Das furiose Finale der Totenfrau-Trilogie.
Die Frau, die in das Büro eines Hamburger Zuhälters stürmt, ist verzweifelt. »Ich brauche Pässe für mich und meine zwei Kinder«, sagt sie. Und: »Wenn du mir hilfst, werde ich jemanden für dich töten.« Es wäre nicht das erste Mal ...
Brünhilde Blum. International gesuchte Mörderin. Liebevolle Mutter zweier Töchter. Seit Monaten auf der Flucht. In Hamburg will sie zur Ruhe kommen, einen Neuanfang wagen, und fast, so scheint es, gelingt es ihr auch. Ausgestattet mit einer neuen Identität und etwas Geld wohnt sie mit ihren Töchtern in einem wunderschönen Fischerhäuschen an der Elbe und arbeitet als Aushilfe in einem Bestattungsinstitut. Alles ist gut. Bis zu dem Tag, an dem sie für ihr neues Leben bezahlen muss - denn der Mann, dem sie das neue Glück zu verdanken hat, fordert ein, was sie ihm versprochen hat. Sie soll für ihn jemanden töten. Das Problem dabei ist nur, dass es sich um einen Menschen handelt, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist ...
Die Frau, die in das Büro eines Hamburger Zuhälters stürmt, ist verzweifelt. »Ich brauche Pässe für mich und meine zwei Kinder«, sagt sie. Und: »Wenn du mir hilfst, werde ich jemanden für dich töten.« Es wäre nicht das erste Mal ...
Brünhilde Blum. International gesuchte Mörderin. Liebevolle Mutter zweier Töchter. Seit Monaten auf der Flucht. In Hamburg will sie zur Ruhe kommen, einen Neuanfang wagen, und fast, so scheint es, gelingt es ihr auch. Ausgestattet mit einer neuen Identität und etwas Geld wohnt sie mit ihren Töchtern in einem wunderschönen Fischerhäuschen an der Elbe und arbeitet als Aushilfe in einem Bestattungsinstitut. Alles ist gut. Bis zu dem Tag, an dem sie für ihr neues Leben bezahlen muss - denn der Mann, dem sie das neue Glück zu verdanken hat, fordert ein, was sie ihm versprochen hat. Sie soll für ihn jemanden töten. Das Problem dabei ist nur, dass es sich um einen Menschen handelt, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2017Mutter Mörderin
Bernhard Aichner im „Totenrausch“
Wie kann man diese Frau lieben? Diese unberechenbare Bestatterin, die sich zeit ihres Lebens am liebsten um die kümmert, die nicht mehr atmen. Sich kümmert, dass sie nicht mehr atmen. „Sie ist wie eine Krankheit, die man ausrotten will, ein Übel, das man sich vom Leib hält.“
Erster Absatz, erste Seite. Das ist Brünhilde Blum, Mutter von zwei Kindern. Liebevoll, freundlich und ausgeglichen. Fünf Männer hat sie umgebracht. Nun ist sie auf der Flucht. „Weil sie ihr Gesicht nicht einfach ausziehen kann wie einen Schuh, weil man sie erkennen und sie einsperren würde. Deshalb.“ Und immer wieder sagt sie sich: Alles wird gut.
Ein Versprechen, das Bernhard Aichner seiner Hauptfigur schon im ersten Teil der „Totenfrau“-Trilogie gibt. Das sie bis in den dritten Band „Totenrausch“, der auch separat funktioniert, lockt. Es ist diese ehrliche, die Brust zusammenschnürende Liebe, die diese Frau so unwiderstehlich macht. Weshalb man ihr jedes noch so große Gräuel verzeiht. Weil diese Liebe in ihr brennt. Sie immerfort jagt. Stillstand gibt es nicht, dafür sorgt Aichner mit scharfen Stakkato-Sätzen. Brünhilde Blum spricht viel mit sich selbst, wiederholt sich, ein Mantra: Alles wird gut. Es muss einfach gut werden.
Zeit für Reflexion lässt ihr Aichner nicht, er treibt sie blind ins nächste moralische Dilemma. Hektisch flirren die Augen über die Seiten, versuchen mit der irren Geschwindigkeit mitzuhalten. Die kurzen Sätze brennen sich ein. Szenenwechsel, innerer Monolog, eine neue Gefahr. Und zwischendurch einige wenige Dialoge, in die man atemlos hineinfällt. Sich im ironischen Schlagabtausch verheddert. Um wieder in den Kopf der Serienmörderin geschubst zu werden, die am Boden liegt, zu Füßen eines Hamburger Zuhälters. Ihre letzte Hoffnung auf einen Neustart für die Familie. „Ich werde jemanden für dich umbringen. Dafür besorgst du mir die Pässe. Das ist der Deal./Das ist ein Scherz, oder?/Nein, das ist kein Scherz./Bist du irre? Was ist los mit dir?/Ich habe zwei Kinder./Und das macht dich zur Mörderin, oder was?/Diese beiden Kinder warten darauf, dass ihre Mutter wieder zu ihnen zurückkommt. Mit guten Nachrichten.“
Diese Drohung, die Familie zu verletzen, diese reine Liebe zu entreißen, dient Aichner als Antriebsstoff, lässt Hauptfigur und Leser durch die Abgründe der Geschichte taumeln. 2014 hat der Österreicher den ersten Teil der Trilogie veröffentlicht, die nicht nur in Deutschland und Österreich auf der Bestsellerliste steht, sondern weltweit verkauft wird und als Serie verfilmt werden soll. „Man weiß das Leben mehr zu schätzen, wenn man erlebt, wie es ist, wenn es aus ist“, erklärt der 1972 geborene Schriftsteller und Fotograf in einem Interview. Für die „Totenfrau“-Trilogie hat er in einem Bestattungsunternehmen recherchiert, und dort, wo das Leben zu Ende ist, schließlich seine Hauptfigur geboren. Eine Frau, die dem Tod zärtlich begegnet, deren Lebensinhalt ihre Familie ist. „Schnell begreifen sie, dass sie eingesperrt sind, dass es keinen Ausweg gibt. Doch nichts tut sich, die Sargwände geben nicht nach, Mamas Arme sind wie Schnüre, die um sie herumliegen, sie liebevoll festhalten, beschützen wollen.“ Alles wird gut.
