Bei der Wischauer Sprachinsel, innerhalb der tschechischsprachigen Gebiete Südmährens gelegen, handelte es sich - geografisch und ethnografisch - um ein extremes Grenzgebiet. Wegen der Fruchtbarkeit des Bodens waren die meisten Bewohner in der Landwirtschaft beschäftigt und deswegen stark mit ihrer Heimat verbunden. Der deutsche Charakter der dortigen Dörfer verstärkte die Abgeschlossenheit und die Traditionsverbundenheit der Einwohner zusätzlich, was auch in ihrer Volkstracht zum Ausdruck kam. Die Wischauer Tracht war schon in der Zeit zwischen den Weltkriegen etwas Besonderes, war sie doch - anders als in den meisten anderen Regionen - nicht nur an den Feiertagen, sondern auch im Alltag präsent. Dieser Umstand machte die Wischauer Sprachinsel schon damals bei Fotografen äußerst beliebt.Die Fotografin Annette Hempfling ist von der Wischauer Tracht als ästhetischem Objekt fasziniert. In ihrem Fokus steht aber weder die Tracht als identitätsstiftendes Gemeinschaftskleid noch dessen kulturelle Praxis. Das Begleitbuch zur Ausstellung präsentiert 56 Fotografien. Je zwei Aufnahmen bilden ein Foto-Diptychon. Dabei ist irrelevant, zu welchem Teil der Tracht die Foto-Objekte gehören: Schuh trifft auf Spitzenkragen, Weste auf Tuch, Bluse auf Stickvorlage, Zusammengenähtes auf Aufgetrenntes. Aufnahmen von Personen werden mit Aufnahmen von Objekten konfrontiert. Das Diptychon als Form erzwingt "Dialog" und "Konflikt" zwischen zwei Aufnahmen auf der Ebene der Bild- und Musterstruktur. Es vereint ästhetische Synergien im Spiel zwischen Linie und Kreis, zwischen Ornament und glatter Oberfläche, zwischen Konkretem und Abstraktem. So werden Wahrnehmungsmuster der Tracht aufgebrochen.Mit Beiträgen von: Lilia Antipow, Patricia Erkenberg, Jan Kuca, Christina Meinusch und Alexander Wandinger.