Wilhelm Klemm (1881-1968) gehörte zwischen 1914 und 1920 zu den bekanntesten Lyrikern der expressionistischen Bewegung. Bereits 1915 erschien sein erster Gedichtband „Gloria!“ (Kriegsgedichte aus dem Feld), dem bis 1922 noch sieben weitere Gedichtbände folgten. Vor zwei Jahren erschien in der
Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung die erste Gesamtausgabe der Lyrik Wilhelm Klemms in einem…mehrWilhelm Klemm (1881-1968) gehörte zwischen 1914 und 1920 zu den bekanntesten Lyrikern der expressionistischen Bewegung. Bereits 1915 erschien sein erster Gedichtband „Gloria!“ (Kriegsgedichte aus dem Feld), dem bis 1922 noch sieben weitere Gedichtbände folgten. Vor zwei Jahren erschien in der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung die erste Gesamtausgabe der Lyrik Wilhelm Klemms in einem umfangreichen und repräsentativen Band, herausgegeben von Imma Klemm, der Enkelin des Dichters. Nun haben Verlag und Herausgeberin mit einem schmalen Taschenbuch nachgelegt, das eine Auswahl von Briefen und Versen aus dem Ersten Weltkrieg bringt.
Der 33jährige Wilhelm Klemm war wie viele seiner jungen Dichterkollegen im August 1914 in den Krieg gezogen, als Regimentsarzt in Flandern. Seiner Frau Erna Kröner-Klemm schrieb er fast täglich Feldbriefe, die er als tagebuchartige Notizen aufgehoben wissen wollte. Daher tippte sie seine Briefe sorgfältig ab, wobei sie private und geschäftliche (Klemm hatte 1908 die Buchhandlung seines verstorbenen Vaters übernommen) Passagen wegließ. Anfänglich war auch an eine Veröffentlichung der Briefe im S. Fischer Verlag gedacht, doch das Buchprojekt kam nicht zustande. Während des Zweiten Weltkrieges gingen die Originalbriefe schließlich verloren.
Die vorliegende Ausgabe folgt dem von Erna Klemm hergestellten Typoskript, eingefügt sind einige Passagen aus ihren Antwortbriefen. Die Briefe ihres Ehemannes vermitteln ein authentisches Bild vom Kriegsgeschehen in den ersten Wochen und Monaten des Ersten Weltkrieges - vom anfänglichen Optimismus, dass der Krieg im Westen schnell entschieden wird, bis zur Sprachlosigkeit und Ernüchterung über die Gräueltaten an belgischen Zivilisten. Immer öfter wird er als Arzt auch mit körperlichen und seelischen Verstümmelungen konfrontiert („Die Säle sind erfüllt von dem Jammern und Winseln“). Der Briefwechsel der Eheleute wird in einige chronologische Kapitel unterteilt, die mit einem kurzen Überblick über das jeweilige Kriegsgeschehen eingeleitet werden.
Der Lyrikteil versammelt 41 Kriegsgedichte Klemms, die vom Oktober 1914 bis zum April 1915 entstanden und in verschiedenen Literaturzeitschriften („Aktion“, „Simplicissimus“) bzw. in dem erwähnten Band „Gloria!“ erschienen waren. Obwohl Klemm kein politischer Dichter war, drückte er in den Gedichten mit harter Sachlichkeit seine traumatischen Kriegserlebnisse aus. Nach dem Krieg gab er seinen Arztberuf auf und wurde Leiter verschiedener Verlage. 1922 verstummte Wilhelm Klemm literarisch.
Die Ausgabe wird komplettiert durch einen umfangreichen Anhang, in dessen Mittelpunkt ein ausführliches Nachwort von Hanns-Josef Ortheil steht, in dem die biografischen und literaturhistorischen Hintergründe näher beleuchtet werden. Darüber hinaus gibt es editorische Anmerkungen zu der Ausgabe. Eine abschließende Karte verzeichnet die Truppenbewegungen von Klemms Regiment. Vielleicht hat ihn sein zwischenzeitlicher Arztberuf vor dem Schicksal zahlreicher Expressionisten bewahrt, die ihr Leben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges ließen.