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Ein Klassiker in vielgelobter Neuübersetzung 2: Und von erstaunlicher Aktualität: Spekulative Finanzgeschäfte, bei dem Leibeigene belastet werden, die in Wirklichkeit schon längst tot sind. "Tote Seelen" schaffen lebendiges Geld.
Die virtuos erzählte Geschichte eines abenteuerlichen Coups: Pawel Iwanowitsch Tschitschikow fährt über Land und tätigt unglaubliche Geschäfte... Auf seiner Fahrt durch Russland macht er verschiedenen Gutsbesitzern seine Aufwartung und versucht, sie zu überreden, ihm eine Liste derjenigen Leibeigenen zu überlassen, die seit der letzten fiskalischen Erhebung…mehr

Produktbeschreibung
Ein Klassiker in vielgelobter Neuübersetzung 2: Und von erstaunlicher Aktualität: Spekulative Finanzgeschäfte, bei dem Leibeigene belastet werden, die in Wirklichkeit schon längst tot sind. "Tote Seelen" schaffen lebendiges Geld.
Die virtuos erzählte Geschichte eines abenteuerlichen Coups: Pawel Iwanowitsch Tschitschikow fährt über Land und tätigt unglaubliche Geschäfte... Auf seiner Fahrt durch Russland macht er verschiedenen Gutsbesitzern seine Aufwartung und versucht, sie zu überreden, ihm eine Liste derjenigen Leibeigenen zu überlassen, die seit der letzten fiskalischen Erhebung gestorben sind.

Zum großen Erstaunen der Beteiligten hat er dafür Verwendung! Was er allerdings damit vorhat, erfährt auch der Leser erst allmählich. Aus diesem wunderlichen Sujet erwächst eine surrealistische Bildergalerie von grotesken Charakteren und unvergesslichen Sonderlingen. Die 'Toten Seelen', eines der originellsten Bücher der russischen Literatur und fest verankert im Kanon der Weltliteratur, fasziniert als burleskes Sittengemälde Rußlands. Der virtuose Stil, der phantasievolle, überbordende Erzählfluß und der kühne Aufbau des Werks machen die Lektüre des Romans zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Kommentar zur Neuübersetzung von Vera Bischitzky"Wie kompliziert die formale Seite der Werke Gogols ist, kann man leicht sehen, wenn man versucht, auch nur einige Zeilen eines beliebigen Werks von ihm adäquat in eine beliebige Sprache zu übersetzen', so der Slawist Dmitrij Tschizewskij. Gogol scherte sich nicht um sprachliche Fehler, die ihm unterliefen und auf die ihn Zeitgenossen hinwiesen, auch mischte er immer wieder russische mit ukrainischen Sprachelementen. Soll und kann dies in eine andere Sprache übertragen werden? Und wie geht ein Übersetzer mit all den Tautologien um, die den deutschen Leser mitunter befremdlich anmuten? Was ist zu tun angesichts Gogolscher Sprachschöpfungen, die (so Tschizewskij) 'überhaupt keiner Sprache eigen sind' und mitunter nur der Verzierung dienen oder eine rätselhafte Aura schaffen sollen? Wie den lyrischen Ton bewahren, die Rhythmik oder das halbgebildete Stammeln eines russischen Provinzbeamten, welche Äquivalente für exotische Speisen finden? Diese und viele andere Übersetzungsprobleme lassen sich nur in einem unendlich langsamen Annäherungsprozeß lösen, der die Schrift-und Lautgestalt des Textes in gleicher Weise berücksichtigt - denn Gogol war auch ein begnadeter Vorleser seiner Werke.

Gogols 1842 erschienener Roman über Geschäftemacherei, Willkür, Betrug, Korruption und ein Leben in Saus und Braus ist von verblüffender Aktualität. Allenfalls die Methoden haben sich geändert. In einer russischen Provinzstadt führt sich ein gewisser Kollegienrat Tschitschikow in die Gesellschaft ein und macht einigen Gutsbesitzern einen ungewöhnlichen Vorschlag: Er will ihnen »tote Seelen« abkaufen, verstorbene Leibeigene, die noch in den Rechnungsbüchern geführt werden ...

Die Toten Seelen, Gogols einziger Roman und Höhepunkt seines Werks, trugen entscheidend zur Weltgeltung des russischen Autors bei. Die Übersetzung von Vera Bischitzky macht die Vielschichtigkeit dieses Klassikers ganz neu zugänglich.
Autorenporträt
Nikolai Wassiljewitsch Gogol wurde am 1. April 1809 in Welikije Sorotschinzy (Poltawa), Ukraine, geboren. Der Sohn eines ukrainischen Gutsbesitzers siedelte 1828 nach St. Petersburg über und versuchte sich als Beamter und Lehrer. Mit seinen ersten volkstümlichen Erzählungen erwarb sich Gogol 1831/32 große Anerkennung. 1848 unternahm Gogol eine Pilgerreise nach Jerusalem. Vier Jahre später starb er in Moskau.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2009

Väterchen Frost ist Schnee von gestern

Heute vor zweihundert Jahren wurde Nikolai Gogol geboren: Zwei Übersetzungen seiner "Toten Seelen" laden zur Wiederbegegnung mit dem Hauptwerk des russischen Klassikers ein.

