1731, in den Wäldern Serbiens: Für eine Handvoll Gold wird das Mädchen Jasna von ihrem Vater an einen reichen Edelmann verkauft. Der rätselhafte Fremde nimmt das Mädchen mit auf seinen Gutshof an der Grenze zum Osmanischen Reich. Dort wird Jasna mit seinem Sohn Danilo verheiratet. Schnell stellt die junge Braut fest, dass ein schrecklicher Fluch auf der Familie lastet. Ist Danilo wirklich ein Vampir, wie im Dorf gemunkelt wird? Während sich die mysteriösen Vorkommnisse häufen, gerät Jasna in den Bann des faszinierenden Duschan. Aber auch er hat ein dunkles Geheimnis ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2009Jagd auf die Untoten
Vor 300 Jahren erlebte eine junge Frau in einem serbischen Dorf den Ausbruch der Vampir-Hysterie
Allergrößte Vorsicht war geboten bei einer Beerdigung im Südosteuropa des 18. Jahrhunderts, denn groß war die Angst der Lebenden, dass der Tote als Vampir zurückkehrte. So wurden Hunde und Katzen im Trauerhaus festgebunden: kein einziges Tier durfte nämlich unter der Totenbahre hindurchlaufen oder darüber hinwegspringen. Bevor der Sarg geschlossen wurde, legte man dem Verstorbenen vorsichtshalber eine Sichel über die Kehle. Sollte er versuchen zurückzukehren, um Blut und Leben zu saugen, würde er sich selbst den Kopf abschneiden. Bestimmt war es das Werk eines Vampirs, dass ein Hagelsturm die Felder verwüstet hatte, oder rätselhafte Todesfälle auftraten. Dann wurde exhumiert, um zu überprüfen, ob die Leichname auch tatsächlich verwesten. War das nicht geschehen, wurde sie gepfählt, geköpft und schließlich verbrannt.
Im Roman Totenbraut ist für die 15-jährige Jasna die Existenz von Untoten selbstverständliche Realität. Gerade wurde sie von ihrem Vater an einen Gutsbesitzer aus der Fremde verkauft, der eine Frau für seinen Sohn suchte. Nun leidet das junge Mädchen unter Heimweh und der sozialen Kälte, die ihr entgegenschlägt, denn die Dorfgemeinschaft grenzt ihre neue Familie aus. Nicht einmal den Sonntagsgottesdienst dürfen sie besuchen. Und Ehemann Danilo geht ihr aus dem Weg. Jasna fühlt sich zunehmend belauert und verfolgt. Sollte die tote Schwiegermutter ihr das Leben schwer machen wollen? Und wer trinkt das Blut der Pferde? Das Mädchen lässt sich nicht unterkriegen, näht zur Abwehr böser Geister Weißdorn in den Saum ihrer Röcke ein und versucht, die rätselhaften Vorfälle aufzuklären. Hilfe kommt von dem Holzfäller Dušan, der sie liebevoll „Distel” nennt und als einziger Mensch zum Lachen bringt. Doch auch er verschweigt Entscheidendes.
Noch ein Vampirroman? Totenbraut ist Nina Blazons bislang eindrücklichstes Buch. Ihre Vampire haben keinerlei Ähnlichkeit mit den verführerischen Beißgesellen, die Mädchenherzen seit ein paar Jahren höher schlagen lassen. Hier geht es um den Ur-Vampir, einen randalierenden, zombiegleichen Kerl. Er bringt das Vieh um, verdirbt die Ernte und erwürgt Leute. Von ihm ließ sich auch Bram Stoker zu seinem Dracula inspirieren.
Die Autorin stellte umfangreiche Recherchen über Vampir-Hysterie, Volks- und Aberglauben im heutigen Serbien an. Als studierte Slawistin konnte sie viele Texte in der Originalsprache lesen. Aus dem gesammelten Material schmiedete sie einen Thriller, der in seiner Mischung aus Grusel, Mystizismus, Historie und Lovestory überzeugt. Ein Buch wie ein Fiebertraum, bei dessen Lektüre man zeitweise selbst versucht ist, an Wiedergänger zu glauben. Zusammen mit der wunderbar spröden Protagonistin wird man nach und nach aufgeklärt, zum Beispiel über eine Form der Stoffwechselkrankheit Porphyrie. Sie ruft jene Symptome hervor, die zu unserem Bild vom Vampir passen: rötliche Zähne, krallenartig verhornte Nägel und sehr blasse Haut, die kein Tageslicht verträgt. Oder über spezielle Erde, die den Verwesungsprozess verhindert und darüber, dass der Glaube an einen Fluch manchmal schon der Fluch selbst ist. Definitiv eins der stärksten Fantasybücher dieses Herbstes, das einen mit der Erkenntnis entlässt: Vampire gibt es nicht, das Böse aber sehr wohl.
