steffen Gnam Susanne Hornfecks neuen Roman "Torte mit Stäbchen" gelesen, in dem die Sinologin anhand von Interviews und Biografien den Emigrantenalltag im jüdischen Exil in Schanghai schildere. Der Kritiker begleitet hier die zunächst neunjährige Halbjüdin Inge Finkelstein, die mit ihren Eltern 1938 nach Schanghai flieht und dort nicht nur - insbesondere durch zahlreiche Gespräche - eine fremde Welt jenseits westlicher Ideologien erlebt, in der sie bald für ihre Eltern die Vermittlerrolle übernimmt, sondern im Laufe der Jahre in der neuen Kultur immer mehr ankommt und erwachsen wird. Neben interessanten Einblicken in Chinas Schrift und Kulturweisheit schätzt der Rezensent in diesem Roman auch, wie sich menschliche Extremsituation und "Momente des Atemholens" von den Kriegskatastrophen in Schanghais Getto abwechseln.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2012Kurier zwischen zwei Welten
Die offene Stadt: Susanne Hornfecks bewegender Roman über eine Jugend im jüdischen Exil in Schanghai
Zwischen 1938 und 1941 war Schanghai der letzte "offene Hafen" für etwa achtzehntausend deutsche und österreichische Juden. Flüchtlinge, die eine Schiffspassage erwarben, fanden ohne Visum und Bürgschaft Refugium in der "Stadt über dem Meer". Susanne Hornfecks auf Interviews und Biographien gestützter Roman erzählt vom Emigrantenalltag in dieser "Sackgasse der Weltgeschichte". Er beschreibt Schanghai als ebenso exotisches wie entbehrungsreiches Exil. Im Wechsel politischer Vorzeichen und Oberhoheiten schildert das Buch die Überlebensgeschichte der fiktiven Familie Finkelstein zwischen 1938 und 1947. Den jüdischen Konditormeister konnte seine deutsche Frau mit Vorlage von Auswanderungspapieren aus dem Konzentrationslager freikaufen, die neunjährige Inge komplettiert die Familie. In Schanghai findet der Vater Arbeit bei einem deutschen Kaffeehausbesitzer.
Im Zentrum des Buchs steht das Gefühlsleben der Tochter. In Schanghai navigiert Inge immer besser durch das "Meer der Wörter" und den "verkehrten Verkehr" und denkt dabei mit Heimweh, Abscheu und leitmotivischer Angst vor dem langen Arm der Gestapo an Deutschland zurück. Während den Eltern China ein Buch mit sieben Siegeln bleibt, wird sie zum "Kurier zwischen zwei Welten", zum "furchtlosen Erkunder, Unterhändler und Preisdrücker". Vereint im "Makel des Andersseins", freundet sich die blonde "Halbjüdin" mit dem "Halbdrachen" Sanmao, Sohn des Café-Besitzers und seiner chinesischen Frau Xiaochun, an.
Der Exilroman kreist um das Erwachsenwerden zwischen den Welten - der Zufluchtsort von Inge und Sanmao, ein zweisprachiger Gedenkstein in einem verwilderten Park, symbolisiert auch die im Totalitarismus verschüttete Geste des Kommunizierens. Und das Wachsen an kulturellen Unterschieden: "Die Straße war offensichtlich nicht nur zur Fortbewegung da, sie diente auch als Verkaufsfläche, Garküche, Wohnzimmer, Werkstatt, Spielplatz und Esslokal ... Hier lag alles so dicht beieinander ... Reichtum und Armut, Leckerbissen und Hungersnot, verlockende Düfte ... brodelnde Aktivität und lähmende Gebrechen."
Kontrapunktisch zu den strammen Parolen westlicher Ideologien vermittelt das Buch durch die Gespräche Inges mit Xiaochun, die sie "Tante" nennt, Einblicke in Chinas Schrift und Kulturweisheit: "Sie war völlig fasziniert von dieser Schrift, die ihre Lautgestalt nicht preisgab, nur den Sinngehalt. Mit ihr konnte man sich die Welt zusammensetzen wie aus einem Setzkasten." Die nicht judenfeindlichen Japaner, die seit 1941 ganz Schanghai kontrollierten, ordneten 1943 wohl auf Drängen des deutschen Bündnispartners den Umzug der nach 1937 angekommenen staatenlosen Flüchtlinge in ein Getto im Stadtteil Hongkou an, wo sie gemeinsam mit Chinesen lebten. Von 1944 an flogen die Amerikaner Luftangriffe auf Schanghai, die am 17. Juli 1945 auch Hongkou schwer trafen. Der zweite Romanteil spielt in der Lebenswelt des Gettos. Bilder menschlicher Extremsituationen und entfesselter Naturgewalt wechseln mit Momenten des Atemholens von den Weltenbränden. Noch in der Pattsituation der "gelähmten Stadt" erlebt Inge eine Art "Wehmutsglück", wenn sie beim der Barmherzigkeitsgöttin geweihten "Tempel unter dem Meer" aushilft und beim Fegen "Buddhas Ratschluss" spürt oder wenn aus einem der wenigen Freiluftcafés im Getto Tanzmusik herüberweht.
Hornfeck zeichnet ein gerade für junge Leser greifbares "Exil der kleinen Leute", in dem das Dokumentarische nur selten ins Melodramatische entgleitet. Raffiniert vereinen sich die Erzählfäden zu einer bewegenden Geschichte über Fremdheitserfahrung und Erwachsenwerden. Während es die Eltern 1947 nach Australien zieht, fasst Inge, befreit von Besatzung und Blockaden, nach neun Jahren in der Stadt zunächst den Entschluss zu bleiben: Sie ist angekommen im Freihafen der Phantasie als Gegenentwurf kurzsichtiger Heilsversprechen und Ideologien.
