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"Es gab Püppchen mit großem, gestricktem Rock oder gehäkelte Zylinderhüte, unter denen Klopapierrollen versteckt waren. Oder Kissen mit gestrickten Bezügen, darauf das Nummernschild mit dem richtigen Kennzeichen, man konnte es mit dem Original vergleichen. Auf anderen Hutablagen auch noch Wackeldackel und Wackelboxer, das Messemännchen mit einer Pfeife im Mund, der kugelrunde Kopf war voller riesiger Leberflecken. Dabei waren es gar keine Leberflecken, sondern die Kontinente, der Kopf war ein Globus. Sehr selten waren zu Weihnachten hinten kleine Weihnachtsbäumchen mit leuchtenden bunten…mehr

Produktbeschreibung
"Es gab Püppchen mit großem, gestricktem Rock oder gehäkelte Zylinderhüte, unter denen Klopapierrollen versteckt waren. Oder Kissen mit gestrickten Bezügen, darauf das Nummernschild mit dem richtigen Kennzeichen, man konnte es mit dem Original vergleichen.
Auf anderen Hutablagen auch noch Wackeldackel und Wackelboxer, das Messemännchen mit einer Pfeife im Mund, der kugelrunde Kopf war voller riesiger Leberflecken. Dabei waren es gar keine Leberflecken, sondern die Kontinente, der Kopf war ein Globus. Sehr selten waren zu Weihnachten hinten kleine Weihnachtsbäumchen mit leuchtenden bunten Lichtern. Vorn waren Thermometer aller Art, kleine Kilometerzähler. Auf dem Armaturenbrett oft festgeklebt war eine Schneekugel. Richtig konnte es darin erst schneien, wenn das Auto einen Abhang runterrollte.
Manche hatten sich beim Trabbi extra eine Tankanzeige eingebaut. Doch unser orangener Trabant hatte so etwas nicht."
Autorenporträt
Falko Hennig wurde 1969 in Berlin geboren. Schriftsetzerlehre beim Ministerium für Nationale Verteidigung, Abitur an der Abendschule. Nach der Wende verschiedenste Jobs u.a. als Pförtner, Redakteur, Aktmodell. Heute arbeitet er als Journalist und Schriftsteller. Hennig ist Mitglied der Reformbühne 'Heim und Welt' im Kaffee Burger in Berlin, Vorsitzender der Charles-Bukowski-Gesellschaft und veröffentlicht regelmäßig in der Frankfurter Rundschau, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der taz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2002

Auf der Verliererstraße
Alles einsteigen, bitte: Falko Hennig kurvt durch das Autoland DDR

Wer deutsche Romane liest, könnte glauben, der tägliche Verkehrsinfarkt auf den Straßen sei eine Erfindung. Die deutsche Romanfigur reist mit der Bahn. In amerikanischen Romanen dagegen wird unentwegt Auto gefahren; der Begriff von Freiheit deckt sich weitgehend mit dem der individuellen Mobilität. Poesie ist Unterwegssein, aber bitte nicht zu Fuß, das galt schon den Cowboys als zutiefst entwürdigend. Unsummen wurden ausgegeben, damit die Amerikaner auf dem Mond ein paar Kilometer mit dem Auto zurücklegen konnten. Man hätte auch preiswert ein Wägelchen zum Sammeln von Trabantengestein hinter sich herziehen können, aber - so die berechtigte Frage Falko Hennigs - wie hätte das ausgesehen?

Es erstaunt nicht, daß ostdeutsche Schriftsteller, die einen deutlicheren Begriff von Unfreiheit haben, auch mehr Sinn für den Zusammenhang von Freiheit und Autofahren entwickeln. Der 1969 geborene Hennig nimmt in seinem zweiten Roman die sozialistische Fahrkultur ins Visier. Autoland DDR: In dem Thema steckt eine Menge objektive Ironie. Passend dazu trägt die Hauptfigur von "Trabanten" einen typisch ostdeutschen, nämlich nach weiter Welt klingenden, also amerikanischen Vornamen: Henry. Nicht zufällig ist das auch ein bedeutender Vorname in der Geschichte des Automobils. In Henry Täuflers Leben hat schlichtweg alles mit Autos zu tun. Das beginnt mit seinem Herkunftsort. Ludwigsfelde, südlich von Berlin gelegen, galt zu DDR-Zeiten als Stadt des Lasters - von hier kam der W-50, der ruhmreiche Fünftonner. Hier war fast jeder im VEB Automobilbau beschäftigt. Henrys Kindheit ist akustisch eingebettet ins Dröhnen der nahen Transitautobahn. Die Frage, was der Junge zu Papier bringt, sobald er einen Stift halten kann, erübrigt sich.