Nikolai Wassiljewitsch Gogol bildet zusammen mit Alexander Puschkin und Michail Lermontow jene Dichtertrias, die für die erste große Entfaltung der russischen Literatur steht. In einer Epoche, die nach dem militärischen Triumph des Zarenreiches über Napoleon vom reaktionären Geist der Heiligen Allianz, durch die Adelsrevolte der Dekabristen und das repressive Regime Nikolaus' I. markiert wurde, rückte die russische Literatur nach einem langen Prozess der Aneignung fremder Muster jetzt in eine Reihe mit der europäischen Romantik. Goethe, Schiller, E.T.A. Hoffmann, Byron, Mickiewicz waren nicht mehr unerreichbare Vorbilder, sondern Dialogpartner der Russen, die sich ihrerseits nun auf die eigenen Traditionen und Themen stützten.

Gerade in Gogols Werken ist deutlich zu sehen, wie er aus der ukrainischen Überlieferung und seinen Petersburger Erfahrungen schöpft und dabei immer wieder ureigene künstlerische Lösungen findet. Seine Herkunft aus einer ukrainisch-polnischen Familie, die ein kleines Landgut in der Nähe von Poltawa besaß, hat ihn nicht gehindert, gezielt auf eine Tätigkeit als Beamter oder als Schriftsteller in Petersburg hinzustreben. Er hatte eine der von Kaiser Alexander I. geschaffenen Eliteschulen besucht, dort beachtliche Literaturkenntnisse erworben und sich bereits als Dichter versucht: Ein Poem mit dem abstrusen Titel "Hanz Küchelgarten", das in einer überzogenen Apotheose Goethes gipfelte, hatte er nach Petersburg mitgebracht. Als es im Druck erschien und auf höhnische Kritik stieß, reiste der düpierte Dichter unvermittelt nach Lübeck - ein Verhaltensmuster, das sich mehrfach wiederholen sollte. Zuletzt 1848 mit seiner geheimnisumrankten Pilgerreise nach Jerusalem, mit der ein jahrelanges Irren von Ort zu Ort endete - im Sommer suchte er Heilung von allerlei Leiden in deutschen Kurorten, im Winter lebte er in Neapel, Florenz oder Rom.

Einige Gogolsche Gestalten zählen zur ewigen Typengalerie der Weltliteratur: der vermeintliche Revisor Chlestakow, der eine korrupte Provinzstadt in panischen Schrecken versetzt; der reisende Kollegienrat Tschitschikow, der in der Provinz unbegreiflicherweise verstorbene Leibeigene aufkauft, oder Akakij Akakijewitsch Baschmatschkin, der kleine Beamte, der sich einen prächtigen Wintermantel abspart, welcher ihm beim ersten Ausgang gestohlen wird. Ganz zu schweigen von dem Kollegienassessor Kowaljow, dem die eigene Nase abhandenkommt. Alle diese Figuren sind nach Habitus und Verhalten höchst bizarr, sie agieren in seltsamen Situationen und werden vom Autor mit sprachlichen Komismen geradezu eingesponnen.

Kein Zweifel: Gogol ist der große Virtuose des Komischen. Und er setzt seine komischen Verfahren nicht zum Selbstzweck ein, sondern um die Banalität des Seins, die russische poschlost, aufzudecken, wo immer sie sich vorfindet, und um im Menschen den Durst nach dem Hohen und Schönen zu wecken: das Metaphysische als Stachel des Komischen.

In Verkennung seines eigentlichen Anliegens haben Gogols Zeitgenossen seinen Werken meist gesellschaftliche Zwecke unterstellt: Gesellschaftssatire, Verlachung des Lasters, Entlarvung des Beamtenapparates, Geißelung der Korruption. In der Tat spießt er dies ja alles auf und spart nicht an Mitleid mit den kleinen Leuten. Und doch war es ein Missverständnis, das die Biographie des Dichters begleitete und ihn vor seinem Publikum zurückscheuen ließ.

Die Frage, ob Gogol Romantiker oder Realist sei, hat den kritischen Diskurs lange Zeit beherrscht, namentlich in Russland, wo nicht erst die sowjetische Literaturkritik die realistische Grundtendenz aller Literatur postulierte. Erst Andrej Belyj und Vladimir Nabokov stellten den einzigartigen Wortkünstler Gogol heraus, der das komische Genre beherrschte wie kein anderer, dem es jedoch nicht gelang, das Erhabene, das Ideal, zu gestalten.

Seinen ersten literarischen Erfolg brachten ihm seine ukrainischen Novellen, "Abende auf einem Weiler nahe Dikanka" (1831/32) und "Mirgorod"(1835), ein. Mit ihrem besonderen sprachlichen und motivischen Kolorit trafen sie auf ein neuentfachtes Interesse an der "kleinrussischen" Welt. Nach Puschkins knapper Prosa, eben erst erprobt in "Belkins Erzählungen", brachte Gogol einen völlig neuen, wort- und pointenreichen Erzählstil in die russische Literatur. Alsbald versetzte er in den Petersburger Erzählungen die komischen und magischen Vorgänge aus dem ukrainischen Dorf in die russische Metropole.