STEFFEN GNAM
Susanne Hornfeck: "Torte mit Stäbchen. Eine Jugend in Schanghai".
Deutscher Taschenbuch Verlag, Reihe Hanser, München 2012. 380 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die offene Stadt: Susanne Hornfecks bewegender Roman über eine Jugend im jüdischen Exil in Schanghai
Zwischen 1938 und 1941 war Schanghai der letzte "offene Hafen" für etwa achtzehntausend deutsche und österreichische Juden. Flüchtlinge, die eine Schiffspassage erwarben, fanden ohne Visum und Bürgschaft Refugium in der "Stadt über dem Meer". Susanne Hornfecks auf Interviews und Biographien gestützter Roman erzählt vom Emigrantenalltag in dieser "Sackgasse der Weltgeschichte". Er beschreibt Schanghai als ebenso exotisches wie entbehrungsreiches Exil. Im Wechsel politischer Vorzeichen und Oberhoheiten schildert das Buch die Überlebensgeschichte der fiktiven Familie Finkelstein zwischen 1938 und 1947. Den jüdischen Konditormeister konnte seine deutsche Frau mit Vorlage von Auswanderungspapieren aus dem Konzentrationslager freikaufen, die neunjährige Inge komplettiert die Familie. In Schanghai findet der Vater Arbeit bei einem deutschen Kaffeehausbesitzer.
Im Zentrum des Buchs steht das Gefühlsleben der Tochter. In Schanghai navigiert Inge immer besser durch das "Meer der Wörter" und den "verkehrten Verkehr" und denkt dabei mit Heimweh, Abscheu und leitmotivischer Angst vor dem langen Arm der Gestapo an Deutschland zurück. Während den Eltern China ein Buch mit sieben Siegeln bleibt, wird sie zum "Kurier zwischen zwei Welten", zum "furchtlosen Erkunder, Unterhändler und Preisdrücker". Vereint im "Makel des Andersseins", freundet sich die blonde "Halbjüdin" mit dem "Halbdrachen" Sanmao, Sohn des Café-Besitzers und seiner chinesischen Frau Xiaochun, an.
Der Exilroman kreist um das Erwachsenwerden zwischen den Welten - der Zufluchtsort von Inge und Sanmao, ein zweisprachiger Gedenkstein in einem verwilderten Park, symbolisiert auch die im Totalitarismus verschüttete Geste des Kommunizierens. Und das Wachsen an kulturellen Unterschieden: "Die Straße war offensichtlich nicht nur zur Fortbewegung da, sie diente auch als Verkaufsfläche, Garküche, Wohnzimmer, Werkstatt, Spielplatz und Esslokal ... Hier lag alles so dicht beieinander ... Reichtum und Armut, Leckerbissen und Hungersnot, verlockende Düfte ... brodelnde Aktivität und lähmende Gebrechen."
Kontrapunktisch zu den strammen Parolen westlicher Ideologien vermittelt das Buch durch die Gespräche Inges mit Xiaochun, die sie "Tante" nennt, Einblicke in Chinas Schrift und Kulturweisheit: "Sie war völlig fasziniert von dieser Schrift, die ihre Lautgestalt nicht preisgab, nur den Sinngehalt. Mit ihr konnte man sich die Welt zusammensetzen wie aus einem Setzkasten." Die nicht judenfeindlichen Japaner, die seit 1941 ganz Schanghai kontrollierten, ordneten 1943 wohl auf Drängen des deutschen Bündnispartners den Umzug der nach 1937 angekommenen staatenlosen Flüchtlinge in ein Getto im Stadtteil Hongkou an, wo sie gemeinsam mit Chinesen lebten. Von 1944 an flogen die Amerikaner Luftangriffe auf Schanghai, die am 17. Juli 1945 auch Hongkou schwer trafen. Der zweite Romanteil spielt in der Lebenswelt des Gettos. Bilder menschlicher Extremsituationen und entfesselter Naturgewalt wechseln mit Momenten des Atemholens von den Weltenbränden. Noch in der Pattsituation der "gelähmten Stadt" erlebt Inge eine Art "Wehmutsglück", wenn sie beim der Barmherzigkeitsgöttin geweihten "Tempel unter dem Meer" aushilft und beim Fegen "Buddhas Ratschluss" spürt oder wenn aus einem der wenigen Freiluftcafés im Getto Tanzmusik herüberweht.
Hornfeck zeichnet ein gerade für junge Leser greifbares "Exil der kleinen Leute", in dem das Dokumentarische nur selten ins Melodramatische entgleitet. Raffiniert vereinen sich die Erzählfäden zu einer bewegenden Geschichte über Fremdheitserfahrung und Erwachsenwerden. Während es die Eltern 1947 nach Australien zieht, fasst Inge, befreit von Besatzung und Blockaden, nach neun Jahren in der Stadt zunächst den Entschluss zu bleiben: Sie ist angekommen im Freihafen der Phantasie als Gegenentwurf kurzsichtiger Heilsversprechen und Ideologien.
STEFFEN GNAM
Susanne Hornfeck: "Torte mit Stäbchen. Eine Jugend in Schanghai".
Deutscher Taschenbuch Verlag, Reihe Hanser, München 2012. 380 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für junge, lernbegierige Leserinnen auf jeden Fall ein Fundstück. Magali Heissler titel-kulturmagazin.net 20151103
»Hornfeck gibt dabei einen fundierten Einblick in die menschliche Seite von Politik und Geschichte.« Barbara Fröhlich, Donaukurier 09.06.2012