Beschossen. Inhaftiert. Gekidnappt. Ein ganz normaler Tag mit Digby: Bei Digby muss man auf alles gefasst sein. Das war Zoe in dem Moment klar, als sie seine Bekanntschaft machte. Nicht klar war ihr allerdings, dass sie mit ihm auch gleich von einer gefährlichen Situation in die nächste geraten würde. Denn Digby setzt alles daran, den Fall seiner kleinen Schwester, die vor acht Jahren entführt wurde, aufzuklären.Wie er es aber anstellt, dass Zoe mit ihm bei einem Gynäkologen einbricht,kurzzeitig auf der Polizeiwache landet und an einen Drogenhändlerring gerät? Keine Ahnung. Nur eines weiss sie genau: Ein Plan B wäre jetzt gerade sicher nicht verkehrt. Bei Stephanie Tromlys Held Digby muss man sich auf spannende Unterhaltung auf höchstem Niveau gefasst machen, immer mit einer Prise schrägem Humor gewürzt und einem besonders lässigem Dedektiv a là "Sherlock".
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Stephanie Tromlys erster, nun unter dem Titel "Digyb #1" erschienener Jugendroman ist anders als die übliche Literatur für junge Leser, versichert Rezensent Siggi Seuss. Auch wenn Tromlys ich-erzählende Heldin Zoe über alterstypische Gefühlsschwankungen verfügt, überrascht dieser als Coming-of-Age-Geschichte getarnte Provinzkrimi mit einer brillanten Konstruktion und einer Sogkraft, die den Kritiker in Höllenschlunde, zu Drogendealern, kriminellen Frauenärzten und in zahlreiche rätselhafte Innenwelten zieht. Dabei gelingt es der Autorin auch noch sehr realistisch und zugleich satirisch zu erzählen, lobt der Rezensent, dem diese großartig übersetzte, irrsinnige Erzählung wie ein Crossover aus "Gilmore Girls", "Breaking Bad", "Back to Future", "Psycho", "Malcolm", "Seinfeld" und den "Simpsons" erscheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2016Wie Raben im Baum
Höllenschlünde tun sich auf im New Yorker Hinterland
Dass in Brooklyn genügend coole Leute herumlaufen, mit denen eine halbwegs taffe Sechzehnjährige abhängen kann – keine Frage. Aber in dem Kaff River Heights im New Yorker Hinterland? Wohl kaum. Dorthin hat es Zoe und ihre Mutter verschlagen, nachdem deren Ehe in die Brüche ging. Die Tochter fühlt sich gar nicht wohl, weder an der Highschool noch im Provinznest selbst. Da möchte sie doch lieber in Dads Nähe ziehen, seine guten Beziehungen nutzen, eine Elite-Highschool besuchen und später, selbstverständlich, in Princeton studieren.
So weit, so gut. Es stellt sich die Frage, ist„Digby #01“, der erste Jugendroman der in Winnipeg lebenden Autorin Stephanie Tromly, eine bittersüße Girliegeschichte mit den üblichen Coming-of-Age-Wehwehchen, und melodramatischen Wendungen? Von wegen. Zwar ist die Ich-Erzählerin ein Geschöpf mit vielen altersüblichen Gemütsschwankungen, aber das ganze Drumherum entspricht in seiner Zusammensetzung keineswegs den handelsüblichen Ingredienzien für Literatur junger Leser.
Eigentlich gibt es nur einen Jungen, der Zoe an ihrem Verstand und an ihren Perspektiven zweifeln lässt: Digby. Der ebenfalls Sechzehnjährige passt in kein Schema, führt ein seltsames Eremitenleben und ist schwer greifbar in seiner ironischen Sicht auf die Dinge des Lebens. Zoe, die er spöttisch „Princeton“ nennt, beschreibt er „als klassisches naives amerikanisches Mädchen von nebenan mit einer Nett-dich-kennenzulernen-Ausstrahlung, das sich hinter einer enttäuschten Trennungskind-Depri-Persönlichkeit versteckt.“ In den folgenden Wochen wirbelt Digby ihre Sicht der Dinge völlig durcheinander. Und als ob das nicht genügen würde, gibt es bereits im Vorspann des Romans einen Cliffhanger, der sich erst 300 Seiten später in einem lang gezogenen Showdown auflöst.