Nicht originelle Figuren, sondern originelle Fahrzeuge sind die Protagonisten des Romans: Opas Saporosch, Vaters Motorroller Troll, das Gogomobil, mit dem man eine pannenreiche Reise nach Prag unternimmt, und natürlich der Trabant, diese rollende Anekdote. Im Duft des Zweitakters stecken Henrys frühe Jahre wie in der sprichwörtlichen Madeleine. Sein Lebensbericht, in dem das Wörtchen Plaste so oft wie nur möglich vorkommt, hat die Kontur eines Bildungsromans, der zum Kraftfahrzeugschlosser führen soll. Dramaturgischer Höhepunkt des ersten Teils ist dementsprechend die Führerscheinprüfung, die Initiation ins mobile Leben, deren literarische Ergiebigkeit sich allerdings in Grenzen hält. Schon hier hört sich der Motor des Romans ein bißchen überlastet an. Auch die ersten sexuellen Erfahrungen sind im buchstäblichen Sinn Erfahrungen. Es ergibt sich eine ungute Fixierung: Später wird Henry nur lieben können, wenn im Hintergrund Motoren dröhnen und Bremsen kreischen.

Einschneidender ist der erste Autokauf. Wie hat jemand die Wende erlebt, der noch am Mittag des 9. November 1989 einen gebrauchten Trabant zum stolzen Preis von 7500 Ostmark glücklich erwerben konnte? Jetzt erst recht, denkt sich Henry und beschließt, einen Autoverleih für Berlin-Touristen allein mit diesen ulkigen, einst dem ostdeutschen Blechmangel abgewonnenen Fahrzeugen zu betreiben. Aber er bleibt auf der Verliererstraße. Die am Tresen geborene Geschäftsidee scheitert. Privat ist Henry inzwischen auf westliche Fahrzeugtypen umgestiegen. Mit dem Opel Manta wächst prompt auch dem Humor ein Heckspoiler: "andere Länder, andere Titten". Am Ende ist Henry Taxifahrer im Berlin der neunziger Jahre, wie so viele. Da kann man eine Menge erleben, aber wegen der immerzu wechselnden Fahrgäste tendieren die Erlebnisse doch sehr zur Kurzprosa.

Soweit krankt das Buch an einer gewissen Belanglosigkeit. Für einen veritablen DDR-Schelmenroman à la "Helden wie wir" fehlt dem Autor die fabulierende Virtuosität. Statt dessen bittet er zur Aufwertung eine Reihe von spektakulären Stargästen auf seine kleine Erzählbühne: Adolf Hitler und die Autobahnen, Rüstungsminister Speer und die Geheimwaffe V2, den "Raketen-Nazi" Wernher von Braun und das amerikanische Raumfahrtprogramm. Zu Henrys kleinformatiger Welt gesellt sich eine Parallelwelt von größtmöglichen historischen Dimensionen. Falltüren in die Weltgeschichte öffnen sich allerorten, wenn man über die muntere Skrupellosigkeit Falko Hennigs verfügt.

Schon so mancher Dachboden hat einen lahmenden Roman wieder in Schwung gebracht. Auch der junge Henry findet auf dem Speicher seines Elternhauses brisantes Material aus den dreißiger Jahren, als die Nationalsozialisten in Ludwigsfelde ein Flugzeugmotorenwerk errichten ließen. Zusätzlich verlegt Hennig die Heeresversuchsstelle Kummersdorf dorthin; so erklärt sich mit Holzhammer-Plausibilität, daß auch Briefe aus der Familie Wernher von Brauns in Henrys Hände gelangen. Denn in Kummersdorf experimentierte man seinerzeit an den Vorformen der V2, bevor der ganze Betrieb nach Peenemünde verlegt wurde.

Ein Drittel des Romans darf der Raketeningenieur selbst als Ich-Erzähler bestreiten. Man denkt bei diesem großen Thema unweigerlich an Pynchon, und genau das ist das Problem. Sicher hat Hennig nach der fröhlichen Devise seines ersten Romans ("Alles nur geklaut!") manches Sachbuch geplündert. Aber so lesen sich seine Wernher-von-Braun-Kapitel auch. Über ein plakatives Lebensreferat kommen sie nicht hinaus. Es mangelt an literarischer Umsetzung, an überzeugenden Situationen und Figuren. Gewiß ist es originell, das teuerste und imposanteste Fahrzeug aller Zeiten, die Saturn-Rakete, mit dem Trabant zu konfrontieren. Zumindest ist es origineller als der Einfall, den Konstrukteur des Techno-Phallus im Eheleben an kontrastierender Potenzschwäche laborieren zu lassen. Da muß Hennig schon selber lachen.

Willkür regiert diesen Roman. Wenn Henry zwischenzeitlich einen VW-Käfer fährt, ist das wieder einmal Anlaß für ein paar Hitler-Phantasien, denn war dies nicht ursprünglich der KdF-Wagen? Der Käfer wird zu Schrott gefahren, und damit ist die Geschichte dann schlagartig wieder entnazifiziert. Die ebenfalls auf der Strecke gebliebene DDR-Problematik wird in großem Schwung zurückgewonnen, indem der Autor den gesamten Romantext kurzerhand als Stasi-Aufzeichnung fingiert. Das paßt nun freilich nicht ganz zum letzten Teil des Buches, den Memoiren eines Autofahrers nach 1989. Hennig mag bei seiner Materialaufschüttung gehofft haben, daß sich die Bezüge irgendwie von selbst ergeben. Vergebens. "Trabanten" hat gute Ansätze; am Ende ist aber nicht mehr als ein kabarettistischer Gemischtwarenladen daraus geworden.

WOLFGANG SCHNEIDER.

Falko Hennig: "Trabanten". Roman. Piper Verlag, München 2002. 285 S., geb., 19,90 [Euro].

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