BRITTA SCHÖNHÜTL
Bernhard Aichner: Totenrausch. btb, München 2017. 480 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Doch nichts tut sich,
die Sargwände
geben nicht nach
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Bernhard Aichner im „Totenrausch“
Wie kann man diese Frau lieben? Diese unberechenbare Bestatterin, die sich zeit ihres Lebens am liebsten um die kümmert, die nicht mehr atmen. Sich kümmert, dass sie nicht mehr atmen. „Sie ist wie eine Krankheit, die man ausrotten will, ein Übel, das man sich vom Leib hält.“
Erster Absatz, erste Seite. Das ist Brünhilde Blum, Mutter von zwei Kindern. Liebevoll, freundlich und ausgeglichen. Fünf Männer hat sie umgebracht. Nun ist sie auf der Flucht. „Weil sie ihr Gesicht nicht einfach ausziehen kann wie einen Schuh, weil man sie erkennen und sie einsperren würde. Deshalb.“ Und immer wieder sagt sie sich: Alles wird gut.
Ein Versprechen, das Bernhard Aichner seiner Hauptfigur schon im ersten Teil der „Totenfrau“-Trilogie gibt. Das sie bis in den dritten Band „Totenrausch“, der auch separat funktioniert, lockt. Es ist diese ehrliche, die Brust zusammenschnürende Liebe, die diese Frau so unwiderstehlich macht. Weshalb man ihr jedes noch so große Gräuel verzeiht. Weil diese Liebe in ihr brennt. Sie immerfort jagt. Stillstand gibt es nicht, dafür sorgt Aichner mit scharfen Stakkato-Sätzen. Brünhilde Blum spricht viel mit sich selbst, wiederholt sich, ein Mantra: Alles wird gut. Es muss einfach gut werden.
Zeit für Reflexion lässt ihr Aichner nicht, er treibt sie blind ins nächste moralische Dilemma. Hektisch flirren die Augen über die Seiten, versuchen mit der irren Geschwindigkeit mitzuhalten. Die kurzen Sätze brennen sich ein. Szenenwechsel, innerer Monolog, eine neue Gefahr. Und zwischendurch einige wenige Dialoge, in die man atemlos hineinfällt. Sich im ironischen Schlagabtausch verheddert. Um wieder in den Kopf der Serienmörderin geschubst zu werden, die am Boden liegt, zu Füßen eines Hamburger Zuhälters. Ihre letzte Hoffnung auf einen Neustart für die Familie. „Ich werde jemanden für dich umbringen. Dafür besorgst du mir die Pässe. Das ist der Deal./Das ist ein Scherz, oder?/Nein, das ist kein Scherz./Bist du irre? Was ist los mit dir?/Ich habe zwei Kinder./Und das macht dich zur Mörderin, oder was?/Diese beiden Kinder warten darauf, dass ihre Mutter wieder zu ihnen zurückkommt. Mit guten Nachrichten.“
Diese Drohung, die Familie zu verletzen, diese reine Liebe zu entreißen, dient Aichner als Antriebsstoff, lässt Hauptfigur und Leser durch die Abgründe der Geschichte taumeln. 2014 hat der Österreicher den ersten Teil der Trilogie veröffentlicht, die nicht nur in Deutschland und Österreich auf der Bestsellerliste steht, sondern weltweit verkauft wird und als Serie verfilmt werden soll. „Man weiß das Leben mehr zu schätzen, wenn man erlebt, wie es ist, wenn es aus ist“, erklärt der 1972 geborene Schriftsteller und Fotograf in einem Interview. Für die „Totenfrau“-Trilogie hat er in einem Bestattungsunternehmen recherchiert, und dort, wo das Leben zu Ende ist, schließlich seine Hauptfigur geboren. Eine Frau, die dem Tod zärtlich begegnet, deren Lebensinhalt ihre Familie ist. „Schnell begreifen sie, dass sie eingesperrt sind, dass es keinen Ausweg gibt. Doch nichts tut sich, die Sargwände geben nicht nach, Mamas Arme sind wie Schnüre, die um sie herumliegen, sie liebevoll festhalten, beschützen wollen.“ Alles wird gut.
BRITTA SCHÖNHÜTL
Bernhard Aichner: Totenrausch. btb, München 2017. 480 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Doch nichts tut sich,
die Sargwände
geben nicht nach
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»Spannend, schnell und ziemlich hart.«
Fünf von fünf Sternen Stern, Heft 2/2017
Fünf von fünf Sternen Stern, Heft 2/2017
»Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt. Spannend, schnell und ziemlich hart.« Stern, Heft 2/2017