Wie schafft es die Autorin, dass Zoes Leben gänzlich aus dem Rhythmus gerät und trotzdem realistisch erscheint? Wie schafft sie es, dass sich in diesem Kaff plötzlich Höllenschlunde auftun, in die man als Leser gern kriecht, um mit wackerem Herzen und zitternden Knien unbekannte Innenwelten zu erforschen? Digby tut es – Zoe im Schlepptau – auf seine Weise und beiden erfahren dabei Haarsträubendes.
Wir befinden uns – das ist Tromlys Stärke, wunderbar vermittelt durch Sylke Hachmeisters Übersetzung – in einem vorzüglich komponierten Provinzkrimi und zugleich in einem Coming-of-Age-Roman mit hohem satirischen Potenzial. Dieser Digby und wie er die Welt sieht ist einfach eine unschlagbare Marke. Klug, ja genial. Ausgefuchst. Leidgeprüft. Mit ironischem Blick auf die Welt und auf sich selbst. Und dazu noch freundlich. Einzelgänger zwar, aber trotzdem irgendwie nützlich vernetzt. So stehen die Leser staunend vor den irrsten Szenarien in River Heights: entführte Kinder – auch Digbys kleine Schwester ist dabei. Ein krimineller Frauenarzt. Geheimnisvolle Drogendealer. Eine Endzeitsekte in der Nachbarvilla. Ja sogar finstere Ecken in der Stadt, in die sich normale Bürger kaum mehr wagen. Waffen in heruntergekommenen Hotelzimmern. Sprengstoff in Kellergewölben. Kinder, die wie Raben im Geäst eines Baumes sitzen. Daneben gibt es natürlich das übliche Gezicke an der Schule. Zwangsneurotiker. Diven. Cheerleader. Nervensägen. Hirnis. Digby würde sagen: „Man sollte die Dämlichkeit von durchschnittlichen Teenagern nicht unterschätzen.“ Tröstlich, dass noch ein paar ganz brauchbare Typen in der Gegend herumlaufen.
Man fühlt sich in dieser irren Story wie in einem Crossover von „Gilmore Girls“, „Breaking Bad“, „Back to Future“, „Psycho“, „Malcolm“, „Seinfeld“ und den „Simpsons“. Aber so, wie die Autorin trotz einiger Versatzstücke, das Provinzmilieu in die Welt setzt und Digby und Zoe im Zuge der Selbstfindung mit vertrauten und fremden Widrigkeiten kämpfen lässt, entsteht daraus eine spannende, witzige, temporeiche und zudem ganz eigenartige Geschichte. Very sophisticated! (ab 14 Jahre)
SIGGI SEUSS
Stephanie Tromly: Digby #01. Aus dem Englischen von Sylke Hachmeister. Oetinger Verlag, Hamburg 2016. 368 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Höllenschlünde tun sich auf im New Yorker Hinterland
Dass in Brooklyn genügend coole Leute herumlaufen, mit denen eine halbwegs taffe Sechzehnjährige abhängen kann – keine Frage. Aber in dem Kaff River Heights im New Yorker Hinterland? Wohl kaum. Dorthin hat es Zoe und ihre Mutter verschlagen, nachdem deren Ehe in die Brüche ging. Die Tochter fühlt sich gar nicht wohl, weder an der Highschool noch im Provinznest selbst. Da möchte sie doch lieber in Dads Nähe ziehen, seine guten Beziehungen nutzen, eine Elite-Highschool besuchen und später, selbstverständlich, in Princeton studieren.
