Antoine Blondin (1922 - 1991) hatte im Sommer stets eine Verabredung. Von 1954 bis 1982 begleitete er als Chronist die Tour de France. Nur ein Jahr setzte er aus. Da musste der preisgekrönte Literat einen seiner Romane fertigstellen. Ansonsten veröffentlichte Blondin seine fliegenden Blätter über die sportlichen und auch die nicht so sportlichen Aspekte der Tour in deren Mutterblatt, der Sportzeitung »L'Équipe«. Dabei ist er nah dran an Größen wie Jacques Anquetil, Tom Simpson und Federico Bahamontes.So wird der «Adler von Toledo» flügellahm, weil ihm dilettantisch eine Spritze in den Arm injiziert wurde. Im Vergleich zu zurückdatierten Rezepten für »therapeutische« Zwecke und Eigenblut-Doping liest sich das Doping in den 1960er Jahren wie der Beipackzettel von rezeptfreiem Hustensaft. Überhaupt Doping: Der Autor vergleicht Doper mit den Scheinblinden in Metro-Gängen, die ihr Bündel schnüren, wenn Kontrolleure auftauchen. Blondin nimmt aber auch im Besenwagen Platz und porträtiert die Erschöpften und Gestürzten. Er berichtet sogar, wie ihm, als Journalisten im damals noch vergleichsweise familiären Tour de France-Zirkus die Aufgabe zukam, havarierten Athleten die Reifen zu reparieren. Der deutsche Profi »Hennes« Junkermann ist das erste Versuchskaninchen des schreibenden Mechaniker-Neulings.Er brilliert aber auch mit absurd-fantastischen Stücken. So schmuggelt Blondin eine sprechende Katze auf den Zeitfahrkurs ein. Das freche Tier verwickelt Anquetil in mathematisch-amouröse Gespräche und bremst ihn beim Pedalieren aus.Blondin fügt dem Mythos »Tour de France« furchtlos seine Mythen hinzu - in jenen Zeiten ein Beweis für literarische Bravour. Fast drei Jahrzehnte Tour de France in einer Auswahl von Blondins originalen Artikeln.
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Es ist zwar nur eine schmale Auswahl von Glossen, aber Rezensentin Martina Meister widmet ihr eine begeisterte Besprechung, die weit über das Bändchen hinausreicht und Blondin als eine singuläre Figur im französischen Sportjournalismus und der Literatur würdigt. Eigentlich stand er der Rechten nahe, aber hierüber macht Meister nur ein paar vage Anmerkungen. Allzu begeistert ist sie von der sprachlichen Kraft und der Wahrnehmungsstärke von Blondins Glossen und ganz besonders von seiner Lyrik der Niederlage - denn die größten und tragischsten Geschichten der Tour de Francen, so Meister, handeln vom Verlieren. Auf jeden Fall ein Geschenk für jeden belesenen Freund des Radsports.
© Perlentaucher Medien GmbH
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