Um seine künstlerischen Innovationen umzusetzen, benötigte Gogol ein Minimum an Material. Im "Revisor", einer der genialsten Komödien der Weltliteratur, verzichtete er auf die traditionelle Liebesintrige und kam mit einer einzigen Situation aus, der des gegenseitigen Verkennens, in die sich Chlestakow und die städtischen Honoratioren verstricken. Puschkin, den Gogol um "eine komische oder nicht komische, aber rein russische Anekdote" gebeten hatte, stellte ihm den Stoff zur Verfügung.

Und auch das Sujet von Gogols einzigem Roman, "Tote Seelen", geht auf eine Anregung Puschkins zurück. Gogol hat angedeutet, dass die Gesamtanlage des Prosapoems ein Pendant zu Dantes "Göttlicher Komödie" hätte werden sollen. Fertiggestellt wurde nur der erste Teil und einige Kapitel des zweiten. Der dritte Teil, der den geläuterten Tschitschikow in die Idealität hätte versetzen sollen, blieb frommer Wunsch. Der unvergleichliche Meister des Komischen und des Grotesken veröffentlichte stattdessen 1847 "Ausgewählte Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden", die ein erschreckend rückwärtsgewandtes Weltbild erkennen ließen. Wissarion Belinskij regierte darauf mit einem aufrüttelnden Brief an Gogol, der unter den russischen Literaten rasch verbreitet wurde. Als Dostojewskij ihn in einem geheimen Zirkel verlas, wurde er verhaftet und einer Scheinhinrichtung unterzogen.

In Gogols Jubiläumsjahr erscheinen zwei deutsche Übersetzungen seines Romans. Der Verlag Philipp Reclam jun. bringt die Übersetzung von Wolfgang Kasack mit den hilfreichen Anmerkungen von Angela Martini neu heraus. Als ausgewiesener Gogol-Kenner hatte Kasack in seiner Übersetzung dem mündlichen Erzählduktus des Roman besonderes Augenmerk gewidmet. Die im Artemis & Winkler Verlag erscheinende neue Übersetzung von Vera Bischitzky geht noch darüber hinaus. Im Sinne des wörtlich bewahrenden Übersetzens, wie es Jacob Grimm oder Wolfgang Schadewaldt vertraten, versucht die Übersetzerin auch jene Gogolismen beizubehalten, die gewöhnlich "verbessert" werden, von den Wiederholungen, Tautologien, eigenartigen Sprachschöpfungen bis hin zur politischen Unkorrektheit.

Man findet bei ihr kein "Väterchen" und "Mütterchen" mehr - stattdessen heißt es "mein Lieber" oder "gute Frau". Die russischen und ukrainischen Speisenamen werden, ebenso wie die verqueren Eigennamen, in ihrer skurrilen Urform ausgebreitet und kundig erläutert. Wie sinnvoll eine Neusichtung des Romantextes ist, zeigt sich bereits in der Titelwiedergabe: "Tote Seelen". Denn mit Gogols "Mjortwyje duschi" - das Russische kennt keinen Artikel - sind natürlich nicht nur die Revisionsleichen gemeint, die Tschitschikow aufkauft, um sie zu beleihen, vielmehr besteht die gesamte Adelsgesellschaft aus toten Seelen, allen voran die von Tschitschikow aufgesuchten Gutsherren.

Zwei Übersetzungen von Gogols Meisterwerk, die, jede für sich, überzeugen, beide in ansprechender Ausstattung, das ist fürwahr eine würdige Huldigung an den großen russischen Schriftsteller!

REINHARD LAUER.

Nikolai Gogol: "Die toten Seelen". Ein Poem. Aus dem Russischen von Wolfgang Kasack. Anmerkungen und Nachwort von Angela Martini. Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2009. 600 S., geb., 26,90 [Euro].

Nikolai Gogol: "Tote Seelen". Aus dem Russischen neu übersetzt von Vera Bischitzky. Mit Anmerkungen und Bericht aus der Übersetzerwerkstatt von Vera Bischitzky. Nachwort und Zeittafel von Barbara Conrad. Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf 2009. 517 S., geb., 89,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Von allen Übersetzungen sei dies nun die eingängigste, lobt Rezensentin Barbara Kerneck die Neuübersetzung dieses Romans, dessen Anmerkungsapparat sich aus ihrer Sicht bereits schon "wie ein spannendes Buch" liest. Zwar sei dies keine Nachdichtung, sondern das Werk einer Wissenschaftlerin, dennoch bewahre die Übertragung Glätte und Rasanz des Originals. Auch dass Vera Bischitzky für eine große Zahl alter Gegenstände im Buch deutsche Entsprechungen fand und auch noch Rezepte von Speisen ausgegraben habe, die heute gar nicht mehr existieren, findet die Rezensentin schlicht wunderbar. Auch weil es ein wunderbares Werk, das bislang nur in sperrigen Übersetzungen vorlag, endlich richtig für Leser geöffnet hat.

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