So weit, so gut. Es stellt sich die Frage, ist„Digby #01“, der erste Jugendroman der in Winnipeg lebenden Autorin Stephanie Tromly, eine bittersüße Girliegeschichte mit den üblichen Coming-of-Age-Wehwehchen, und melodramatischen Wendungen? Von wegen. Zwar ist die Ich-Erzählerin ein Geschöpf mit vielen altersüblichen Gemütsschwankungen, aber das ganze Drumherum entspricht in seiner Zusammensetzung keineswegs den handelsüblichen Ingredienzien für Literatur junger Leser.
Eigentlich gibt es nur einen Jungen, der Zoe an ihrem Verstand und an ihren Perspektiven zweifeln lässt: Digby. Der ebenfalls Sechzehnjährige passt in kein Schema, führt ein seltsames Eremitenleben und ist schwer greifbar in seiner ironischen Sicht auf die Dinge des Lebens. Zoe, die er spöttisch „Princeton“ nennt, beschreibt er „als klassisches naives amerikanisches Mädchen von nebenan mit einer Nett-dich-kennenzulernen-Ausstrahlung, das sich hinter einer enttäuschten Trennungskind-Depri-Persönlichkeit versteckt.“ In den folgenden Wochen wirbelt Digby ihre Sicht der Dinge völlig durcheinander. Und als ob das nicht genügen würde, gibt es bereits im Vorspann des Romans einen Cliffhanger, der sich erst 300 Seiten später in einem lang gezogenen Showdown auflöst.
Wie schafft es die Autorin, dass Zoes Leben gänzlich aus dem Rhythmus gerät und trotzdem realistisch erscheint? Wie schafft sie es, dass sich in diesem Kaff plötzlich Höllenschlunde auftun, in die man als Leser gern kriecht, um mit wackerem Herzen und zitternden Knien unbekannte Innenwelten zu erforschen? Digby tut es – Zoe im Schlepptau – auf seine Weise und beiden erfahren dabei Haarsträubendes.
Wir befinden uns – das ist Tromlys Stärke, wunderbar vermittelt durch Sylke Hachmeisters Übersetzung – in einem vorzüglich komponierten Provinzkrimi und zugleich in einem Coming-of-Age-Roman mit hohem satirischen Potenzial. Dieser Digby und wie er die Welt sieht ist einfach eine unschlagbare Marke. Klug, ja genial. Ausgefuchst. Leidgeprüft. Mit ironischem Blick auf die Welt und auf sich selbst. Und dazu noch freundlich. Einzelgänger zwar, aber trotzdem irgendwie nützlich vernetzt. So stehen die Leser staunend vor den irrsten Szenarien in River Heights: entführte Kinder – auch Digbys kleine Schwester ist dabei. Ein krimineller Frauenarzt. Geheimnisvolle Drogendealer. Eine Endzeitsekte in der Nachbarvilla. Ja sogar finstere Ecken in der Stadt, in die sich normale Bürger kaum mehr wagen. Waffen in heruntergekommenen Hotelzimmern. Sprengstoff in Kellergewölben. Kinder, die wie Raben im Geäst eines Baumes sitzen. Daneben gibt es natürlich das übliche Gezicke an der Schule. Zwangsneurotiker. Diven. Cheerleader. Nervensägen. Hirnis. Digby würde sagen: „Man sollte die Dämlichkeit von durchschnittlichen Teenagern nicht unterschätzen.“ Tröstlich, dass noch ein paar ganz brauchbare Typen in der Gegend herumlaufen.
Man fühlt sich in dieser irren Story wie in einem Crossover von „Gilmore Girls“, „Breaking Bad“, „Back to Future“, „Psycho“, „Malcolm“, „Seinfeld“ und den „Simpsons“. Aber so, wie die Autorin trotz einiger Versatzstücke, das Provinzmilieu in die Welt setzt und Digby und Zoe im Zuge der Selbstfindung mit vertrauten und fremden Widrigkeiten kämpfen lässt, entsteht daraus eine spannende, witzige, temporeiche und zudem ganz eigenartige Geschichte. Very sophisticated! (ab 14 Jahre)
SIGGI SEUSS
Stephanie Tromly: Digby #01. Aus dem Englischen von Sylke Hachmeister. Oetinger Verlag, Hamburg 2016. 368 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de