Gefragt, was sie ihren Romanen wünsche, antwortete Nina Blazon : „Dass sie zerlesen aussehen, viele Eselsohren und Flecken vom Wachhalte-Kaffee haben und dass vorne gekritzelte Sätze stehen wie: ‚Wehe, du bringst es nicht wieder!” VERENA HOENIG
Nina Blazon
Totenbraut
Ravensburger 2009. 432 Seiten, 16,95 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Vor 300 Jahren erlebte eine junge Frau in einem serbischen Dorf den Ausbruch der Vampir-Hysterie
Allergrößte Vorsicht war geboten bei einer Beerdigung im Südosteuropa des 18. Jahrhunderts, denn groß war die Angst der Lebenden, dass der Tote als Vampir zurückkehrte. So wurden Hunde und Katzen im Trauerhaus festgebunden: kein einziges Tier durfte nämlich unter der Totenbahre hindurchlaufen oder darüber hinwegspringen. Bevor der Sarg geschlossen wurde, legte man dem Verstorbenen vorsichtshalber eine Sichel über die Kehle. Sollte er versuchen zurückzukehren, um Blut und Leben zu saugen, würde er sich selbst den Kopf abschneiden. Bestimmt war es das Werk eines Vampirs, dass ein Hagelsturm die Felder verwüstet hatte, oder rätselhafte Todesfälle auftraten. Dann wurde exhumiert, um zu überprüfen, ob die Leichname auch tatsächlich verwesten. War das nicht geschehen, wurde sie gepfählt, geköpft und schließlich verbrannt.
Im Roman Totenbraut ist für die 15-jährige Jasna die Existenz von Untoten selbstverständliche Realität. Gerade wurde sie von ihrem Vater an einen Gutsbesitzer aus der Fremde verkauft, der eine Frau für seinen Sohn suchte. Nun leidet das junge Mädchen unter Heimweh und der sozialen Kälte, die ihr entgegenschlägt, denn die Dorfgemeinschaft grenzt ihre neue Familie aus. Nicht einmal den Sonntagsgottesdienst dürfen sie besuchen. Und Ehemann Danilo geht ihr aus dem Weg. Jasna fühlt sich zunehmend belauert und verfolgt. Sollte die tote Schwiegermutter ihr das Leben schwer machen wollen? Und wer trinkt das Blut der Pferde? Das Mädchen lässt sich nicht unterkriegen, näht zur Abwehr böser Geister Weißdorn in den Saum ihrer Röcke ein und versucht, die rätselhaften Vorfälle aufzuklären. Hilfe kommt von dem Holzfäller Dušan, der sie liebevoll „Distel” nennt und als einziger Mensch zum Lachen bringt. Doch auch er verschweigt Entscheidendes.
Noch ein Vampirroman? Totenbraut ist Nina Blazons bislang eindrücklichstes Buch. Ihre Vampire haben keinerlei Ähnlichkeit mit den verführerischen Beißgesellen, die Mädchenherzen seit ein paar Jahren höher schlagen lassen. Hier geht es um den Ur-Vampir, einen randalierenden, zombiegleichen Kerl. Er bringt das Vieh um, verdirbt die Ernte und erwürgt Leute. Von ihm ließ sich auch Bram Stoker zu seinem Dracula inspirieren.
Die Autorin stellte umfangreiche Recherchen über Vampir-Hysterie, Volks- und Aberglauben im heutigen Serbien an. Als studierte Slawistin konnte sie viele Texte in der Originalsprache lesen. Aus dem gesammelten Material schmiedete sie einen Thriller, der in seiner Mischung aus Grusel, Mystizismus, Historie und Lovestory überzeugt. Ein Buch wie ein Fiebertraum, bei dessen Lektüre man zeitweise selbst versucht ist, an Wiedergänger zu glauben. Zusammen mit der wunderbar spröden Protagonistin wird man nach und nach aufgeklärt, zum Beispiel über eine Form der Stoffwechselkrankheit Porphyrie. Sie ruft jene Symptome hervor, die zu unserem Bild vom Vampir passen: rötliche Zähne, krallenartig verhornte Nägel und sehr blasse Haut, die kein Tageslicht verträgt. Oder über spezielle Erde, die den Verwesungsprozess verhindert und darüber, dass der Glaube an einen Fluch manchmal schon der Fluch selbst ist. Definitiv eins der stärksten Fantasybücher dieses Herbstes, das einen mit der Erkenntnis entlässt: Vampire gibt es nicht, das Böse aber sehr wohl.
Gefragt, was sie ihren Romanen wünsche, antwortete Nina Blazon : „Dass sie zerlesen aussehen, viele Eselsohren und Flecken vom Wachhalte-Kaffee haben und dass vorne gekritzelte Sätze stehen wie: ‚Wehe, du bringst es nicht wieder!” VERENA HOENIG
Nina Blazon
Totenbraut
Ravensburger 2009. 432 Seiten, 16,95 Euro.
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